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 Wollen wir nicht lange drumherum reden: realistisch ist anders! Aber nun gut, lassen wir uns auf die Geschichte ein. Völlig herzlose Geldeintreiber dringen in das Haus einer recht kaputten Patchwork-Familie ein, um die Kohle ihres Auftraggebers vom Hausherrn - wie genau er an das Geld gekommen ist, wird nicht klar - zurückzuholen. Schnell sehen sich die Stiefgeschwister, ein Junge mit Gewalt-, eine Teenagerin mit Psycho-Problemen, den Bösewichten alleine gegenüber gestellt. Wie gesagt: realistisch ist anders, aber entscheidend kann sein, wie das Ganze umgesetzt wird. Und da hat Steven C. Miller nur teilweise ein gutes Händchen bewiesen.

 Es beginnt mit der Frage, warum dies kein reiner Home-Invasion-Thriller geworden ist, wo doch das Haus so riesig, unterkellert, überdachbodet und mit zahlreichen Durchgangszimmern und Türen versehen ist. Die Möglichkeiten wären unendlich gewesen. Gut, daß das Ganze recht schnell nach draußen verlagert wird und erst zum Finale wieder heimkehrt, ist das gute Recht der Erzähler. Aber weswegen wird das Haus dann so lange und detailliert in seiner Weiträumigkeit präsentiert? Da wird eine Erwartungshaltung aufgebaut, die nicht erfüllt wird, und das empfinde ich nicht als Kniff, sondern als Mangel - der sich manifestiert, indem die Bösen im weiteren Verlauf von der Aggressivität des Jungen erfahren und sogar noch mutmaßen, daß er vielleicht mit ihnen spielen will, daraus jedoch keine Konsequenzen wie Taktikänderung oder so ziehen; dann hätten sie gleich im Unklaren bleiben und nichtsahnend in die Fallen des kleinen Rackers laufen können. Sehr merkwürdig ist übrigens auch, daß die Jagd nach den entlaufenen Kindern nur sehr zäh in Gang kommt.

 Ferner stören zahlreiche (meist unnötige) Erzählmankos, als da wären: Als der große Glatzkopf beim Versuch, in das Zimmer einzudringen, schreit, wird dies im unteren Stockwerk erst vernommen, als es für die Handlung relevant wird. Daß die Lieferantin wegrennt und wie sie es tut, ist nicht nachvollziehbar. Und die Nummer mit der Radkappe, um ein letztes Beispiel zu nennen, ist doch auch recht abwegig; das hätte man auch anders lösen können.

 Um noch einmal auf die Unentschlossenheit des Drehbuchs zu kommen: Warum sticht das Mädchen mal hemmungslos zu, und schreit an anderer Stelle hysterisch herum, so daß es für den Zuschauer schon zu einer echten Prüfung wird? Und im ganzen Film sind ziemlich exakt zwei Lacher eingebaut - nette, trockene Witze, wie ich sagen muß - aber warum nur zwei? Bzw. warum überhaupt? Das paßt einfach irgendwie alles nicht so richtig zusammen.

 Positiv hervorzuheben ist allerdings, daß der Film - trotz aller Logikschwächen und Unrealistischkeiten - fast durchweg spannend ist und es mitunter recht derbe zur Sache geht, was mich zum Fazit bringt: Unterhaltsam ist "The Aggression Scale", ja. Aber mit zu hohen Erwartungen sollte man aufgrund der benannten Mängel und eines nur mit halber Kraft verfaßten und nur mit halber Kraft umgesetzten Drehbuchs nicht an die Sache herangehen. Frei nach dem Motto: Mittelmaß für Mittelspaß!

 Nun noch eine Information für diejenigen, welche den Film bereits gesehen haben oder denen egal ist, wenn sie das Ende vorher kennen: Einen satten Minuspunkt gibt es für das nun wirklich ganz und gar unpassende und haarsträubend schwachsinnige Finale nach dem Finale. Als die beiden nach getaner Arbeit auf der Treppe sitzen, dachte ich noch "Och, jetzt können die beiden ja ein Paar werden und in Teil 2 dann Mickey-und-Mallory-mäßig aufräumen", und dann entblöden sich die Macher nicht, noch ein Ende dranzuhängen, das aus einer trashigen Manga-Verfilmung von Quentin Tarantino stammen könnte. Hätte sich der Film die ganze Zeit so wenig ernst genommen, hätte ich das zwar nicht gut, aber wenigstens konsequent gefunden.

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