Review

"Der Panther wird gehetzt" ist nicht nur ein Werk, daß signifikant ist für einen der großen Stars des französischen Kinos, Lino Ventura, sondern das - erschienen im selben Jahr wie Godards "Außer Atem" - deutlich erkennen läßt, warum Jean-Paul Belmondo zurecht lange Zeit einer der beliebtesten Kinostars war. Claude Sautets äußerst spannend erzählter Film über einen Gangster, der desillusioniert erkennen muß, daß sein Leben verpfuscht ist, tauchte im damaligen Hype um die "Nouvelle Vague" zu Unrecht unter.

Sautet drehte diesen Film in einem realistischen, fast lakonisch dokumentarisch anmutenden Stil, der in seinen atmosphärisch dichten Außenaufnahmen und teilweise subjektiven Blickwinkeln trotz seiner Schwarz-Weiß Bilder heute noch modern wirkt. Vielleicht wurde dem Film sein ausgeprägter Hang zur Action im damals sehr künstlerisch dominierten jungen französischen Film zum Verhängnis, der übersehen läßt, daß Sautet stilsicher auf der Höhe der Zeit war.

Der Film beginnt in Mailand, wo wir die Gangsterfreunde Abel Davos (Lino Ventura) und Raymond dabei beobachten, wie sie einen Geldkurier überfallen. Abel hatte zuvor seine Frau Clemente und seine beiden kleinen Söhne zum Zug gebracht und sich mit ihr in dem italienischen Grenzort Ventimiglia verabredet. Von hier wollen sie nach Frankreich fliehen, da Abel in Italien wegen Mordes zum Tode verurteilt worden war. In Frankreich erhofft er sich Unterstützung durch seine alten Freunde und ein Leben zusammen mit seiner Familie.

Das Geld von dem Überfall soll für die Flucht verwendet werden und so ist Sautets Film in der ersten Hälfte ein rasantes Road-Movie, daß Abel ständig auf der Flucht vor der Polizei zeigt, immer wieder bedroht durch Straßensperren und Kontrollen. Doch sein Plan geht schief, denn als sie in einem Motorboot die französische Küste erreichen, werden sein bester Freund und seine Frau von Polizisten erschossen. Er kann mit seinen Söhnen fliehen, aber man spürt ab diesem Zeitpunkt, daß sein Wunsch zu Leben erlischt...

Zuletzt las ich in einem Interview, daß Lino Ventura, der 1950 Europameister im Ringen war und über eine entsprechende Figur verfügte, noch ein Macho vom alten Schlag war, der eher eine Frau schlug als mit ihr zu diskutieren. Diese Betrachtung ist bestenfalls oberflächlich, denn während er zwar in einer Szene einer naseweisen neureichen jungen Frau eine Ohrfeige gibt, ist er von sensibelstem Umgang mit seiner Familie.Gerade dadurch entsteht eine wichtige Identifikation mit Abel, dessen frühere Verbrechen nicht von Sautet geschildert werden. Wir erleben Abel als einen verzweifelten Gangster, der darunter leidet, keine Zeit für seine Familie zu haben und der es bereut, seiner geliebten Frau dieses Gangsterleben zugemutet zu haben.

Dabei ist die Szene zwischen ihm und seiner Frau kurz vor der Flucht frei von jeglichem Kitsch und in seiner lakonischen Intensität sehr beeindruckend. Auch der Umgang mit seinen Kindern wirkt genretypisch fast anachronistisch, da eine solche Vermischung von Gangsterleben und Familie normalerweise ausgespart wird. Lino Ventura, der auch in seinem tatsächlichen Leben für sein Einzelgängertum bekannt war, spielt hier einen einsamen Mann, der verloren hat, aber noch genug Stolz besitzt, um sein Leben ein letztes Mal zu ordnen.

Seiner durchgehenden Ernsthaftigkeit wird als zweiter Protagonist Eric Starck zur Seite gestellt, verkörpert von Jean-Paul Belmondo. Betrachtet man den jungen gutgelaunten Belmondo in seiner leichten, aber gleichzeitig professionellen Art ,dann kann man nicht umhin, hier einen der ersten Filmtypen zu erkennen, die wirklich cool waren. Er war in dieser Form der Darstellung seiner Zeit weit voraus, die dann in "Außer Atem" berühmt wurde und seine geniale Fortsetzung in "Abenteuer in Rio" fand.

Es wird deutlich, warum Belmondo damals schlagartig ein Star wurde, aber genauso muß man feststellen, daß dieses Image ihm in den späten 70ern und 80ern nachhaltig seine Reputation kostete. Das hat allerdings mit seinen frühen Rollen nichts zu tun, sondern damit, daß man ein schnelles Geschäft witterte, in dem man ihn immer wieder in scheinbar "coolen" Rollen als Gangster oder Bulle besetzte und dabei die Leichtigkeit und das Selbstverständliche seines Handelns vergaß, daß seinen frühen Filmen anhaftete. In "Der Panther wird gehetzt" wirkt er so frei von Anstrengung, so jung und gleichzeitig bewußt, wie es nur in dieser Phase des französischen Films gelang.

Die zweite Hälfte des Films spielt dann in Paris und beschäftigt sich vor allem mit Abels Auseinandersetzung mit seinen alten Kumpels, die sich teilweise zur Ruhe gesetzt haben und denen der von der Polizei gesuchte Gangster ein Dorn im Auge ist. Auffällig ist bei der Schilderung dieser Ereignisse um die Pariser Gangster die Einbeziehung ihrer Familien, meistens in Person der Ehefrau. Deutlich wird hier die Diskrepanz zwischen ihrem verbrecherischen Handeln und dem bürgerlichen Leben, daß sie keineswegs nur als Fassade führen.

Fazit : beeindruckender Gangsterfilm von Claude Sautet in atmosphärisch dichten, äußerst realistisch wirkenden Schwarz-Weiß Bildern gedreht. Während der ersten Hälfte beschreibt der Film die schwierige und tragische Flucht des Abel Davos von Italien aus in seine Heimatstadt Paris. Spannend und rasant als eine Art Road-Movie erzählt. In Paris angekommen, muß Abel erkennen, daß ihn seine alten Kumpanen im Stich gelassen haben...

Lino Ventura überzeugt als ernsthafter Gangster, der seine Illusionen verloren hat und Jean-Paul Belmondo steht ihm als Sympathieträger und cooler Draufgänger zur Seite. Nicht nur wegen dieser Rollen, die exemplarisch für die beiden Hauptdarsteller wurden, ist "Der Panther wird gehetzt" ein wichtiges Werk, sondern vor allem wegen seiner überzeugenden auch heute noch modernen Bildsprache und Erzählform(9/10)

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