Seit den Erfolgen von Harry Potter werden die Sektionen der Young Adult Novels mit Fantasy- und Sci-Fi-Charakter zum Verfilmen herangezogen, bisweilen mit großem Erfolg (siehe „Twilight“), oft aber auch ohne selbigen („Eragon“, „Ich bin Nummer Vier“). 2012 war der erste Teil von Suzanne Collins‘ „Hunger Games“-Trilogie an der Reihe und schlug am Box Office ein.
In der Zukunft haben sich die USA in einen totalitären Staat namens Panem verwandelt, der von der Hauptstadt Capitol aus regiert wird, während die umliegenden Distrikte die Rohstoffe liefern und die Dienerposition einnehmen. Einst rebellierten die (damals noch 13) Districts, doch der Aufstand wurde niedergeschlagen, District 13 vernichtet und der Rest wieder unterjocht. Einmal im Jahr müssen jeweils ein Junge und ein Mädchen zwischen 12 und 18 aus jedem District in den titelgebenden Hunger Games um ihr Leben kämpfen, nur der letzte Überlebende gewinnt. Das erinnert an „Battle Royale“, den Collins nach eigener Aussage nicht kannte, stattdessen verweist die Autorin auf antike Motive, die sich (trotz der Ähnlichkeiten zu dem japanischen Buch und dessen Verfilmung, die aber eher in Fankreisen bekannt sind) hier finden lassen: Die römischen Gladiatorenkämpfe, die jungen Männer und Frauen, die in der Theseus-Sage dem Minotaurus geopfert werden usw.
In dem verarmten District 12 lebt Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence), die, ähnlich wie ihr guter Freund Gale Hawthorne (Liam Hemsworth), ihre Familie durch illegales Jagen am Leben erhält, seitdem ihr Vater bei einem Minenunglück verstarb. Bei der Ziehung der Tribute für die 74. Hunger Games zieht Capitol-Repräsentantin Effie Trinket (Elizabeth Banks) den Namen von Katniss‘ Schwester Primrose (Willow Shields) aus dem Lostopf, woraufhin Katniss sich freiwillig meldet und gemeinsam mit Bäckersohn Peeta Mellark (Josh Hutcherson) Richtung Capitol gebracht wird. Wie auch das Buch folgt die Filmversion von „The Hunger Games“ eng Katniss‘ Schritten, gibt dem Zuschauer so gut wie keinen Wissensvorsprung, damit das Geschehen möglichst interessant bleibt.
Haymitch Abernathy (Woody Harrelson), der bisher einzige Hunger-Game-Gewinner aus District 12, soll die beiden Tribute für den Überlebenskampf trainieren. Sonderlich gut sind ihre Aussichten nicht, nicht zuletzt, da District 1 und 2 ihre Tribute jahrelang für den Kampf trainieren, ehe diese ins Rennen geschickt werden…
Grundsätzlich steht „The Hunger Games“ vor dem Problem eines jeden Menschenjagd- bzw. Gladiatorenfilms: Einerseits will man eine (in der Regel fiktive) unmenschliche Gesellschaft kritisieren, gleichzeitig ist die Prämisse natürlich Werbe- und Verkaufsargument – hier stecken sie ja bereits im Titel. Insofern ist es ein durchaus gelungener Zug, dass Gary Ross seine Teenager-Dystopie nicht als reines Actionvehikel versteht, sondern die Arenakämpfe kurz hält. Was auch von Vorteil ist, denn inszenatorisch bekleckert sich dieser Part des Films nicht unbedingt mit Ruhm: In den Kämpfen erkennt man nix, viel Kameragewackel für PG-13, das hat Jason Bourne bei gleicher Freigabe besser und stylischer hinbekommen, aber „The Hunger Games“ will ja auch kein Actionfilm sein, insofern ist auch das auch nur ein kleiner Kritikpunkt. Tatsächlich ist die Hatz durch Feld und Wald recht spannend geraten, versucht verschiedene Facetten der Hunger Games darzustellen, zu denen auch die Suche nach Wasser, Essen und Lagerplätzen gehört, und eben nicht nur das Gemetzel, in dem die älteren und besser trainierten Tribute die Nase vorn haben.
Tatsächlich kann Ross hier sogar teilweise erschrecken ohne viel Blut zu zeigen, etwa wenn ein 12jähriger Junge sich angesichts der stärkeren Teilnehmer nur verstecken kann, allerdings sofort von einem solchen entdeckt und off-screen niedergemäht wird. Tatsächlich durchsetzt er die Spiele mit kritischen Momenten, z.B. wenn selbst Career Tribute Cato (Alexander Ludwig) gegen Ende des Films reflektiert, dass dies alles ja nur eine Show fürs Capitol sei. Allerdings wäre „The Hunger Games“ noch eingängiger, würde man auch die Nebenfiguren näher kennenlernen. Über die meisten Teilnehmer erfährt man nicht viel oder nichts: Die Leute aus District 1 und 2 sind halt Sadisten, von einigen Momenten der Angst und des Zweifels (meist kurz vor ihrem Exitus) mal ausgenommen, viele andere sieht man kurz und danach nicht mehr, einen Überblick, wer noch im Spiel ist und wer bereits den Löffel abgegeben hat, gibt es selten. Da hätte mehr Struktur zum Mitfiebern gereizt.
Schade ist auch, dass beim Zusammenstreichen der Vorlage vieles verknappt wurde: die Gefahren durch Wassermangel und Infektionen werden zwar erwähnt, aber kaum gezeigt – dies ist halt unfilmischer als der Exitus durch Axthieb. So bleibt allerdings das Problem, dass Buchunkundige hier oft rätseln müssen, Buchkenner die Lücken zwar schließen können, die Leerstellen in der Verfilmung allerdings bemerken. In der ersten Hälfte des Films, die den Hunger Games vorausgeht, macht sich dies noch stärker bemerkbar, da man nur rudimentär erfährt, wie genau das (im Buch besser erklärte) Herrschaftssystem in Panem funktioniert, egal ob es dabei um die Auslosung der Hunger Games, die Versorgung in den Districts oder die Sieger-Unterworfene-Beziehung geht. So bildet die Panem-Diktatur, ähnlich wie in den artverwandten Filmen „Battle Royale“ und „Running Man“ eher den Hintergrund, was natürlich den Impact dieser Dystopie mildert. Wobei das Buch es hier auch einfacher hatte, da die inneren Monologe Katniss‘ dort gut als Erklärungshilfe dienten, in der Leinwandadaption dagegen gänzlich unfilmisch wirken würden.
Was nicht bedeutet, dass die erste Hälfte von „The Hunger Games“ gar nicht funktionieren würde. Sie bereitet das Event der zweiten Hälfte stimmig vor, seien es nun die äußeren Vorbereitungen wie Training und Styling als auch die inneren Präparationen, wenn Katniss und Peeta sich einerseits anfreunden, gleichzeitig aber wissen, dass sie einander in der Arena töten sollen. Wie die Vorlage legt der Film hier dezent die Grundlage für ein Liebesdreieck zwischen Katniss, Peeta und Gale, spätestens wenn Haymitch und der tatsächlich in Katniss verschossene Peeta die beiden Tribute als tragisches Liebespaar inszeniert, um Zuschauergunst und Sponsoren für die Spiele zu sichern. Erfreulicherweise bleibt dies ein wichtiger Subplot, überlagert aber nie die eigentliche Story vom Überlebenskampf und wird so knapp gehalten wie es sich im Film brauchbar darstellen lässt (das Buch verwendet hierauf mehr Zeit, besitzt aber den Vorteil Katniss‘ Überlegungen und leicht verwirrbare Teenagergefühle durch innere Monologe darstellen zu können).
Nicht nur die Namensgebung (vom Staat Panem über die Hauptstadt Capitol bis zum Moderator Caesar Flickerman (Stanley Tucci)), auch das Design der Hauptstadt lässt Parallelen zur dekadenten römischen Gesellschaft erkennen, die sich von Sklaven bewirten und bedienen ließ, wenn es diese nicht gerade als Gladiatoren in die Arena schickte. Die extravaganten Kostüme, die manchmal so aussehen als wäre der Ausstatter Amok gelaufen, verstärken den dekadenten Eindruck noch und stehen im Zeichen der etwas simplen Kritik an dem fiktiven Staat (die in den Folgebüchern wesentlich pointiert ausgearbeitet werden sollte). Die Trickabteilung hält nicht immer mit der Pracht der Ausstattung mit, einige CGI-Effekte (etwa ein künstliches Feuer bei der Präsentation der Tribute) sehen doch reichlich suboptimal aus.
Jennifer Lawrence spielt hier gewissermaßen die Popcorn-Variante ihrer „Winter’s Bone“-Rolle und beweist erneut, warum sie so hoch gehandelt wird, da sie den Film zu tragen weiß. Die Herren der Schöpfung in ihrem Alter sind da etwas schwächer dran: Josh Hutcherson ist okay, aber keine Konkurrenz für Lawrence, Liam Hemsworth hat in seinen wenigen Szenen wenig mehr zu tun als so säuerlich zu gucken, als habe er gerade rausgefunden, dass jemand auf sein Frühstück gepinkelt hat. Woody Harrelson als Haymitch ist ein Gewinn, Stanley Tucci in der schrillen Rolle des Moderators eine Rampensau und Donald Sutherland als fieser Herrscher macht in seinen wenigen Szenen einen überzeugenden Job. Wes Bentley als Spielleiter bleibt dagegen etwas blass, während Elizabeth Banks gegen Tonnen von Schminke anspielen muss, unter denen man sie begraben hat, sich dafür aber ziemlich gut schlägt. Unerwartet gelungen ist auch Musiker Lenny Kravitz in einer Nebenrolle als Katniss‘ Stylist Cinna.
„The Hunger Games“ ist relativ spannend, angesichts seiner Länge von fast zweieinhalb Stunden erfreulich kurzweilig und sehr gut besetzt, vor allem in der weiblichen Hauptrolle. Dass die Kritik an dem Zukunftsstaat etwas lasch ausfällt, diverse Auslassungen gegenüber die Buchvorlage zu offenen Fragen führen und nicht alle Aspekte der Hunger Games ausführlich genug dargestellt werden (gerade die Suche nach Wasser und Essen, die Gefahr durch Krankheiten und Infektionen) trüben den Spaß an dem Film allerdings.