Michael Caine hatte ja in den letzten Jahren wieder einige Filmauftritte, die ihm zur Ehre gereichten. Man kann sich da kaum vorstellen, daß „The Cool-Man“ aus den späten 60er und 70er Jahren des britischen Films eine längere Schaffensperiode hatte, in der man ihn aus den Augen verloren hatte.
Aus dem Jahr 1990 stammt der Film „A Shock to the System“, der fast ausschließlich von Caine’s starker Präsenz lebt, aber insgesamt in Vergessenheit geraten ist.
Caine spielt einen Geschäftsmann Anfang 50 im amerikanischen Broker-Milieu, der schon lange bei seiner Firma ist und der hofft, demnächst in eine Führungsposition aufzusteigen, da sein Vorgesetzter aufs Altenteil geschoben wurde.
Er selbst fühlt sich auch nicht mehr besonders frisch und spürt, daß seine Magie verloren gegangen ist. Diese hatte ihn bisher immer zu Erfolgen im Beruf und bei Frauen geführt.
Diese Informationen entspringen keiner Interpretation, sondern stammen von Caine selbst, der den gesamten Film mit Off-Kommentaren über sein Gefühlsleben begleitet.
Seine Frau liebt ihn nicht mehr, seine Kollegen werden immer jünger und prahlen mit ihren Statussymbolen, während er ein kleines, noch nicht abbezahltes Haus in der Periferie der Stadt bewohnt.
Es kommt wie es kommen muß, der schon leicht müde wirkende Caine wird übergangen und ein Jüngerer erhält den lukrativen Job.
Entsprechend wütend passiert ihm am U-Bahn Gleis auf dem Heimweg ein Unglück. Versehentlich schubst er einen Bettler, der ihn angesprochen hatte, vor den einfahrenden Zug. Zuerst völlig erschrocken und verstört, merkt er schnell, daß das keine Folgen für ihn hat – es hatte niemand bemerkt.
Statt das er jetzt noch frustrierter ist, läßt uns seine Off-Stimme daran teilhaben, daß er sich mit dieser Erfahrung im Gegenteil sehr gut fühlt. Er spürt, daß seine Energie wieder zurück kehrt und bricht zu weiteren Taten auf...
Der Film schildert diese Abläufe in einem sehr ruhigen, völlig unaufgeregten Tempo und das muß man aus heutiger Sicht positiv sagen, er verzichtet auf jegliche Dämonisierung.
Die Chefs und andere Kollegen sind zwar typisch in ihrem Denken und Handeln, aber keineswegs besonders rücksichtslos oder fies, auch Caine’s Ehefrau ist nur einfach normal entfremdet mit den dafür üblichen Mäkelauswirkungen.
Einzig Caine steigert sich immer mehr in seine Allmachtfantasien, die er opferreich auslebt.
Und genau darin liegt auch die Schwäche des Films – es fehlt eine emotionale Bindung.
Während einem sämtliche Nebenfiguren leider zu egal sind (sehr gut als Sekretärin Elizabeth McGovern), um sie schön hassen zu können und ihnen damit ihr Schicksal gönnen würde, verliert Caine im Laufe des Films an Symphatien. Das ist sicherlich gewollt, denn so soll eben auch eine logische Distanz zu einer Person geschaffen werden, die sich immer mehr zum rücksichtslosen Killer entwickelt.
Der Film wirkt eher wie eine Studie als das er niedere Instinkte befriedigen soll. Das ist gerade aus heutiger Sicht, in der nur noch das Wirkung erzielt, was extrem und zugespitzt ist, durchaus lobenswert, aber der Film bleibt dabei durchgehend auf dem Niveau eines bemühten Fernsehfilms.
Denn um die Tiefen einer zerrissenen Persönlichkeit auszuloten, die innerhalb des Systems extreme Methoden anwendet, um dieses im Grunde zu bestätigen ,bleibt der Film zu oberflächlich.
Fazit : Ganz unterhaltsamer Film mit einem relaxten Michael Caine, der aber hier nicht wirklich gefordert wird. In seiner Aussage, Darstellung und Tempo trotz der durchaus konsequenten Story zu mittelmäßig, so daß der Film zu recht in Vergessenheit geriet (5/10).