Es gab und vor allem gibt ja zu so mancher Merkwürdigkeit inzwischen einen abendfüllenden Film, aber manche Kuriositäten muß man trotzdem in Ehren halten - die Filmkomödie "Clue" aka "Alle Mörder sind schon da" ist sicherlich eine davon.
Heutzutage ist es praktisch Marketingstrategie, zu einem geplanten Film ein Videospiel zu entwickeln oder umgekehrt zu einem erfolgreichen Spiel irgendwann auch einen mehr oder minder passenden Film, Filme zu Brettspielen gehören allerdings immer noch zu gern verwandten In-Jokes bei unwahrscheinlichen oder unnötigen PC-Games-Verfilmungen, wie das viel kolportierte "Skat - der Film".
"Clue" jedoch ist wirklich der Film, der auf einem Brettspiel basiert und nicht ein so komplexes wie "Dungeons and Dragons", sondern das auf der ganzen Welt beliebte Detektivspiel "Cluedo" (so der deutsche Name), in dem man ermitteln muß, welcher von sechs Verdächtigen in einem Mordfall um den Grafen Eutin der Täter ist, mit welcher Tatwaffe der Mord geschah und in welchem von neun möglichen Räumen des Schlosses.
Damit folgt das über ein halbes Jahrhundert alte Spiel den klassischen Regeln des Whodunit, wie ihn Krimigrößen a la Agatha Christie groß machten, die Decouvrierung des Täters als ultimative Spiellösung.
Damit macht man natürlich keinen Film und auch wenn man aus den sechs Figuren sechs lebendige Charaktere erschafft, wird daraus trotzdem aus dem Stand erstmal eine recht konventionelle Angelegenheit für Krimifreunde.
Enter John Landis, gefeierter Regisseur in den Mitt-Achtzigern (dem Jahrzehnt!), der zusammen mit dem späteren Regisseur Jonathan Lynn aus der Vorlage eine Story entwickelte, die die Elemente des Spiel beinhaltet, aber sie noch dazu erweitert, bis daraus etwas halbwegs Abendfüllendes wird.
Insofern wurde aus dem grimmigen Mörderspiel nun eine hart an der Grenze zum Ausgeflippten wankende Komödie, die sich zeitweise dermaßen penetrant Neil Simons zwar nicht von der Kritik, aber dafür um so mehr vom Publikum geliebten Filmkomödie "Eine Leiche zum Dessert" von 1975 anlehnt. Überzeichnete Charaktere, alberne Backstorys, jede Menge sexuell motivierter Dialog und vielerlei Slapstick, dazu die üblichen Genreversatzstücke aus Christie's "Ten Little Indians" aka "Zehn kleine Negerlein", das alles wird in die Suppe verrührt, noch dazu vor dem Hintergrund des Verfolgungswahns der Ära "McCarthy".
Ferner fügte man noch den nötigen Spielleiter hinzu, der den sechs gleichmäßig verdächtigen Figuren ein wenig Führung verleihen sollte und schuf den Butler Wadsworth, den ursprünglich u.a. Rowan Atkinson übernehmen sollte, in der fertigen Fassung jedoch von Tim Curry dargestellt wurde. Currys Mischung aus serviler Herablassung und würdevoller Arroganz befeuert die cartoonähnlichen Figuren mit verbalen Spitzen, während zusätzlich ein vollbusiges französisches Hausmädchen namens Yvette (dargestellt von Colleen Camp) für optische Anreize sorgt.
Weil das aber immer noch nicht ausreichte, ließ man also das vermeindliche Mordopfer auftreten und warf in der Folge noch eine ganze Reihe von ergänzenden Nebenfiguren wie einen Cop, einen Autofahrer und ein singendes Telegramm-Mädchen (dargestellt übrigens von Jane Wiedlin, Gitarristin der Girlband "The Go-Go's" in den Topf, die brav weitere Mordopfer zum Verkomplizierung des Falls abgaben.
Was final dabei herauskommt, spricht deutlich dafür, daß der Film an den Kinokassen nur mäßigen Erfolg hatte, jedoch heute als kleiner Kultfilm und "guilty pleasure" gilt: eine ungeheuer überspannte Mischung aus albernen und kriminalistischen Elementen, die sich irgendwo zwischen dem Eskapismus der Marx Brothers und der Screwball-Comedy der 40er auf einen schnellen Drink treffen.
Ungeheuer gestelzte Kurzpaßdialoge heizen die Diskrepanzen zwischen den Figuren immer mehr an, während es um das "Hill House" (ein düsteres Gemäuer, das dem donner- und blitzumrankten Herrenhaus aus "Eine Leiche zum Dessert" manchmal so sehr ähnelt, daß es wirkt, als hätte man Archivmaterial verwandt) kracht und schüttet. Immer wieder ein Toter, dazwischen ranzt man sich an, spielt sich sexuell aufgeheizt die Bälle zu oder hibbelt hysterisch quer durchs Haus, während so nicht nur die Figuren, sondern auch die Zuschauer in die Irre geführt werden sollen.
An einer konventionellen Plotauflösung war dabei jedoch niemand interessiert: weder kann man den Verlauf der Handlung halbwegs verfolgen, noch ist es eigentlich von Interesse, denn für den Fall, daß man von den slapstickeske Blödeleien abgelenkt war, wird das Bisherige in einer theatralischen Posse von Curry alles im letzten Filmdrittel noch einmal rekapituliert.
Curry ist vollkommen von der Leine gelassen und verliert ebenso sehr die Fassung wie seine guten Manieren, je länger der Film dauert und dreht schließlich beinahe komplett ab. Die typische Schematik dieser Kriminalfälle wird einem hier gut vor Augen geführt, weil die Figuren noch dazu Archetypen sind, vom mysteriösen Professor über die Politikergattin bis zu dem zu entlarvenden Homosexuellen.
Das Finale per se spielt den Ball in Richtung des Brettspiels zurück, präsentiert man dem Publikum doch nicht eine, sondern drei Auflösungen der Handlungen - wobei im Kino jeweils immer nur eine Fassung zu sehen war und man in der DVD-Version inzwischen alle drei hintereinander montiert zu Gesicht bekommt (eine vierte wurde gedreht, aber verworfen).
Rückblickend war das möglicherweise ein Fehler, denn gerade die Montage aller Enden zeigt, wie austauschbar und wenig parodierbar das Genre geworden ist, denn jede Fassung ist sowohl in sich schlüssisch wie komplett an den Haaren herbeigezogen, rundet das Geschehen also variabel ab.
Die bleibende Frage dabei ist, inwiefern die Macher mit dieser Verarbeitung von literarischen und filmischen Versatzstücken und einem typischen Brettspiel eine parodistische Unterwanderung der Sehgewohnheiten im Sinn hatten. Denn wirklich glatt goutierbar ist das finale Produkt kaum, immer wieder Tempi-Wechsel, kommen die Jokes extrem schnell hintereinander bar jeden Timings, um dann von längeren Durststrecken abgelöst zu werden. Für Spannung kann kaum gesorgt werden, da die Schematik ständig offensichtlich ist und das Krimimysterium ist in dieser halsbrecherischen Komödienumgebung sowieso kaum ein richtiges Thema, so daß man den Film mehr überstehen muß, denn ihn genießen zu können.
Sollten Lynn und Landis diese Form jedoch "plain funny" gefunden haben, ihn also so komisch präsentierten, wie sie empfanden, ohne größere Hintergedanken, ist der Film zu unausgegoren, zu wechselhaft und nirgendwo richtig hinein passend, eine Kuriosität, die mehr wie ein Spaßprojekt mehrerer Beteiligter wird, das aber mühsam auf die nötige Länge zusammen gealbert wurde.
Andererseits: angesichts der formelhaften Abarbeitung visuell beeindruckend ausgearbeiteter Horror-, Fantasy- und SF-Games, die sich in plattesten Filmklischees erschöpfen, wirkt die Aufbereitung und Neuinterpretation schon wieder fast originell, was vielleicht auch den lang anhaltenden Reiz des Films erklärt.
Der ist jedoch am besten zu genießen, wenn man eine Runde "Cluedo" gerade in großer Runde hinter sich hat (oder auch drei, vier...) und dann mal flott vergleichen möchte, während man noch das eine oder andere Gläschen ausgelassen hinterher schüttet. Und genügend bekannte Gesichter gibts als Draufgabe noch dazu. (6/10)