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Hong Kong – Star und Martial Arts – Künstler Jackie Chan durfte sich auf dem Zenit seines Schaffens, passend zu seiner nicht zu bremsenden Hyperaktivität, in Wong Jings („God of Gamblers“, „Total Risk“) „City Hunter“, die Adaption des gleichnamigen Mangas von Tsukasa Hôjô, nach Herzenslust austoben und dabei physikalische Grundsätze ignorieren, um einen maximalen Unterhaltungswert abzuliefern.

Schön und gut, wenn man denn auf so eine schrille, grelle, abgedrehte Welt steht und mit den pubertären Slapstick-Einlagen Chans etwas anfangen kann. Mein Fall sind seine früheren Filme nach wie vor nicht und daran wird auch „City Hunter“ nichts ändern.

Zugegeben muss ich aber, dass Chan einmal mehr voll bei der Sache ist und diebischen Spaß mit seiner Figur hatte. Der City Hunter, in der deutschen Fassung ohne echten Namen, ist ein ganz besonderes Heldenexemplar. Nicht nur extrem faul und verpennt, hat er stets gewaltigen Kohldampf, ein großspuriges Maul und zeigt sich dem hübschen Geschlecht nie abgeneigt, besonders im Traum nicht. Zwischen Superheld und Tollpatsch schwankend, ist Chan hier ab der ersten Minute voll in seinem Element und liefert was seine Fans begehren: Ein Held Widerwillen auf dem Weg der Selbstparodie.

Die Action bleibt in der ersten Hälfte indes allerdings sekundär. Rasant, kunterbunt und ein wenig anstrengend wird flugs die Hintergrundgeschichte Hunters und seiner Partnerin Kaori (Joey Wong), die Tochter eines toten Freundes, der ihn mit seinen letzten Atemzügen in die Pflicht nahm, die sich längst zu einem reifen Mädel entwickelt hat, so dass Hunter an sich halten muss, um sich nicht auch noch an sie heranzumachen.

Für Ablenkung sorgt der neue Job. Er soll eine durchgebrannte Millionärstochter zu ihrem Herrn Papa zurückbringen. Nichts leichter als das, denkt sich Hunter, muss aber wenig später auf einem Luxusliner feststellen, dass ihn die Gute arg in die Bredouille gebracht hat. An Bord übernehmen nach „Die Hard“ – Prinzip Colonel MacDonald (Richard Norton, „China O'Brien II“, „Lady Dragon“) und seine Henchmen (u.a. Gary Daniels) das Kommando und fangen regelkonform an, alles was laufen kann an Bord in Angst und Schrecken zu versetzen, zusammenzupferchen, zu erpressen und zu töten. Man kennt das ja...

So richtig warm werde ich dennoch mit „City Hunter“ nicht, was nicht an Norton und Daniels liegt, denn sie sind die beiden Gründe, warum ich mir den Film eigentlich angesehen habe. Gary Daniels, damals noch mit langen Haaren und Zopf, kam nach einigen Billigheimern nun endlich auf die große Leinwand. Die Demonstration seines damals noch sehr muskulösen Körpers und natürlich die Fights mit Jackie Chan inklusive des irrwitzigen Street Fighter – Konsoleneinschlags dürfte nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass es von da an für seine Karriere deutlich bergauf ging. Als rechte Hand von Norton darf er hier schön mies den skrupellosen Widerling raushängen lassen und hat letztlich mehr Filmminuten als ich eingangs erhofft hatte. Die Schauspielerei mag in erster Linie nicht sein Ding sein, aber für ein paar amüsante Szenen mit dem kaspernden Jackie Chan reicht es noch aus.
Richard Norton gibt den klassischen, klischeebewehrten Bad Guy hingebungsvoll mit einer ordentlichen Portion Skrupellosigkeit und Menschenverachtung, so dass ihm zwangsläufig auch die Rolle des Endgegners zugeschustert wird, wobei er dann mit knapp über 40 immer noch beeindruckend in Form ist, augenscheinlich szenenweise allerdings auch gedoubelt wurde.

Ohne Frage, der Film zieht flott vom Leder, kommt ohne Leerlauf aus und spult wie ein Uhrwerk seinen gewöhnungsbedürftigen Humor runter. Mein fehlender Sinn für alberne Slapstick verhindert dabei stets wonniges Filmvergnügen, zumal die Comic-Gags, beispielsweise die Visualisierung von Träumen und Schmausereien, in dieser Realverfilmung ein wenig befremdlich ausschauen. Nicht alles, was Wong Jing hier so ekstatisch anrührt, schmeckt hinterher. Die charakteristischen, unnachahmlichen Sprints des Hongkong-Kinos, was Action und Humor angeht, hätten in diesem wilden audiovisuellen Overkill meinetwegen ruhig eine Spur reifer ausfallen dürfen. Aber da rede ich seit Ewigkeiten gegen eine Wand *gg*.

Nichtsdestotrotz kommt man auch hier wieder nicht daran vorbei, die äußerst elegant choreographierte Action zu huldigen. Davon versteht die Jungs dort drüben nun mal etwas. Die Martial-Arts-Szenen sind over the top, die Schießereien in geringerer Anzahl auch mal blutig und die Kreativität schier überbordend. Das Rennen mit den Skateboards über Autos, die tödliche Kartentricks, das schon erwähnte, schwerstamüsante Street Fighter – Zwischenspiel und als Highlight natürlich sein Kampf gegen die rot tragenden Handlanger im Kino, während auf der Leinwand Bruce Lee in „Game of Death“ gegen Basketball-Legende Kareem Abdul-Jabbar seine Künste zelebriert. Highlights gibt es genug, aber sie finden fast komplett in der zweiten Hälfte statt, haben dann jedoch die Qualität, für die Jackie Chan damals noch stand und heute nur noch vereinzelnd steht.

Steckenpferd bleibt bis zum Schluss die genrekonforme, wenig einfallsreiche Geschichte an sich, die bestenfalls Patchwork in diesem wilden Sammelsurium von Ideen darstellt. Der Ablauf wirkt fraglos kurzweilig, dabei allerdings auch genauso uninteressant und teilnahmslos. Ein paar skurrile Nebenfiguren wie der Kartentrickser und die bewaffnete, dank schwerer Kaliber auch schon mal vorn überkippender Damen-Liga bringen ein wenig Abwechslung in die Leere, können die Lücke allerdings nie ganz nie schließen, doch das ist ein Problem vieler früherer Chan-Filme. Egal, wer sich Chan ansieht, weiß eben auch, dass er weder eine ausgeklügelte Geschichte noch Charakterdevelopment erwarten darf – jedenfalls bis „New Police Story“ kam.


Fazit:
Unbeschreiblich überdrehte Manga-Adaption mit Jackie Chan in Bestform, die lau in den ersten 20 Minuten beginnt, dann jedoch zulegt und insbesondere in den Szenen mit Gary Daniels und Richard Norton, auch wegen des dann meist funktionierenden Humors, punkten kann. Viele alberne, schlicht zu infantile oder einfach schlechte Gags finden ihr Ziel bei mir nicht, weswegen ich „City Hunter“ eine höhere Bewertung verweigere, doch der Street Fighter – Konsoleneinschnitt und Chans Kampf im Kino zu Bruce Lee sind Highlights, die man sich unbedingt einmal zu Gemüte führen sollte. Die von krassen Farbtönen durchzogenen Schauplätze sind ein wenig anstrengend, der poppige Grundtenor oft präsent und mutet heute schon etwas nostalgisch an, so dass man bei „City Hunter“ getrost von einem irren Filmvergnügen im größtenteils positiven Sinn sprechen kann. Wenn doch der Humor nicht wäre...

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