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Der Bauunternehmer Simon (Michel Piccoli) hat Ärger mit einem gewissenlosen Spekulanten. Nachdem sich ein Geschäftspartner wegen unsauberer Praktiken umgebracht hat, muss Simon hart kämpfen, um ein riesiges Geschäft nicht an den Gegner zu verlieren. Da hilft ihm die Prostituierte Mado (Ottavia Piccolo), zu der er sich seit langem hingezogen fühlt: Sie vermittelt ihm den Kontakt zu einem anrüchigen Erpresser. Ein verhängnisvoller Schritt.

Der französische Nouvelle-Vague-Regisseur Claude Sautet entspinnt in diesem eher weniger beachteten Werk ein tragisches Geflecht aus Intrigen, Korruption, unglücklicher Liebe und verlorenen Lebensentwürfen. An einer ganzen Schar von Figuren zeigt er ein und dasselbe Problem, nämlich das Ringen um Geld, in zwei entgegen gesetzten Gesellschaftsschichten: Während die armen Arbeiter jeden noch so erniedrigenden Job annehmen müssen, um irgendwie über die Runden zu kommen, stellt Simon irgendwann fest, dass man im großen Gewerbe nur mit schmutzigen Tricks erfolgreich bleibt. Jeder muss seine Seele verkaufen, um im System bestehen zu können.

Diese unterschwellig gesellschaftskritische Geschichte erzählt Sautet in langen, ruhigen Einstellungen, die oftmals von tiefer Melancholie geprägt sind. Besondere Höhepunkte stellen hierbei die intimen Dialogszenen zwischen Piccoli und Piccolo dar - in schlichten, einfachen Worten und doch von schneidender Schärfe und Intensität legen sie sich gegenseitig die Einsamkeit und Verlorenheit ihres Lebens bloß. Dank dieses Musterbeispiels an pointiert-lakonischen Dialogen entfalten eben diese Szenen eine ungeheure atmosphärische Dichte, die den Zuschauer durchgehend fesselt.

Überhaupt sind es meist die ruhigen Szenen, in denen nur zwei Figuren anwesend sind, die die größte Sogkraft entfalten. So gerät auch die Szene, in der Simon seine alkoholkranke Ex-Frau besucht (furios in ihrem Elend: Romy Schneider), zur erschütternden Bestandsaufnahme existentieller Resignation. Konterkariert werden diese stillen, aber intensiven Sequenzen von ebenso langen Passagen, die vor lauter Darstellern quasi überquellen: Wie schon in anderen Werken, etwa "Vincent, François, Paul und die anderen", versteht es Sautet wie kaum ein Anderer, einen Wust an Figuren zu dirigieren und gleichermaßen chaotisch und zielgerichtet wirken zu lassen. So gerät etwa die Hochzeit, in die Simon mit einem Haufen Freunden hineinplatzt, zum ausgelassenen Fest vor dem großen Absturz - und die lange Schlusssequenz, in der die gesamte Freundes- und Kollegenclique mit ihren Autos im Schlamm einer Baustelle stecken bleibt, nimmt symbolisch Bezug auf die verfahrenen Lebenssituationen, denen jeder anders, wenn auch die meisten mit Humor, begegnen.

Formal ist das alles souverän inszeniert, die Kamera gleitet in langen, langsamen Bewegungen durch die Räume und folgt den Figuren, die Musik ist bis auf ein Minimum zurückgefahren und die Schauspieler überzeugen durch die Bank. Allenfalls ist der ganze Film einen Tick zu lang geraten - mitunter schleichen sich schon blutarme Passagen ein, in denen ein wenig Leerlauf aufkommt. Vielleicht wäre nicht jede Szene in dieser Ausführlichkeit notwendig gewesen. Aber andererseits entfaltet "Mado" gerade auch durch diese grundsätzliche Ruhe seine große emotionale, melancholische Kraft. Ein dunkel-poetischer Film über die triste Realität.

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