Review

Nur weil ein Film ungewöhnliche Wege geht, muss er nicht immer gleich abgefeiert werden. Aber "May - die Schneiderin des Todes" zieht mit aufhorchen lassenden Vorschusslorbeeren ins Feld, nicht zuletzt mit einigen sehr wohlwollenden Kritiken von ofdb-Usern im Rücken.  Die Frage ist nur: "Warum?"

Gut, das Frankenstein-Thema wird uns hier in einem neuen Gewand präsentiert. Diesmal ist es kein größenwahnsinniger Wissenschaftler, der sich, aus welchen unerfindlichen Gründen auch immer, einen künstlichen Handlanger aus den Rippen schneidet. Diesmal ist es die arme, süße, kleine May. Mit einem monströsem Silberblick auf die Welt gekommen, durchlebt sie eine traurige Jugend. Wenn man mit einer Augenklappe durch's Leben rennen muss, können KInder ja so unglaublich fies sein. Und es soll auch Eltern geben, die so dermaßen grenzdebil sind, dass sie ihre Sprösslinge komplett von der Außenwelt abschotten.

Das Produkt ist das völlig verkorkste Innenleben einer jungen Dame - soviel zum Thema "Authentisches Horrordrama". Mal ehrlich: Plumper geht's schon gar nicht mehr. Wenn May so entstellt wäre wie ein Joseph Merrick, könnte ich ja verstehen, wenn sie einen psychischen Knacks hätte. Aber selbst der Elefantenmensch kann eine höhere Sozialkompetenz aufbringen als unser tapferes Schneiderlein. Oder wenn wir es mit einem weiblichen Kasper Hauser zu tun gehabt hätten, wäre das, was uns May-Darstellerin Angela Bettis auftischen will, gerade noch so durch gegangen. Eine geistige Behinderung würde ich ihr ja noch abnehmen - aber  das vielschichtige Pyschogramm einer gepeinigten Seele? Klarer Fall von Overacting.

Und dieses verstörte, stocksteife Mädchen startet nun einen Rachefeldzug, um all denjenigen, die ihre Annäherungsversuche abgewiesen haben, ihre schönsten Extremitäten zu mopsen. Sicher, sie war eine tickende Zeitbombe, da bleibt ihr keine andere Wahl, als ihren Blutdurst zu stillen. Wäre ja alles schön und unterhaltsam, wenn a) das Finale spannend inszeniert worden wäre und b) sich der Film vorher nicht so furchtbar ernst genommen hätte.

"May" soll also ein Horror-Drama sein. Doch was bleibt übrig, wenn das Drama und der Horror unter den Tisch fallen? Ein nur leidlich unterhaltsamer Film, der mit einigen bizarren Dialogen und seltsamen Beziehungskisten zum Schmunzeln (oder wahlweise Kopfschütteln) animieren kann. 

Das technische Handwerk von Regisseur Lucky MeKee kann als solide eingestuft werden, der Score ist hingegen peinlich. In vermeintlich spannenden Momenten bleibt die musikalische Untermalung einfach aus, ansonsten schlängelt sich ein verzerrtes, tausendmal gehörtes Kinderlied wie ein unliebsamer Ohrwurm durch des Betrachters Gehörgang. Als wenn das übertrieben kindliche Spiel einer Angela Bettis nicht schon reichen würde.

Auch der Rest der Besetzung kann den Streifen nicht mehr retten. Selbst Jeremy Sisto, dem verrückten Billy aus "Six Feet Under", ist May zu abgedreht. Kein Wunder, dass er in diesem Film laufend Kette rauchen muss. Und Anna Farris sollte dem Streifen wohl noch die erotische Note verleihen - doch leider hat es nur für ihre "Scary Movie"-Nummer gereicht. Aber Moment: Habe ich dem Film unrecht getan? War er gar nicht als ernsthaftes Drama vorgesehen, sondern als schwarze Komödie? Dann habe ich wohl vergessen zu lachen...

 Fazit: "Die Schneiderin des Todes" ist zwar nIcht der absolute Bodensatz, viel fehlt bis dorthin aber auch nicht mehr. (3/10)

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