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Was nimmt man nicht alles in Kauf, um einen deutschen Film mit interessanter Prämisse zu sichten, denn heutzutage erscheint kaum mehr eine Produktion ohne einen der gefühlten zehn Ochsenknecht Söhne. Jimi Blue bekleidet hier nur eine Nebenrolle und macht seine Sache solide, während Newcomer Paul Falk eine viel zu große Last auferlegt wurde.

In nicht allzu ferner Zukunft wird das Strafgesetzbuch überarbeitet, so dass nunmehr auch Kinder unter vierzehn Jahren für ein Verbrechen verurteilt werden können. Augerechnet der gerade dreizehn Jahre alt gewordene Martin (Paul Falk), Sohn eines Richters (Uwe Ochsenknecht), wird wegen Mordes an einem Jungen angeklagt. Verteidigerin Julia (Ann-Kathrin Kramer) übernimmt den Fall und stößt bei ihren Ermittlungen auf einige Überraschungen…

Das brisante Thema behandelt durchaus ernstes und gleichermaßen diskutables Terrain, denn teilweise werden Kriminelle immer jünger, da sie von den etwas älteren angestiftet werden, die sich der juristischen Defizite bewusst sind. Andererseits sind Kinder leicht zu manipulieren und von daher auch von Erwachsenen als Kriminelle zu instrumentalisieren, was im Falle einer Gesetzesänderung schamlos ausgenutzt werden könnte. Ein heikles Für und Wieder, indem sich auch der Mordprozess im letzten Drittel dreht.

Bis dahin werden die Charaktere recht behutsam eingeführt, nur Hauptfigur Martin gibt einige Rätsel auf. Mit einem IQ von über 150, einem Hang zu uralter Technik und klassischer Musik, seiner undurchsichtigen Freundschaft zum zehn Jahre älteren Taxifahrer Viktor (J.B. Ochsenknecht) und einem Tagebuch per Diktiergerät, weiß man lange nicht, ob der Knabe überhaupt von dieser Welt stammt oder ob es sich um das Jungendportrait von Hannibal Lector handelt. Zumindest erweckt Martin phasenweise den Anschein, als könne er Gedanken seiner Gegenüber lesen, er bedient sich lateinischer Sinnsprüche und lässt einen Kinderpsychologen als Tölpel dastehen.

Auch wenn man sich bei der Frage nach dem wahren Killer nicht sicher sein kann, so wird in Martins Fall zu dick aufgetragen, was Jungmime Paul Falk zuweilen überfordert und mit einer gewissen unnatürlichen Steifheit agieren lässt. Glücklicherweise wird er von einem stark aufspielenden Umfeld begleitet, wie Ann-Kathrin Kramer als durchsetzungsfähige Anwältin, Günther Kaufmann in seiner letzten Rolle als zweifelhafter Zeuge, Udo Schenk als Kommissar und Olaf Krätke als Opa, welche allesamt mit grundsoliden Darbietungen überzeugen können.

Auch wenn Regisseur und Autor Adnan Köse zuweilen etwas schwerfällig erzählt und der an sich wohlklingende Score etwas zu sehr ins Verträumte abgleitet, so ist die Inszenierung handwerklich stimmig, in stilvolle Farbgebung eingebunden und mit einer recht versierten Kamera eingefangen. Nur will er mit seiner Geschichte zu viele Unterpunkte abarbeiten, wie das Trauma durch einen Autounfall, eine verschwiegene Vergewaltigung oder die Sache mit einem entflohenen Psychopathen. Es werden viele menschliche Abgründe angedeutet, zur vollen Entfaltung kommen sie jedoch nur allzu selten.

„Kleine Morde“ liefert alles in allem ein kurzweiliges, zuweilen spannendes und überwiegend gut performtes Justizdrama, welches unter seinen übermäßigen Ambitionen leidet und deshalb zum Teil ein wenig unausgegoren und klischeebeladen wirkt.
Viel Raum zum Mitraten bleibt nicht, doch immerhin gelingen der Erzählung ein paar kleine überraschende Wendungen. Der Streifen beweist immerhin, dass im deutschen Düsterfilm nicht immer gleich Zombies und Splatter vonnöten sind, um hier und da ein wenig zu schockieren und gleichermaßen mit einem gewissen Anspruch zu unterhalten.
6 von 10

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