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Wer sich mit dem Medium Film beschäftigt, kommt nicht an der „Godfather Trilogy“ vorbei. Francis Ford Coppolas „Der Pate“ war der Beginn eines Mythos, durch den alle Beteiligten profitierten. Mario Puzos Romanvorlage wurde erst durch die detailgetreue Visualisierung von der breiten Masse als literarischer Klassiker gefeiert. Marlon Brando galt fortan als Sinnbild für den Paten und Al Pacinos schauspielerisches Profil wurde nicht zuletzt durch seine Rolle als Michael Corleone geprägt. Doch weshalb ist „der Pate“ derart magisch, dass er Jung und Alt über Generationen hinweg staunen lässt??

Die Geschichte der Mafia, angefangen von der Tolerierung durch die alliierten Besatzungsmächte bis hin zur Ausdehnung auf angelsächsischen Raum, bietet viel Platz, um detailliert beleucht zu werden. Die Magie ist dadurch noch lange nicht erklärt, denn „Der Pate“ zeigt vielmehr, wie die Mafia bis dato, unabhängig von den geschichtlichen Rahmenbedingungen bestehen kann. Es ist die Organisation als „Familie“ und das auf den ersten Blick verzerrte, absurde Selbstverständnis einer kriminellen Vereinigung. „Der Pate“ entwirft ein Profil der Charaktere und zeigt, wie sehr Selbsteinschätzung und Realität im Kontrast stehen. Die Mafia lebt in ihrer eigenen, doppelmoralischen Welt! Morde als unumgängliches Mittel, um die Familie zu schützen. Die Mitglieder sind ein Teil des Ganzen, müssen sich aber ihren Platz mehr oder weniger verdienen. Optisch edel in Erscheinung tretend, bewegt sich jedes Mitglied auf einem schmalen Grat zwischen Fürsorge und Skrupellosigkeit.
Ob innerhalb oder außerhalb der familiären Regionen, das eigene Handeln ist opportunistisch und mitunter inkonsequent. „Der Pate“ visualisiert das "Business" ohne dabei wertend und moralisch zu werden.

Der Plot entwickelt sich zu einem Selbstläufer. Die Dynamik ist ein Produkt der Sache und wird nicht mit Nachdruck forciert. Im Prinzip entfaltet „Der Pate“ den filmischen Zauber durch die Nähe zur „Familie“. Es ist eine Studie von Charakteren, die zunächst konsternieren, aber irgendwie auch faszinieren.

Klischees und Strukturen stehen über jedem Individuum, was aber nicht heißt, dass die „Familie“ ein Sammelbecken von Stereotypen ist. Don Vito Corleone ist das Produkt des strukturellen Machtdenkens. Er ist der Führer und Kopf des Clans und sieht die Notwendigkeiten des Business ebenso wie familiäre Fürsorge. Marlon Brando strahlt die notwendige Souveränität alleine durch Gestik und Mimik glaubhaft und authentisch aus. Brando verkörpert Don Vito Corleone bis ins letzte Detail.
Die Söhne des Paten könnten auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein.
Sonny (James Caan) ist der hitzköpfige, impulsiv brutale Sohn, der das Familiengeschäft nicht hinterfragt. Michael (Al Pacino) ist dagegen skeptisch, er möchte sich von den Machenschaften weitestgehend abgrenzen. Trotz der unterschiedlichen Mentalitäten zu der zentralen Sache, werden alle Mitglieder akzeptiert, solange sie die Regeln tolerieren. Eine feste Tradition ist aber auch die Übergabe der Macht an die jeweils nächste Generation und die damit verbundenen Kämpfe innerhalb der Organisation. Dort wo eben noch fröhlich familiär eine Hochzeit gefeiert wurde, kann im nächsten Moment ein internes Machtspiel um die Nachfolge des neuen Dons entfachen. Die Familie ist plötzlich nur mehr eine genetische Zwangsverbindung!

Wenn es einen zentralen Punkt in der „Pate“ Trilogie gibt, dann ist das die Entwicklung von Michael Corleone. Anfänglich latent moralisch, verschlingt ihn die Macht der Struktur, der er sich unterordnet. Er entwickelt sich zu einem opportunistischen Machtmenschen, um das Business seines Vaters erfolgreich weiterzuführen. Die Spannung hinsichtlich der Veränderung ist grenzenlos, schließlich muss der Betrachter mit ansehen, wie ein sympathischer Hoffnungsträger zum skrupellosen Paten vegetiert und sich dabei selbst etwas vorlügt. Erschreckend ist der Werdegang auch deshalb, weil man das Gefühl hat, dass Michael lediglich der Macht Willen seine moralischen Bedenken verdrängt.
Al Pacino trägt Michael Corleone auf breiten, schauspielerischen Schultern, denn ohne seine Hingabe und Intensität, wäre der Charakter nicht gleichermaßen faszinierend wie abscheulich. Die innere Zerrissenheit spürt man förmlich auch ohne inszenatorischen Nachdruck.

Im Verzicht liegt auch eine wesentliche Stärke. Die Plotdynamik entwickelt sich von selbst. Coppola erreicht hauptsächlich durch die Darstellung eine emotionale Tiefe. Die Wucht der Filmmusik von Nino Rota wird angemessen dosiert und platziert. Trauer und Liebe schmelzen musikalisch, charakteristisch kontrastreich in vollkommener Harmonie zusammen.

Fasst man die vielen großartigen Facetten von „Der Pate“ zusammen, wird deutlich, weshalb Francis Ford Coppolas Mafiaepos als filmisches Meisterwerk gefeiert wird. Magie kann so irdisch sein, wenn man wie alle Beteiligten zu einer großartig, subtilen Charakterstudie über die Selbsteinschätzung einer kriminellen Vereinigung beiträgt. Die Art und Weise wie „Der Pate“ erzählt wird, ist ein Teil glorreiche Filmgeschichte. (9/10)

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