Review

Found-Footage-Horror scheint nicht tot zu bekommen zu sein, weshalb uns nun mit V/H/S ein weiterer Vertreter des Subgenres ins Haus steht. Der Clou an V/H/S besteht aber nicht nur darin, dass er eine einigermaßen clevere Kombination aus Episodenhorror und Found-Footage darstellt, was doch mal als willkommene Abwechslung erscheint, sondern vor allem, dass der ganze Streifen im VHS-Look gehalten ist. Sprich: Optisch wirkt alles so als wenn die Macher mit einer kaputten oder lädierten Handkamera zu Werke gewesen wären, ergo: Farbfehler, Störelemente, Rauschen, die ganze Palette dessen, was einen beim Betrachten alter VHS-Bänder eben immer so auf die Palme gebracht hat. Rein optisch handelt es sich bei V/H/S also um ein ziemlich billiges, kaputtes Filmchen in der Qualität eines verschollen geglaubten Videotapes, das man nach Jahren beim Frühjahrsputz hinter der Heizung wieder entdeckt.
Bei jeder Episode zog ein anderes Team bzw. ein anderer Regisseur die Strippen, bei einer sogar Ti West (THE INNKEEPERS, CABIN FEVER 2), doch dazu später mehr.

Die Rahmenhandlung dreht sich um eine Bande randalierender Halbstarken, die leer stehende Häuser mit dem Baseballschläger demoliert, weiblichen Passanten dazu drängt die Möpse zu zeigen und all ihre Freveleien natürlich mit der Videokamera festhält. Eines Nachts brechen sie in ein Haus ein, wo sie auf eine in einem Sessel sitzende Leiche vor flirrendem Fernseher und geheimnisvoller Videosammlung stoßen. Das Begutachten der Tapes stellt dann die Handlung des Films dar.
Verantwortlich hierfür war Regisseur Adam Wingard (A HORRIBLE WAY TO DIE). Die latent aggressive Gruppe von Twentysomethingern erinnert zu Beginn tatsächlich an die wahllos Mordenden aus AUGUST UNDERGROUND oder MORDUM. Wie das bei Rahmenhandlungen aber meistens so ist, bietet sie wenig bis keinen roten Faden und das Ende ist dann auch Müll.

Episode 1, “Amateur Night”, erzählt von einer Bande Männer, die eine ordentliche Sauftour durch die Kneipen ihrer Stadt machen. Um dies dokumentarisch festzuhalten, setzt sich einer der Spezis eine Brille mit integrierter Kamera auf. Auf ihrer Tour lernen sie zwei Mädels kennen, die sie abfüllen und mit aufs Motelzimmer nehmen. Doch eines der Girls scheint nicht das zu sein, was sie scheint…
Definitiv eine der besseren, wenn nicht gar die beste Geschichte aus der Kompilation. Auf dem Regiestuhl saß hier David Bruckner (THE SIGNAL, DEAD SURVIVORS). Geboten werden gute und blutige FX, eine trickreiche Story, ein netter Showdown und ein Gargoyles-ähnliches Monsterviech - im Grunde alles, was man von einer Horror-Shorty erwarten kann.
7-8/10

Bei Episode 2 namens “Second Honeymoon” saß Regisseur Ti West (CABIN FEVER 2, HOUSE OF THE DEVIL) an den Schaltknöpfen. Ein junges Ehepaar flittert beim Grand Canyon und Umgebung. Des Nachts filmt ein Unbekannter das Pärchen im Schlaf, streichelt sie mit dem Klappmesser und hält seine Zahnbürste ins Klo.
Das Filmchen bietet einigermaßen Spannung, der finale Twist ist ganz nett, ansonsten aber nicht sonderlich erwähnenswert. Schäm dich, Ti!
5/10

Wackelfilmchen Nr. 3, “Tuesday the 17th”, ist ein cooler Found-Footage-Slasher um eine Gruppe Jugendlicher, die Urlaub in den Wäldern macht, dann aber den Schauplatz eines Jahre zurückliegenden Amoklaufes betritt, was ruhende Geister weckt.
Regie führte hier Glenn McQuaid (I SELL THE DEAD). “Tuesday the 17th ist spannend und ziemlich brutal. Die Störelemente liefern blutige Halluzinationen. Top!
7/10

“The Sick Thing That Happened To Emily When She Was Younger” ist ein interessanter, im Endeffekt aber nicht ganz zündender Beitrag. Das Filmchen besteht aus mehreren SKYPE-Unterhaltungen von zwei Freunden, also einem Er und einer Sie. Sie berichtet von unheimlichen Vorkommnissen und Erscheinungen in ihrer Wohnung. Er wird Zeuge wie sie des Nachts heimgesucht wird.
Naja, geht so – 5/10.

“10/31/98”: Wie der Titel schon verrät, spielt die letzte Episode an Halloween. Ein paar Freunde geraten auf der Suche nach einer Hausparty in ein waschechtes Geisterhaus, in dem es nicht nur spukt, sondern auf dem Dachboden auch seltsame Rituale abgehalten werden.
Saufkumpanen, die kreischen wie Waschweiber: leider ziemlicher Mist – 3/10.

So, Ende Gelände! Unterm Strich bietet V/H/S ein paar ganz gute und mehrere durchwachsene Beiträge von einigermaßen namhaften Jungregisseuren. Auszeichnen tut sich die Kompilation aber weder durch Gore noch durch Thrill, sondern durch die kaputte Videotape-Optik, die tatsächlich Erinnerungen an demolierte Werke wie VIOLENT SHIT, AUGUST UNDERGROUND, THE GATEWAY MEAT, FETUS, vor allem aber an alte Zeiten wach werden lässt, in denen die rauschigste, abgedunkelste VHS-Kopie von BRAINDEAD oder TEXAS CHAINSAW MASSACRE immer noch das Nonplusultra darstellte. Bildfehler und Störelemente, die die geilsten Blut-FX überdecken, ja quasi zensieren, davon kann V/H/S ein Liedchen singen, was man wohl auch als kleine Hommage an die Ära der klobigen Kassetten werten kann.
Was das Sehvergnügen bei V/H/S leider deutlich schmälert, ist seine Laufzeit von beinahe zwei Stunden. Ergo zwei Stunden Wackeloptik und Pixelbrei – das führt unweigerlich zu Kopfschmerzen und Augenkrebs.

Fazit:
BLAIR WITCH goes Splattertrash! Ganz nett und ein ansehnliches Beispiel dafür, das man auch mit billigen Mitteln etwas Brauchbares zaubern kann. CLOVERFIELD und PARANORMAL ACTIVITY sind aber natürlich in weiter Ferne.

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