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Pünktlich zum Prager Frühling entstand in Tschechien dieses eindrucksvolle Werk das zusammen mit Vera Chytilovás "Sedmikrasky" (1966) zu den bemerkenswertesten Produktionen des Landes in den 60er Jahren gelten kann. Herz nutzte die kurze Phase und inszenierte mit völliger künstlerischer Freiheit - wenn man davon absieht, dass die Fertigstellung nie ganz abgesichert war - eine rabenschwarze, bitterböse Satire bei der dem Zuschauer das Lachen im Hals stecken bleibt.
Bereits die Pretitelsequenz im Zoo macht mit ihren schnellen Schnitten, den irritierenden Großaufnahmen und der Aufnahme des Zerrspiegels deutlich, woher der Wind weht: Herz lehnt sich durchaus an das neue Kino aus den westlichen Teilen Europas an.

Protagonist Kopfrkingl arbeitet in den 30er Jahren als „Leichenverbrenner" (so der dt. Titel) im Krematorium. Der Tod hat für den am Buddhismus interessierten Ehemann (der seine Frau mit Prostituierten betrügt) und Vater zweier Kinder jede Form von Schrecken verloren... stattdessen schwärmt er in einer faszinierenden und gleichzeitig erschreckenden Art und Weise von den in den Äther gestiegenen Seelen und sieht im Tod ein erotisiertes Ereignis von religiös-erhabener Heiligkeit. Gleichzeitig erliegt er mehr und mehr der Ideologie Hitlers, sieht in den Deutschen DAS Volk schlechthin, denunziert seine jüdischen Kollegen wegen unbedachter Äußerungen und driftet mehr und mehr in eine seltsame Mischung aus Rassenwahn und religiöser Verzückung ab. Seine Dienste für die Nationalsozialisten und seine Erfahrung mit der Leichenverbrennung führen bald dazu, dass ihm ein Posten in den Krematorien der Vernichtungslager angeboten wird. Kopfrkingl ist verzückt tausende von Seelen in wenigen Minuten zu befreien und dem Äther zu überlassen und sagt zu. Zuhause bringt er seine Frau im Badezimmer - das mit den weißen, kalten Kacheln zu seinen Lieblingszimmern zählt - dazu sich von ihm erhängen zu lassen, da jüdisches Blut in ihr fließt. Die Rede auf ihrer Beerdigung hält er selbst, entgleist dabei ein wenig und wird zur grotesken, kreischenden Kopie Hitlers und schließt am Ende zu Hitlergrüßen der Zuhörer. Tage später besichtigt er mit seinem Sohn seinen Arbeitsplatz... vor dem Sarg eines alten Mannes erschlägt er den Jungen wegen seiner teils jüdischen Abstammung mit einer Eisenstange, spült das Blut in den Abfluß und legt seine Leiche in den Sarg des Fremden. Auch seine Tochter will er „befreien" und besucht auch mit ihr das Krematorium... kurz vor dem tödlichen Schlag kann sie jedoch ausweichen, es folgt ein bizarres Ballett inmitten schwarzer Särge, dann jedoch - noch bevor er ihre Seele „befreien" konnte - sieht er sich in einer der den Film durchziehenden, schizophrenen Wahnvorstellungen zum neuen Dalai Lama befördert. Mit einem Strahlen im Gesicht verlässt er das Krematorium, wo bereits ein Wagen bereit steht um ihn an seinen neuen Arbeitsplatz in den Vernichtungslagern zu bringen... um seine geflohene Tochter, so wird versichert, wird man sich noch kümmern.

Trotz oder womöglich eher wegen der humoristischen Elemente des Films (ein ewig gedankenverlorenes Liebespaar und ein gepeinigter Ehemann der immer nur seiner hysterischen Gattin nachhetzt bilden skurille Running Gags) bleibt seine Stimmung letztlich eine überaus verstörende... Hauptdarsteller Rudolf Hrusínský spielt den leicht neurotischen in seinem Wahn gefangenen Kopfrkingl mit viel Gefühl, der Stil schwankt von Godardscher Ästhetik über „normale" Filmbilder bishin zu den atmosphärisch dichtesten Szenen eines David Lynchs, die Musik wirkt in ihrer meist heiteren Art verstörend konträr... Insgesamt wirkt die bizarre Geschichte nirgends unglaubwürdig - dass sich buddhistische Ideen eignen um den Holocaust zu verharmlosen, kann man in einschlägiger Literatur nachlesen, in der Anhänger dieser Richtung auch im Tod in den Konzentrationslagern eine Erlösung sehen - und auch die originelle Form steht dem Fluß des Films nie im Weg und ist nicht bloßer Selbstzweck, sondern ein perfektes Mittel um die Intensität des Dargestellten noch zu erhöhen.

Im Westen fand der Film ein wenig Aufmerksamkeit, in seinem Entstehungsland wurde er bald verboten - vor allem ein paar etwas frivole Bilder dürften dazu beigetragen haben (u. a. wird eine Fellatioszene angedeutet), aber auch der Stil dürfte für einen Subjektivismus-Vorwurf gereicht haben... Erst Amos Vogel erkannte 1974 die herausragende Qualität des „provozierenden Versuches, zu den Quellen sadosexuellen Nazi-Ungeistes vorzudringen," der seitdem leider trotzdem eher so etwas wie ein Geheimtip geblieben ist.
Herz selbst ist u. a. für den bizarren Horrorfilm „Der Vampir aus dem Ferat" verantwortlich. Unter den Darstellern von „Spalovac mrtvol" ist auch Jiri Menzel zu entdecken.
9/10

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