Review

TV-Wetterfrosch Phil Connors ist ein Zyniker, wie er im Buche steht: Stets übelgelaunt scheint er für nichts Freude aufbringen zu können, so auch nicht für den alljährlich in Punxsutawney stattfindenden Murmeltier-Tag, von dem er wohl oder übel berichten muß. Lustlos moderiert er die nur wenige Minuten andauernde Prozedur und will möglichst schnell wieder nach Hause. Ein Schneesturm kommt ihm in die Quere, so daß er gezwungen ist, mit Produzentin Rita und Kameramann Larry in dem Kaff zu übernachten. Als er am nächsten Morgen aufwacht, glaubt er, seinen Augen und Ohren nicht zu trauen, denn es ist wieder Murmeltier-Tag. Und tags darauf noch einmal. Und nochmal. Und nochmal...

Eins vorneweg: Ich liebe diesen Film!

Die Geschichte eines freudlosen Mannes, der durch die Liebe zu einer Frau geläutert wird und sich in einen besseren Menschen verwandelt, hat natürlich einen ganz langen Bart. Das ist ein romantisches Thema, das von diversen Regisseuren immer wieder mit mal mehr, mal weniger Erfolg angepackt und zumeist in dramatischer Form abgehandelt wird. Harold Ramis (Regisseur von „Caddyshack“ oder „Reine Nervensache“, Mitglied der „Ghostbusters“ in den gleichnamigen Blockbustern von 1984 und 1989) jedoch geht den Film von Anfang an von der komischen Seite an. Dramatik? Fehlanzeige. Hier darf gelacht werden, und das herzlich - und weil ein Happy-End sowieso unumgänglich ist, kann man sich entspannt zurücklehnen und dem kommenden Vergnügen vorfreudig entgegenblicken.

Einen erheblichen Anteil trägt das phantastisch originelle Grundkonzept: Ein Mensch gerät unversehens in eine Zeitschleife, ohne daß es einen Ausweg aus der Misere zu geben scheint. Keiner bekommt davon etwas mit, jeden Morgen wird Phil Connors (Traumrolle für Bill Murray, „Ed Wood“) mit dem Song „I Got You Babe“ (wurde nach dem Film wiederentdeckt) aus den Federn geholt, Tag für Tag begegnet er seinen Mitmenschen, die ihn mit denselben freundlich gemeinten Floskeln wie am Vortag belästigen, jeder freut sich auf das Murmeltier. Immer und immer wieder. Eine Endlosschleife - folglich Running-Gags, wohin man blickt. Wenn Phil sich in seiner Verzweiflung anderen Leuten anvertraut, wird er von denen entweder für einen Spinner gehalten oder man schenkt ihm Glauben, kann sich daran 24 Stunden später jedoch nicht mehr erinnern - und Phil muß wieder von vorn anfangen, wenn er denn dazu überhaupt noch Lust verspürt.

Zunächst versteht die Hauptfigur es, die Vorzüge seines neuen Lebens auszukosten, holt sich beispielsweise Informationen aus der Vergangenheit der Dorfschönheit Nancy (Marita Geraghty), um sie am nächsten Tag für seine Zwecke zu nutzen, d.h. zu verführen. Oder seinen redseligen und nervigen Ex-Mitschüler, Ned Ryerson (köstlich: Stephen Tobolowsky, „Weiblich, ledig, jung sucht...“), den er auf offener Straße nach Jahren wiedertrifft und der ihm gleich Versicherungen aufzuschwatzen versucht, macht Phil aufgrund seiner gewonnenen Vorkenntnisse spaßeshalber mundtot, haut ihm einfach mal eine runter oder umarmt ihn ein anderes Mal mit einer Innigkeit, daß es Ned unangenehm wird und folglich das Weite sucht. Das bietet genügend Anlaß für Amüsement. Und auch als Phil sich (erstmal halbherzig) mit plumpen Mitteln an seine Vorgesetzte Rita (eine zauberhafte Andie MacDowell, „Sex, Lügen und Video“) heranmacht, kann der Zuschauer herzhaft lachen bzw. zumindest sein Dauergrinsen auflegen. Die Wiederholung ist hier das wichtigste Element, und die Antwort auf die Frage, was Phil sich denn nun für die und die Situation, die für ihn ja folgenlos bleibt, ausgedacht hat, bietet eigentlich immer die gewünschten Lacherfolge.

Inszenatorisch ungewöhnlich: Manchmal werden identische Szenen mehrfach aneinandergereiht (gerade bei Dialogen zwischen Phil und Rita), aus denen hervorgeht, wie Phil Schritt für Schritt mehr über sein Gegenüber erfährt. Das ist gerade der Reiz, der diesen Film ausmacht.

Im Mittelteil wird der Ton kurzzeitig etwas ernsthafter (freilich ohne seine Heiterkeit zu verlieren), denn bald wird deutlich, daß Phil sich ernsthaft verliebt hat (diese Entwicklung kommt in meinen Augen sehr abrupt daher, ein genauer Zeitpunkt seines Sinneswandels wird nicht deutlich). Da er jedoch nie über den entscheidenden Schritt hinauskommt (mehr als ein Kuß ist nicht drin), wird er depressiv und fällt in ein tiefes Loch, noch dadurch verstärkt, daß selbst verschiedenste Selbstmordaktionen wie Stromschläge, Sprünge von hohen Gebäuden und schwere Autounfälle (alles herrlich makaber - einmal erlaubt sich Ramis sogar ein offensichtliches Zitat aus Spielbergs Meisterwerk "Duell") verständlicherweise fehlschlagen, ehe er sich endlich eines Besseren besinnt, mit seinem Schicksal gelassen umgeht und folgerichtig Schritt für Schritt vom Ekelpaket zum Menschenfreund mutiert, je näher er die Menschen aus seiner neuen Heimat kennenlernt.

Die ausnahmslos sympathischen Figuren muß man aber auch einfach mögen. Die liebenswürdige Mrs. Lancaster, Kellnerin Doris, der alte Penner, die alten Damen, die Trunkenbolde, mit denen Phil sich anfangs im Suff über Gott und die Welt unterhält, und natürlich Nervensäge Ned - jeder von ihnen wächst mir als Zuschauer mit Fortlauf der Handlung ungemein ans Herz. So verwundert es nicht, daß Phil fortan all diesen Personen bei ihren Problemen hilft, die sie von ihnen unbemerkt Tag für Tag aufs Neue erleben: Ein Junge fällt vom Baum - Phil ist zur Stelle, drei alte Damen haben einen Platten - keine Panik, Phil steht mit Wagenheber und Ersatzreifen bereit, ein junges Pärchen hat Angst vor der Ehe - Phil steht als Berater zur Seite usw. Es ist einfach köstlich zu sehen, wie er einem Menschen nach dem anderen mit einer Selbstverständlichkeit eine Gefälligkeit erweist, gerade weil Darsteller Murray diese Aufgaben vollbringt, ohne mit der Wimper zu zucken.

Wie es sich für jede Hollywood-Komödie gehört, ist am Ende die Liebe die Lösung für alle Sorgen. Ohne sein großes Ziel, Ritas Herz zu erobern, müßte Phil wahrscheinlich auf ewig im Kühlschrank Punxsutawney seine Reportage über das Murmeltier abhalten, Ned über den Weg laufen oder kalt duschen. So darf er mit seiner Rita in eine positive Zukunft sehen. Manche mögen „Groundhog Day“ (Originaltitel) aufgrund der letzten zwanzig Minuten als Kitsch deklarieren. Mag sein, aber im Gegensatz zu z.B. „Was Frauen Wollen“, wo der lange lustige Plot auf der Schlußstrecke nur noch zu einem reinen Drama verkommt und im zuckersüßen Sirup, der amerikanischen Liebeskomödien zu eigen ist, zu ersticken droht, behält dieses Exemplar neben der aufdringlichen Moral seine humoristische Note glücklicherweise bis zur letzten Minute bei.

„Es war ein entsetzlich langer Tag“, so Phils einfache Feststellung, als er die Ereignisse des Murmeltier-Tags schlußendlich rekapituliert. - Ja, da hat er recht, aber dafür haben mir die rund 100 Minuten wieder mal viel Spaß bereitet, und zwar so sehr, daß ich auch beim nächsten Mal wieder dabei bin, wenn sich Bill Murray durch die Zeitschleife kämpft und es wieder heißt: „I Got You Babe...“

Fazit: Einfach wunderbar! Eine der intelligentesten Komödien der 90er, garniert mit viel Romantik und Fantasy-Elementen. Auch für diejenigen geeignet, die gemeinhin als Liebesfilm-Muffel (ich schließe mich da bis zu einem gewissen Grad mit ein) bekannt sind - Bill Murray ist vor allem als Zyniker ein Genuß, der Humor angenehm hintergründig. Recht anspruchslose Unterhaltung, aber dafür mit dem Prädikat Extraklasse. Der ideale Familienfilm!
GESAMT: 10/10

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