Im schön gleichmäßig schlagenden Rhythmus schlenderte die “Frankenstein”-Franchise durch die ganzen Dreißiger, um sogar noch den Vierziger Jahren einen Besuch abzustatten. Drei Jahre ließ man sich bei Universal Zeit, den Mythos auszudehnen... und langsam wird’s wirklich dumm.
Von dem künstlerischen Anspruch hatte man sich sowieso schon mit dem dritten Teil verabschiedet. Der machte das ja auch mit jeder Faser deutlich - niemand wollte “Son of Frankenstein” als weiteres Meisterwerk verstanden wissen. Das Klassikerpotenzial der ersten beiden Teile war ohnehin stark an James Whale gebunden, der schon bei “Bride of Frankenstein” zögerte, überhaupt noch mal auf dem Regiestuhl Platz zu nehmen, und der bei “Son” noch im richtigen Moment den Rückzug einleitete. Sein Erbe auf dem Regiestuhl, Rowland V. Lee, brach nun auffällig stark mit allerlei Regeln der Reihe: Das Monster entwickelte sich gegenüber “Bride” wieder zurück, die geographisch-diachronische Einordnung des Schauplatzes wurde von ihrer mysteriös anmutenden Schwammigkeit befreit und klar festgelegt, der komplette Baustil wurde abgeändert, neue Verwandte wurden hinzugedichtet und so weiter. Wenigstens war aber deutlich sichtbar, worauf Lee hinauswollte. Frankensteins Monster sollte eine unsterbliche Kreatur werden, ein Denkmal des Universal-Horrors, nach Jahrzehnten der Gruseltradition sollte Frankensteins Monster zu Frankenstein selbst werden. Mit der nötigen ironischen Distanz (man denke an Basil Rathbones köstlichen Vortrag im Zug) war das auch eine legitime Sache. Will man Shelleys “Frankenstein” in seiner ureigensten Bedeutung erleben, kann man immer noch auf die ersten beiden Verfilmungen zurückgreifen; ist man auf der Suche nach dem plakativ überzeichneten Themenparkmonster, so hält man sich eben an den dritten Teil der Trilogie.
Wäre das nur auch den Verantwortlichen für das dritte Sequel klar gewesen. Denn “Ghost of Frankenstein” ist eine wilde, unharmonische Mischung der unlogischen Trashanteile aus “Son” und dem Anspruch aus “Frankenstein” und “Bride”. Erle C. Kentons Werk ist durch und durch eine unausgegorene Angelegenheit geworden. Die Vorgabe von Universal lautete wiederum, es solle einen Film fürs große Publikum geben, keinen für die Kritikerschar. Doch im Plot sind Spuren von intendiertem inhaltlichen Niveau zu finden, die so gar nicht zu der im Vergleich mit den Vorgängern eher minderwertigen Endresultat passen mögen.
Das Skript von Scott Darling und Eric Taylor versucht krampfhaft, einen neuen wissenschaftlichen Ansatz in die Reihe einzubringen, nämlich die Möglichkeit, ein Hirn dem lebenden Körper zu entnehmen, es zu “reparieren” und wieder in den Körper einzusetzen. Hintergedanke dieser wissenschaftlichen Errungenschaft, die Dr. Ludwig Frankenstein (Cedric Hardwicke) und Dr. Bohmer (Lionel Atwill) zuteil wird, ist der, Seele und Bewusstsein eines Menschen in den Körper eines anderen einzubauen, was für sich betrachtet gar nicht mal so eine dumme Sache ist. So werden natürlich recht simpel (Erklärungen, wie eine solche Hirntransplantation denn funktionieren soll, erwarten wir ja gar nicht) individualpsychologische Topoi aufgeworfen - und das ist der Anspruch, mit dem sich der Film brüstet. Problematisch ist aber alleine schon die viel bedeutendere, erkenntnisbringendere Errungenschaft des Original-Frankenstein: Wenn man einen Menschen aus toten Einzelteilen zusammenflicken und zum Leben erwecken kann, wieviel mehr wiegt da schon eine Gehirntransplantation?
Darüber könnte man gut hinwegsehen, würde sich der Film nicht einerseits optisch und storytechnisch wieder bei den ersten beiden Teilen anbiedern und narrativ doch direkt an das Ende von “Son” anknüpfen. So werden wir gleich zu Beginn mit allerlei logischen Ungereimtheiten überhäuft: Wie zum Teufel soll ein Lebewesen in einem Säurebad konserviert werden? Soll heißen: seit wann verwandelt sich Säure im Laufe der Zeit zu Lehm und wieso tut sie nicht das, wozu sie in diesem Fall da ist: das Lebewesen zersetzen? Und weshalb hat Ygor die tödlichen Schüsse überlebt? Nun gut, den Strick hat der zähe Bastard ja auch überlebt, aber dennoch... galt die Unsterblichkeitsformel von “Son” nicht nur für die Kreatur, sondern auch für Ygor?
Wer im Angesicht dieser massiven Missachtung von Kausalitäten heutige Produktionen noch penibel nach Logikbrüchen durchforstet, dem sei gesagt, dass sich diesbezüglich im Laufe der Filmgeschichte doch noch einiges getan hat.
Dementgegen leider nicht aus dem Vorgänger übernommen wurde das herrlich dekonstruktivistische Produktionsdesign mit all den verwinkelten, geografisch verschrobenen Wänden und Treppen des Schlosses Frankenstein. Dieses hatte dem dritten Teil nämlich Schauwerte verliehen, wo inhaltlich Flaute herrschte, so dass die über 90 Minuten Laufzeit überhaupt so kurzweilig gefüllt werden konnten. Dem ist nun im vorliegenden 64-Minüter leider nicht mehr so. Die Sets und Kulissen sind relativ unspektakulär und in Sachen Gruselatmosphäre vollkommen wirkungslos. Etwas morbide wirken am Ende zugegeben die kellerartigen Gewölbe, speziell im Zusammenhang mit dem Vorhaben, ein Gehirn dem Schädel eines Beteiligten zu entnehmen und es in die Schädelhülle des Monsters zu implantieren (Kandidat A: Ygor, bevorzugt von Ygor / Kandidat B: Dr. Kettering, bevorzugt von Dr. Frankenstein / Kandidat C: Ein kleines Mädchen, bevorzugt von der Kreatur selbst). Ansonsten jedoch gewinnt der Film diesbezüglich keinen Blumentopf, da auch die innovative Kameraarbeit des Originals und seines Sequels vollkommen verloren gegangen ist. Selbst spektakuläre Szenen wie das final abbrennende Haus wirken daher doch recht verhalten.
Weiterhin ist da selbstverständlich der ewige Fluch einer Franchise, mit zunehmender Anzahl von Fortsetzungen wichtige Schauspieler zu verlieren. Zwar ist Bela Lugosi zum zweiten Mal mit von der Partie als fieser Ygor, dafür hat sich aber die Hauptattraktion verabschiedet. Boris Karloff nahm wohl gerade zur rechten Zeit seinen Hut und wurde durch Lon Chaney ersetzt, der erst ein Jahr zuvor als “Der Wolfsmensch” seinen Durchbruch gefeiert hatte. Hier liegt schon das erste große Defizit vor. Jack Pierce hat sich als Maskenbildner zwar wieder alle Mühe gegeben, kann aber nicht verbergen, dass es nun mal nicht der große Karloff ist, der hinter all dem Make Up steckt. Die Bedeutung der Schauspielerei bei dieser Figur wird hier erst richtig deutlich, denn Chaney kommt nicht mal ansatzweise in die Nähe der Darstellung Karloffs.
Nun ist dieser Verlust nicht ganz so groß, wie man vermuten könnte, was auf ein anderes enormes Defizit des Films zurückzuführen ist: Der Platz der Kreatur in der Order of Appearance und der Wichtigkeit für den Plot gleichermaßen wurde massiv eingeschränkt. Viel mehr noch als “Son” verweigert sich “Ghost”, das Innere des Wesens zu beleuchten. Die Kreatur wird endgültig zum Handlanger degradiert, während Bela Lugosi den Film an sich reißt. Ygor ist der neue Fokuspartikel im Gefüge, der alle Aufmerksamkeiten auf sich lenkt. Nur leider verträgt sich das nicht mit seiner ursprünglichen Figurenzeichnung. Denn Ygor war bislang keinesfalls in irgendeiner Weise das antreibende Element, sondern vielmehr derjenige, der sich vom Strom treiben lässt, um im richtigen Moment herauszutreten und seinen Vorteil auszuspielen. Die Fähigkeit, aus eigener Kraft zu handeln, traut man ihm nicht zu, allerhöchstens die Grundmotivation, überhaupt seine derzeitige körperliche Hülle zu opfern, um im Körper des Monsters ewig zu leben und die Kraft für seine schurkischen Pläne zu verwenden. Vom sich einstmals entwickelnden Bewusstsein des Monsters selbst ist derweil nicht mehr viel übriggeblieben. Das einzige Zeichen hierfür ist der Wunsch, das Gehirn des kleinen Mädchens implantiert zu bekommen, um mit ihr eins zu werden (weil sie das einzige Lebewesen ist, dass ihm freundlich und vorurteilslos gesonnen war). Dieser Einschub ist aber so schmal und isoliert vom eigentlichen Plot, dass er trotz vielversprechender Grundidee als unausgegorener Versuch gewertet werden muss, überhaupt noch irgendwie das Bewusstsein der Kreatur mit einem “Hallo, ich bin noch da!”-Ruf zu versehen.
Mögen sich die individualpsychologischen Ansätze auch noch so vielversprechend anhören, im Gewand des B-Movies sehen auch sie nur aus wie ein in Lumpen gehüllter Bettelmann. Logisch ist rein gar nichts an diesem Film, und optisch hält man sich dann doch besser an “Son of Frankenstein”. Die Mischung aus Niveau und Naivität funktioniert nicht. Dass zu allem Überfluss auch noch Lon Chaney ohne jede Chance ist, die Leistung Karloffs zu kompensieren, macht die Sache auch nicht viel besser. Freilich ist der Gedanke, ein riesiges Monster trage das Hirn eines kleinen Mädchens, oder ein kleiner Giftzwerg verfrachte seinen eigenen von bösen Gedanken geprägten Denkapparat in eine potenzielle Killermaschine, schon von sich aus bizarr. Der Film intensiviert diesen gruseligen Gedanken aber leider nur unzureichend.