Review

Ähnliche Filme der Vergangenheit des Systems werden oft mit überschwänglichem Pathos oder falscher Übersteigerung von Gefühlen inszeniert. BARBARA ist eine dem Realismus verpflichtete DDR Fluchtgeschichte, die nicht mehr und nicht weniger als den Alltag von Barbara zeigt, der alles andere als spektakulär ist. Der wahre Sturm der Gefühle und Ereignisse findet im Kopf ab, bei ihr wie bei uns Zuschauern. BARBARA steht und fällt mit der Performance von Nina Hoss als Ärztin Barbara. Für mich bewältigt sie die schwierige Aufgabe diese Innenansicht nach außen sichtbar zu machen sehr gut und glaubwürdig.

BARBARA geht es nicht um die große Pose, sondern wie sich die Spannung zwischen Ausreiseabsicht und aktuellem Leben auf den Menschen auswirkt. Nina Hoss bringt diese depressive anmutende Stimmung von Anfang an über die Leinwand. Als Ärztin hilft sie Menschen erfolgreich, aber wer hilft ihr? Geradezu packend ist ihre Körperhaltung und Mimik wenn ihre Wohnung zu x-ten Mal von der Stasi durchsucht wird. Auch die daran anschließende Leibesvisitation die auch an der Körpergrenze nicht halt macht lässt diese Verletzung der maximalen Intimsphäre sehr greifbar machen. Sicherlich wirkt Nina Hoss bis zum Ende hin manchmal ein wenig gleichförmig schmollend und schnutig, aber das sind Kleinigkeiten einer guten Performance.

Unterstützt wird sie von guten Schauspielern in Nebenrollen und einer passenderweise unglaublich zurückhaltender Musik, die in ihrem Minimalismus schon fast an Werke von Michael Haneke erinnert. Aber Regisseur Petzold ist bewusst in jeder Hinsicht der Zurückhaltung verpflichtet. BARBARA rechnet ganz bewusst nicht mit dem Regime ab, es wird nichts überzogen dargestellt, beschönigt oder romantisiert. Diese narrative Haltung spiegelt sich auch in der Wahl völlig unexpressionistischer filmischer Stilmittel und sehr zurückhaltender, aber nicht völlig kalter Stimmungen wieder.

Petzold serviert dem Zuschauer die Geschichte und davon ausgehende Gedankenflüsse nicht auf dem Silbertablett, man ist schon selbst gefordert die erzählerischen Mosaiksteine selbst zusammenzufügen. Diese Radikalität erzeugt aber dennoch einen starken emotionalen Sog den man sich kaum entziehen kann. Es geht im auch nicht um die Frage des Aufbegehrens und der Lösung des Konflikts des Individuums mit dem System, sondern unter anderem eher wie man trotzdem authentisch bleiben kann und ob und wie man mit sich selbst im Reinen ist oder überhaupt im Angesicht der Ungerechtigkeit sein kann.

Ich erspare mir auch deswegen eine kurze Inhaltsangabe, Interessenten des Films werden sich über den Inhalt entsprechend informiert haben und wissen was sie in etwa erwartet. Gestört hat mich noch ein wenig der sehr oft eingesetzte Flüsternton der Dialoge, aber das kann neben den Notwendigkeiten in Bezug auf die jeweilige Szene auch Stilmittel des Regisseurs im Sinne des "nicht laut aussprechens" gewesen sein. Regisseur Christian Petzold steht für ruhige erzählerisch geprägte Dramen, die in den letzten 20 Jahren meines Erachtens viel zu wenig breite Beachtung gefunden haben. Mit Nina Hoss hat er schon mehrere Male erfolgreich zusammengearbeitet.

7,5/10 Punkten

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