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Prag, Ende der 1930er: Karl Kopferkingl führt ein perfektes Leben: Alles darin ist sauber und hat seinen Platz. Er liebt die Arbeit so innig wie seine Familie, kümmert sich um seine Frau und die beiden Kinder genauso rührend wie um die Toten, die er täglich einäschert. Dank seiner buddhistischen Überzeugung, dass die Verbrennung das irdische Leid verkürzt, geht er seiner Arbeit denn auch mit Begeisterung nach. Die Rechnung dabei ist simpel: während ein Leichnam im Sarg jahrelang verrottet, dauert eine Einäscherung nur 90 Minuten - sozusagen das Expressticket ins Himmelreich. Bislang leistete er zufrieden im kleinen Rahmen seinen Beitrag. Doch als ihm ein alter Freund von einer Partei erzählt, die gerade in Deutschland große Erfolge feiert, stellt sich für ihn plötzlich die Frage, ob er wirklich schon genug Erlösungsarbeit leistet...


Das Indi-Label Bildstörung hat es sich ja von Beginn an zur Aufgabe gemacht, dem Zuschauer ganz erlesene-und sehr aussergewöhnliche Filmperlen zugänglich zu machen. Das es sich dabei zudem zumeist um Werke handelt die jenseits jeglichen Mainstreams angesiedelt sind, dürfte schon längst kein Geheimnis mehr darstellen. Auch die neue Veröffentlichung "Der Leichenverbrenner" fällt ganz eindeutig in diese Kategorie von Film, präsentiert sich dem Betrachter doch eine Geschichte, die nicht gerade leichte Filmkost anbietet. Dies äussert sich allein schon in der Einführungsphase des Filmes, in der man zuerst gar nicht so recht weiss, was da überhaupt auf einen zukommt. Die Zusammenhänge ergeben sich erst im Laufe der Zeit, bieten dann allerdings eine Gesamtkomposition, die sich unauslöschlich in das Gedächtnis einbrennen. Dabei strahlt das Szenario ohne jegliche explizite Gewaltdarstellungen eine so ungeheure Härte aus, das man als Zuschauer ein extremes Maß an Beklemmung verspürt, die sich erst lange nach dem Ende der Geschichte langsam wieder löst.

Dreh-und Angelpunkt sämtlicher Ereignisse ist Karl Kopferkingl (Rudolf Hrusinsky), der seine ganz eigene Philosophie zum Leben wie auch zum Tod hat. Er trinkt-und raucht nicht, tut alles für seine Familie und ist trotz diverser Besuche bei Prostituierten ein wahrlicher Saubermann, wie er im Buche steht. Auf der anderen Seite steht aber sein Beruf als Leichenverbrenner in einem kleinen Krematorium, der für ihn vielmehr eine Art Berufung als ein normaler Job ist. Insbesondere dieser Aspekt wird während der gesamten Laufzeit hervorragend herausgearbeitet, wobei es vor allem den fantastischen Dialogen zu verdanken ist, das die regelrechte Obsession des Mannes immer mehr in den Vordergrund rückt und praktisch sein gesamtes Leben bestimmt. Kopferkingl, der übrigens von Hrusinsky eindrucksvoll und brillant dargestellt wird, sieht sich als eine Art Erlöser für die Toten, da er ihnen seiner Meinung nach den Weg in eine bessere Welt ebnet. Seine eigenen Weisheiten bezieht er dabei aus einem Buch über Tibet und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, das er sich selbst als eine Art Dalai Lama sieht. Während der weiteren Geschehniss nimmt insbesondere dieser Aspekt auch noch eine starke visuelle Rolle ein, die dem Film eine höchst künstlerische Note verleiht.

Gerade in der zweiten Filmhälfte verfällt der Hauptcharakter immer mehr der Ideologie der Nazis und als diese ihm auch noch einen leitenden Posten als Leichenverbrenner anbieten, ist es vollends um ihn geschehen. Was sich danach abspielt kann man nur schwerlich in Worte fassen, denn die offensichtliche Besessenheit des Mannes nimmt beängstigende Züge an und gipfelt darin, das er für den neuen Job sogar nach und nach die eigene Familie auslöscht, da jüdisches Blut in deren Adern fließt. Auch Freunde und Kollegen werden unbarmherzig an die Nazis verraten, ohne das Kopferkingl auch nur den Anflug eines schlechten gewissens erkennen lässt. Es ist in erster Linie die herausragende Mimik eines Rudolf Hrusinskys, die dem Zuschauer kalte Schauer über den Rücken jagt. In seinen Augen kann man den Fanatismus, aber auch die grenzenlose Überzeugung seiner Sache erkennen, für die er bereitwillig alles opfert was ihm lieb und teuer ist. Nur selten bekommt man eine so dermaßen überzeugende Darstellung eines Charakters geboten, wie es in vorliegendem Film der Fall ist. Zwar agieren auch die restlichen Darsteller allesamt sehr gut, verblassen allerdings durch die allgegenwärtige Präsenz des Hauptdarstellers viel eher zu Statisten, die man eher weniger beachtet.

Trotz aller durch die Thematik vorhandene Härte hat Regisseur Juraj Herz seinem Werk auch einige humorige Passagen beigefügt, die zumeist von sehr skurriler Natur sind. So bekommt man beispielsweise ein immer wieder erscheinendes Liebespaar eingeblendet, das scheinbar die Welt um sich herum zu vergessen hat, oder wird immer wieder mit einem zornigen Ehemann konfrontiert, der den gesamten Film über seine hysterische Ehefrau beruhigen will. Angesichts der sehr ernsten thematik der Geschichte sind diese Passagen eine willkommene Ergänzung und lockern manchmal die extrem beklemmende grundstimmung etwas auf. Insgesamt gesehen ist "Der Leichenverbrenner" ein Film, der einem ganz unwillkürlich unter die Haut geht und einen sehr nachhaltigen Beigeschmack hinterlässt. Es fällt nicht gerade leicht, das Gesehene schnell sacken zu lassen, denn selten bekommt man ein solch eindringliches Szenario über die Obsession eines Menschen geliefert, das einerseits verstörend-und grausam erscheint, andererseits aber einen solch authentischen-und glaubwürdigen Eindruck hinterlässt. Meiner Meinung nach ist Juraj Herz hier ein echtes Meisterwerk gelungen, das sich kein Liebhaber aussergewöhnlicher Filme entgehen lassen sollte.


Fazit:


Mit "Der Leichenverbrenner" liegt geradezu ein Paradebeispiel dafür vor, das man nicht zwangsläufig durch den Einsatz von expliziter Härte einen verstörenden Eindruck beim Betrachter hinterlassen kann. Eine interessante Thematik, ein herausragend agierender Hauptdarsteller und eine künstlerische Umsetzung der Ereignisse reichen vollkommen aus, um einen in einen wahren Strudel von Grausamkeit hineinzuziehen, aus dem es anscheinend kein Entrinnen gibt. Auch wenn dieser Film nach seinem Erscheinen gerade im Westen europas nicht die ganz große Beachtung fand, handelt es sich um eine echte Filmperle, die dank dem label Bildstörung nun auch bei uns eine würdige Veröffentlichung gefunden hat. Wie immer mit umfangreichem Bonusmaterial ausgestattet handelt es sich um ein Werk, für das man eine uneingeschränkte Kaufempfehlung aussprechen kann.


10/10

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