Review

Kinder die eine schwere Kindheit haben, haben es meist auch im späteren Leben schwer und entwickeln ziemlich abstruse Verhaltensweisen und Vorlieben. So auch "May".

May hat eine angeborene Augenfehlfunktion, so das sie eine "Piratenklappe" tragen musste, die später einer hässlichen Brille wich. Von anderen Kindern gemieden, unter ihrer konservativen Mutter aufwachsend hat sie kaum Kontakt zur Außenwelt. Ihre Sorgen und Probleme
vertraut sie ihrer besten Freundin - eine Puppe im Glaskasten - an.

Aber selbst die ist irgendwie "fern", darf sie doch nicht aus dem Kasten heraus; ist es doch die erste Puppe, die ihre Mutter je gefertigt hat. So findet "Kommunikation" nur bedingt statt; zum lieb haben und drücken taugt dann auch die Puppe nicht viel. Da May keine wirklichen Stationen in ihrer Kindheit hat, ist ihr vieles fremd...besonders dieses komische Gefühl im Magen, als sie Adam sieht. Adam ist Automechaniker und hat besonders schöne Hände, in die May richtig vernarrt ist. Auch Adam findet Gefallen an dem etwas merkwürdigen Mädchen, das sich nicht scheut beim ersten Date blutrünstige Details von ihrer Arbeitsstelle in der Tierklinik zu erzählen.

Adam ist nämlich begeisterter Horrorfreak und mit so etwas keine Probleme. Die hat May, als Adam sie - aus verständlichen Gründen - zurückweist. Aber auch ihre lesbische Kollegin Polly kann ihr nicht wirklich Liebe geben. Und so geht May nach dem Motto: "Wenn Du keine Freunde finden kannst, dann bastel Dir selber welche!" vor. Die Nähkenntnisse hat sie, jedoch benötigt sie mehr als nur Nadel und Faden...

Was sich nach einer ziemlich merkwürdigen Genremischung aus "Carrie" und "Frankenstein" anhört, ist ein verdienter Gewinner unzähliger Horrorfilmfestivals. Zwar ist "May" nicht besonders spannend oder innovativ, weiß aber dennoch prächtig zu unterhalten. Denn die Charaktere, besonders Angela Bettis als May, wissen zu Gefallen.

Der Film beginnt harmlos; man kann zwar das spätere Ausmaß an Wahnsinn erahnen, bis zum blutigen Ende jedoch wird mehr Wert auf Charakterzeichnung gelegt. Angela Bettis ist wirklich gut. Trotz, oder gerade wegen ihres Knackses ist sie Symapthiefigur. Man wünscht wirklich, das sie ihr Glück mit Adam (Jeremy Sisto) findet. Dieser ist zwar ein attraktiver Mann, dennoch kein Schleimer oder jemand der sie ausnützen würde. Denn dazu sieht sie optisch einfach zu altbacken aus. Im Gegensatz zu ihrer heissen Praxiskollegin Polly (Anna "Scary Movie" Faris). Das schwarzhaarige Gift kann hier ihre tumbe "Scary Movie" Rolle verlassen und weiß als Nebendarstellerin zu gefallen. Aber auch die restlichen Nebencharaktere sind gut besetzt; störend, aber nicht weiter schlimm weil nur kurz zu sehen: die gepiercte Sekretärin des Kindergartens. Völlig deplaziert.

Bluttechnisch darf man nicht zuviel erwarten, der Film belässt es meist bei Andeutungen, Splattereffekte finden sich kurzen Detailaufnahmen abgetrennter Körperteile wieder, die Morde an sich sind harmlos und beginnen erst im letzten Drittel.

Trotz der Vorhersehbarkeit kommt in der ersten Stunde keine Langweile auf, weil man interessiert Mays langsames Abdriften beobachtet. Dieses wird in einigen guten Szenen dargestellt; fabulös: Mays Hirnknacks im Kindergarten, wo sie - wahrscheinlich "Selbsttherapie" - das isolierte, blinde Mädchen betreut und May ihre Puppe aus dem Glaskasten bricht, was gleichbedeutend mit ihrem Hirnknacks ist. Davor wird ihr kleiner Mikrokosmos gut dargestellt, leider geht es dann etwas abrupt vonstatten, bis man am Ende dann durch das Ende für den etwas schnellen Erzählfluss entschädigt wird.

Der Score ist auch gut gewählt und schwankt zwischen verträumt und verstörend. Zwar gibt es hier keine Entwicklung parallel Mays geistigem Zusammenbruch, aber passt er meist gut in die Szenen. Die Kameraarbeit ist auch annehmbar und neben der erwähnten Kindergartenszene gibt es noch vereinzelt nette Einstellungen, wie die sich mit dem Blut vermischende Milch.

Wie gesagt wirklich innovativ ist der Film nicht wirklich, hebt sich aber insbesondere durch seine gut ausgearbeiteten Charaktere positiv aus der Masse hervor.

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