Die dunkle Seite des Mondes hat schon viele Fantasien angeregt, aber noch intensiver geistert die Nazi-Zeit in den Köpfen weiter, gespalten zwischen dem extremen Schrecken, den diese Menschen verachtende Ideologie verbreitete, und einer Faszination vor deren Symbolik, die auch dank vieler filmischer Werke inzwischen klischeehaft auf wenige, aber prägnante Komponenten reduziert wurde - den Aufrüstungswahn und die damit verbundene Suche nach technischem Fortschritt, die jeden Lebensbereich betreffende Optik, die klaren Hierarchien und den unerschütterlichen Glauben an die eigene Überlegenheit.
Die Lächerlichkeit hinter dieser übertriebenen Ernsthaftigkeit wurde schon 1940 von Charles Chaplin in "Der große Diktator" persifliert, aber die Diskussion, ob ein humorvoller Umgang mit einer Phase, die viele Millionen Menschenleben forderte, angemessen ist, riss seitdem nicht mehr ab. Das das Regisseur und Autor Timo Vuorensola bewusst gewesen sein muss, wird in einer der ersten Szenen des Films deutlich, als die stramm auf Ideologie getrimmte Lehrerin Renate Richter (Julia Dietze) ihrer Klasse einen Ausschnitt aus "Der große Diktator" zeigt, in der Chaplin als Hitler mit der Weltkugel spielt. Für sie handelt es sich um einen 10minütigen Kurzfilm, den sie als positives Andenken an den verstorbenen "Führer" empfindet - die darin verborgene Kritik kann sie ohne den vollständigen Film nicht empfinden.
Es sind diese Details - Anspielungen auf unzählige Filme, Fernsehserien, aber auch reale Vorkommnisse - und das ironische Spiel mit Symbolen und Klischees, die "Iron Sky" zu einem höllischen Vergnügen werden lassen, das ständig zwischen real vorstellbaren Konsequenzen und irrwitzigen Einfällen tendiert. Vourensola bricht die Nazi-Thematik dadurch, das er sie in eine nahe Zukunft - das Jahr 2018 - versetzt. Es kommt zu der Begegnung zwischen einer Gegenwart, in der die us-amerikanische Präsidentin (Stefanie Paul) gerade versucht, wiedergewählt zu werden, und einer Vergangenheit, die auf der dunklen Seite des Mondes konserviert wurde.
Als der Astronaut James Washington (Cristopher Kirby), dessen Mondflug als attraktiver Afro-Amerikaner vor allem die Popularitätswerte seiner Präsidentin fördern sollte, von Soldaten gefangen genommen wird, glaubt er seinen Augen nicht zu trauen - auf dem Mond befindet sich eine Nazi-Kolonie, die in einer riesigen Hakenkreuz förmigen Festung untergebracht ist. Das Leben hier ist ein merkwürdiges Zwitterwesen aus der Bewahrung traditioneller Verhaltensmuster und der Tatsache, dass auch an den Nazis die folgenden gut 70 Jahre nicht spurlos vorbei gegangen sind. So muss der neue Anführer Wolfgang Kortzfleisch (Udo Kier) ständig darauf hinweisen, dass es nicht mehr "Heil Hitler" heißt, die englische Sprache wird bewusst geschult, da es sich um die aktuelle Weltsprache handelt, und man bastelt seit Jahrzehnten an der "Götterdämmerung" , einem monströsen UFO, mit dem die Weltherrschaft übernommen werden soll.
Die Science-Fiction-Optik von "Iron Sky" ist ein unmittelbarer Rückgriff auf die fliegenden Untertassen der 50er Jahre, gleichzeitig futuristisch und altmodisch, denn die Nazi-Technik basiert immer noch auf den Errungenschaften der 40er Jahre, als sie mit ihren UFO's, sogenannten "Reichsscheiben", zum Mond flohen. Timo Vuorensola bleibt aber nicht bei ironischen Reminiszensen, sondern scheut sich auch nicht vor Provokationen, zeigt den offensichtlichen Rassenhass und lässt den Wissenschaftler Doktor Richter (Tilo Prückner), der den Astronauten am liebsten gleich aufschneiden würde, nicht zufällig Albert Einstein ähneln.
Doch vielschichtiger wird "Iron Sky" erst, sobald er die Nazi-Ideologie auf die Gegenwart loslässt. Denn der ehrgeizige Klaus Adler (Götz Otto) sieht sich nicht nicht nur als zukünftiger "Führer", sondern gleich als Weltherrscher, und nimmt deshalb konsequenterweise Kontakt zur us-amerikanischen Präsidentin auf. Deren Beraterin Vivian Wagner (Pita Sergeant) ist nicht nur persönlich von dem selbst ernannten "Herrenmenschen" begeistert, sondern begreift dessen Haltung als ideale Unterstützung des Wahlkampfs ihrer Präsidentin, so das dieser, die Uniform leicht modern angepasst, sogleich ins Wahlkampfteam geholt wird - natürlich mit großem Erfolg.
"Iron Sky" verbindet eine Vielzahl an Genres miteinander, ist einerseits ein klassischer Science-Fiction-Film in der Tradition von "Independence Day", eine ironische Farce über die Mechanismen einer Ideologie, deren Symbolik auch heute noch über ausreichend Faszination verfügt, eine Komödie für Genre-Liebhaber, die sich an den vielen Anspielungen delektieren können, andererseits ein bitterböser Blick auf die Menschheit, der bis zum Schluss keine Idealisierung mehr zulässt, dessen Witz dem Betrachter deshalb ein wenig im Halse stecken bleiben sollte (8,5/10).