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Die Geschichte des Paten, des Don Vito Corleone, ist fest und tief in der Filmgeschichte verwurzelt. Kaum ein anderer Film schuf einen derart mächtigen, begründeten Mythos, wie Francis Ford Coppolas "Der Pate". Kaum ein anderer Gangsterfilm schafft ein derart eindringliches Porträt einer gesetzlosen, aber doch ehrbaren Familie. "Der Pate" ist ganz, ganz großes Kino.

Anfang der 70er Jahre adaptierte Filmemacher Francis Coppola den schwelgerischen Roman "The Godfather" von Mario Puzo in ein passendes Drehbuchformat. Er schilderte auf eindrucksvolle Weise die Geschichte einer Verbrecherfamilie. Nämlich nicht als Geschichte von Verbrechern, sondern als eine Geschichte von netten Familienmenschen. Das Wort "Mafia" wird nicht einmal in dem gesamten Drehbuch erwähnt - das Wort "Familie" ist der Platzhalter für jenes Subjektiv. Coppola zeigt uns die Helden des Films in vertrauten Szenerien: Für die Einfuhr der meisten wichtigen Charaktere benutzte Coppola eine einladende Hochzeitssequenz, in der niemand nur bemerken würde, dass es sich hier um eine Versammlung von Dieben und Mördern handeln würde. Coppola versteht es uns die "Familie" nahezubringen. Damit wir keine Abscheu entwickeln, sondern wahres Mitegfühl und Liebe für die typisch italienischen Figuren.

Und es ist auch jene erste Szene, die in einem Hinterraum während der Hochzeit spielt, die so oft zitiert wurde; die aber auch ganz offensichtlich das schier unfassbare schauspielerische Genie des Marlon Brando zeigt. Marlon Brando ist Don Vito Corleone. Brando war zu dem Zeitpunkt des "Paten" ende 40 und sollte selbst einen Menschen spielen, der gut 20 Jahre mehr Lebenserfahrung auf dem Buckel hatte. So stopfte er sich mit Hilfe einer zahnärztlichen Prothese die Wangen zu Hamsterbacken aus, und ließ seine Augen nur halboffen. Brando hat sich seine Zähne schwarz gefärbt und Falten an die Stirn geklebt. Seine Stimme imitiert ohne jeglichen Fehler den italoamerikanischen Dialekt mit präsenter Krächzstimme. Seine fahrigen Gesten und langsamer, überlegter Stil zu Sprechen sind sensationell authentisch. Brando sitzt in dieser Szene da, streichelt über den Nacken einer Katze und hört sich das Gebet seines Schützlinges Bonasera an. Gegen Ende der Einstellung sehen wir dann, wie Brando wohlwollend und mit originaler Gestik den wohlwollenden Bonasera sowohl als Ermahnung als auch als freundschaftliche Geste ins Gesicht tätschelt. Wie erhaben Marlon Brando allein in diesen kurzen Einstellungen aussieht!

Aber auch seine Söhne, die eigentlichen Schlüsselfiguren des Films sind nahezu perfekt besetzt worden. James Caan spielt Sonny Corleone, den hitzköpfigen, aufbrausenden, brutalen Familiensohn. Zwar nimmt er die Sachen bei der Hand, jedoch ist nicht ihm die Aufgabe zugedacht der künftige Don zu werden. John Cazale spielt Fredo, den unauffäligen, eher tollpatschigen Sohnemann. Im Gegensatz zu den anderen Sprösslingen des Paten ist Fredo kein erfolgreicher Gangster, sondern eher das Sorgenkind der Familie. Tom Hagen alias Robert Duvall ist der Consilieri der Familie, sprich der Anwalt und direkte Berater des Dons. Und Al Pacino ist der zentrale Protagonist dieses Meisterwerkes: Michael Corleone, derjenige, dem die große, legale Karriere prophezeit wurde.

Doch schließlich ist "Der Pate" ein Film primär über die Übergabe einer Macht an die nächste Generation. Es geht darum, dass die Familienverhältnisse ins Wanken geraten. Der alte Don Corleone ist nicht bereit sich auf geschäftliche Abenteuer einzulassen, und weist zum Beispiel die Angebote, in den Rauschgifthandel miteinzusteigen, von sich. Dadurch wird er zur Zielscheibe anderer konkurrierender Familien und wird schließlich Opfer eines Attentates. Der im sterben liegende Familienvater muss sein Unternehmen an seine Söhne weitergeben. Jedoch wird Sonny massakriert und Fredo übernimmt lediglich die Geschäfte in Las Vegas. Und so wird aus dem Sohn, der bisher immer sauber aus allen Aktivitäten rausgehalten wurde, der neue Don: Michael Corleone.

Während also die herrlichen Streicher Nino Rotas singen sehen wir dieses period movie über die späten Vierziger Amerikas. Der Krieg ist zu ende, und es wurde Zeit, das die amerikanische Elitekultur sich frötzelnd gegenüber die italoamerikanischen Bürger, deren Maschenschaften ach so undurchsichtig waren, erhebt. Aber auch ist es ein Film, der Anfang der 70er gedreht wurde, zu einer Zeit in der Amerika irritiert ob des Watergate-Skandals dastand, und in diesem Werk nur Bestätigung fand, was Korruptheit der Obrigkeiten anbetraf.

"Der Pate" wurde zum unsterbliche, genialen Meisterwerk der Filmgeschichte. Ein cineastischer Leckerbissen durch und durch. Man denke nur an die hitzige Ermordung von McCluskey und Sollozo durch Pacino, und der Showdown, in dem auf die katholische Taufe von Michaels Patenkind die brutalen Ermordungen an denen montiert sind, die der Familie Corleone Schaden bereiteten. "Der Pate" ist groß wegen so vieler Szenen, und es bereitet einem immer wieder und wieder enorme Freude diesen Meilenstein der Filmgeschichte zu genießen. Oscarprämiert und oft in hochkarätige Listen mit aufgenommen - "Der Pate" ist Filmgeschichte!

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