Review

Wo soll man bei diesem Film anfangen?

In Maurice Pialats Film von 1991 wird Vincent van Gogh quasi als ein von der Malerei und seinen tiefen Empfindungen losgelöster nichtssagender Lustmolch portraitiert, dessen Umfeld, insbesondere seine Beziehung zu Arzttochter Marguerite in den letzten Monaten seines Lebens zum Ende des Ausnahmekünstlers geführt hat.

Es wäre unfair Dutroncs Darstellung Vincents mit der Willem Dafoes zu vergleichen. Dutronc, hauptberuflich Sänger, kann mit einem Charakterdarsteller von Weltrang wie Willem Dafoe nicht mithalten, geschenkt. Doch auch losgelöst von diesem Vergleich entwickelt Dutronc ein völlig einseitiges und primitives Bild eines der wichtigsten Maler der Moderne, vielleicht dem wichtigsten Maler der Moderne, der neben seiner visionären Kunst in seinen einmaligen Briefen auch literarisch der Nachwelt Zeugnisse von allerhöchstem künstlerischen Niveau hinterlassen hat.
All das ist hier nicht einmal zu erahnen. Vincent, hier immerhin in der Hochphase seines malerischen Schaffens, ist in diesem träge erzählten Film ein unsympathischer Tunichtgut in einem Klischee-Frankreich der Nutten, Lolitas und Bauern im Narrativ der 90ger Jahre. Die fundamentale Beziehung zu seinem Bruder ist nicht nachfühlbar, zu schwach das Drehbuch, zu trivial die mangelhafte Darstellerleistung.
Pialat schafft es nicht die Ästhetik van Goghs Bilder auf einen filmischen Erzählstil zu übertragen, im Gegenteil. Hier sieht man alltägliche Filmkost, die eher an einen TV-Film über das Frankreich des 19.Jahrhunderts erinnern, als an ein Portrait eines niederländischen Künstlers. Viel zu sehr fokussiert sich der Regisseur auf Halbwahrheiten und Spekulationen rund um van Gogh und gestaltet ausgehend davon eine höchst eindimensionale Welt aus inhaltslosen Dialogen, die sich van Gogh nicht einmal spekulativ nähern kann.
Dieser Film kratzt noch nicht einmal an einer Oberfläche und man stellt sich oft die Frage, welche Intention dem Film zugrunde lag? Dieses trostlose, ernüchternde Sittengemälde ohne großen Mehrwert kann man sich getrost schenken, da auch einfach kein Unterhaltungsfaktor gegeben ist. Darüber hinaus ist der Film auch in seinem Vincent-Bild nicht stimmig - ist Vincent nun ein umtriebiger Dandy, oder ein introvertierter wortkarger Loser? Beide Sichtweisen deutet Dutronc an, kann ihnen aber mit seiner Interpretation nicht gerecht werden, sein ganzes Schauspiel, seine Gestik und Mimik, alles wirkt insgesamt zu dilettantisch und flach.

Den van Gogh der Gemälde, den van Gogh seiner Briefe, oder der van Gogh aus den Erzählungen seiner Zeitgenossen findet man hier nicht. Würde man stattdessen wenigstens einen andersgelagerten, aber interessanten Menschen kennenlernen - okay, ein gelungenes Biopic kann auch abseits der gängigen Narrative kreativ umgesetzt werden. Hier findet man jedoch nichts davon, man folgt in gähnender Langeweile dem Schabernack von absolut uninteressanten Menschen.

Einem Menschen, der auch nur im entferntesten einer großen Person der Weltgeschichte, einem streitbaren, feinfühligen, depressiven Menschen kurz vor Ende seines Lebens durch Suizid nahe kam, begegnete ich in diesem Film zu keiner Zeit.

2/10

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