Es ist 1977 und sie haben gerade ihr College abgeschlossen, als sie gemeinsam nach New York fahren, um dort endlich ins harte Berufsleben einzusteigen. Sie unterhalten sich über Gott und die Welt, über Beziehungen, über Sex, doch leiden können sie sich anfangs doch nicht. Jahre später begegnen sie sich wieder, stecken aber beide zu sehr im Stress und in ihren eigenen Beziehungen, als dass sie etwas miteinander anfangen könnten. Weitere sechs Jahre später werden sie schließlich doch noch „Freunde“ – und sehen vor lauter Freundschaft nicht, dass sie eigentlich füreinander bestimmt sind.
Die Rede ist von Harry Burns und Sally Albright, um sie einmal beim vollen Namen zu nennen. Zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Er ein smarter, aber neurotischer Besserwisser, der glaubt, die ultimative Formel für zwischenmenschliche Beziehungen längst gefunden zu haben. Wir kennen es alle: Männer und Frauen können keine Freunde sein – der Sex kommt ihnen immer dazwischen. Eine Weisheit, die längst in die Annalen der Filmgeschichte eingegangen ist und sich schließlich auch hier bewahrheitet. Auf der anderen Seite sie: Eine Frau, die gerne alles unter Kontrolle hat und geradezu krampfhaft darum bemüht ist, diese auch zu behalten - sei es in Form von aberwitzigen Sonderwünschen bei einer Bestellung im Restaurant oder die völlige emotionale Abschottung nach außen und ihre daraus resultierende Unfähigkeit, Gefühle zu zeigen. Zwei Menschen also, die wie Feuer und Wasser zueinander wirken und doch ihre Zuneigung füreinander nur schwer verleugnen können. Eine Zuneigung, die sie sich erst spät, aber nicht zu spät, eingestehen.
„Harry und Sally“ ist inzwischen DIE Beziehungskomödie überhaupt. Das liegt einerseits an den manchmal witzigen, manchmal traurigen, manchmal leicht verrückten, aber immer ehrlichen und glaubwürdigen Dialogen, die allesamt ein Hochgenuss sind und die vielen Facetten des menschlichen Zusammenlebens mit viel feinsinnigem Humor porträtieren. Jeder Zuschauer dürfte bei der einen oder anderen Szene ein kleines Dèja-vu verspüren - unglaublich lebensnah wirken die Sorgen und Nöte, die unsere Protagonisten miteinander teilen. Der Wiedererkennungswert ist hoch und dementsprechend sind die Charaktere auch für jedermann verständlich gezeichnet und philosophieren sich von Anfang an in das Herz des Publikums.
Angesichts dieser grandiosen Konstellation ist es nur verständlich , dass vor allem den Akteuren großes Lob gebührt: Die Wortwitz von Billy Crystal und der Charme von Meg Ryan sind unvergesslich - dass die berüchtigte „Chemie“ zwischen den beiden immer gepasst hat, braucht eigentlich nicht mehr erwähnt zu werden: Eines der schönsten Leinwandpaare aller Zeiten. Aber auch bis in die (vergleichsweise undankbaren) Nebenrollen ist der Streifen klasse besetzt: Carry Fisher und Bruno Kirby machen ihre Sache als befreundetes Ehepaar der beiden sehr ordentlich, haben letztlich auch einen nicht unwesentlichen Einfluss auf das Verhältnis der beiden Hauptfiguren.
Ein weiterer schöner Einfall sind die Kurzclips mit den älteren Ehepaaren, die im Doku-Stil ihre eigene, kleine Kennerlerngeschichte erzählen und damit zeigen, wie unterschiedlich Menschen manchmal zueinander finden können. Ein Feature, das die Authentizität des Gezeigten noch zusätzlich unterstreicht (die Geschichten sind übrigens echt!) und den Film und seine Wirkung noch besser zur Geltung kommen lässt. Wenn sich dann am Ende der Kreis schließt und sich die beiden, die sich endlich gefunden haben, an ihr eigenes „Kennenlernen“ erinnern, darf der Zuschauer nunmehr selbst entschieden, was er dort sehen will: Ein Happyend oder der Anfang allen Übels, sprich Auseinanderleben, Streit, Trennung. Doch wann, wenn nicht hier, ist man auch als harter Realist einmal bereit zu glauben, dass einfach mal alles gut geht und niemand je wieder verletzt wird?
Mit sympathischen Darstellern, unvergesslichen Dialogen und viel Gefühl für zwischenmenschliches erschufen Regisseur Rob Reiner und Drehbuchautorin Nora Ephron einen autobiographisch angehauchten, modernen Klassiker, der bis heute nichts von seinem authentischen Charme und seiner Wärme verloren hat. Der Kultfilm aller hoffnungslosen Romantiker.