Manche Schauspieler sind ein bißchen wie die gemütlichen Hausschuhe, die man seit Jahren trägt, zwar schon etwas abgenutzt an der Sohle und ausgetreten, aber so gemütlich wie verläßlich daheim in der Ecke wartend.
So kann es dem Zuschauer auch mit Denzel Washington gehen, der seit Jahren einsam seine Kreise als kassenträchtiger männlicher farbiger Superstar in der Midlevelzone zwischen alten Hasen wie Jackson und Freeman und jungen Wilden wie Will Smith zieht.
Washington ist das unbestreitbare Zentrum seiner Filme, dominant, ausdrucksstark und sympathisch - und selbst wenn er mal den Bösen gibt, dann hat das immer noch einen zwiespältigen Reiz, denn zumeist findet sich doch noch eine bewundernswerte oder liebenswerte Seite an seiner Figur. Allerdings bringt das ein Dilemma mit sich, denn Überraschungen sind da kaum noch möglich und Experimenten als Nebendarsteller in kontroverseren Filmen ist der Mann eher abgeneigt, Washington spielt, und das kann er sich leisten, zumeist auf Sicherheit. Kein Wunder, bei zwei Oscars auf dem Kaminsims.
Brav liefert er seine ein bis zwei Filme pro Jahr ab, hier und da ein Drama, öfter ein Thriller, Krimi oder ein Actioner, solange die nicht mehr fernen 60 Lebensjahre diese Rollen nicht beeinflußen. Und der Schotter klingelt regelmäßig in der Kasse, denn der Charakterdarsteller ist inzwischen ein "bankable star", bei dem man solide Arbeit nicht mehr erhofft, sondern erwartet.
So wirkt denn "Safe House", der erste Film seit dem 2010er-Doppelschlag mit "Unstoppable" und "Book of Eli" auch wie eine robuste, aber routinierte Heimkehr zu guten, alten Gewohnheiten. Es gibt Action, Tempo, Drama und viele schnelle Schnitte, nur ist in diesem Fall mal nicht Tony Scott der Mann hinter dem optischen Gewitter, sondern Daniel Espinosa.
Washington hat sich mal wieder für den "bad guy" entschieden und wenn das so ist, braucht er stets ein dramaturgisches Gegengewicht, das er zuletzt in "Training Day" in Ethan Hawke hatte. Bei "Safe House" übernimmt den Rookie (denn anders als erfahren und mit allen Wassern gewaschen geht auch Washington keinen "bad guy" an) Ryan Reynolds, der sich als gelangweilter Verwalter des titelgebenden CIA-Unterschlupfs in Kapstadt nach einer richtigen Karriere sehnt und binnen 24 Stunden mehr davon bekommt, als ihm lieb ist. Denn mit Tobin Frost, seines Zeichens einer der meistgesuchten Männer der Welt, der überall geheime Daten ge- und verkauft hat, hat er alsbald ein arges Problem an der Backe.
Frost hat sich nämlich aus der puren Not, von einem zum allem entschlossenen Killerkommando verfolgt, in die Hände der Amerikaner begeben und die wollen natürlich jetzt ihren Gefangenen ausquetschen, notfalls mit "water boarding", was jedem im Publikum klar macht, das es in der Folge keine Guten und Bösen geben wird.
Alsbald wird das Haus gestürmt, alle sind tot und der ungeübte Agent Matt Weston ist mit dem gefährlichsten Mann der Welt auf der Flucht, der dem Neuling natürlich stiften gehen will.
Also Washington gegen Reynolds, die Killer gegen Washington und ein Verräter aus den eigenen Reihen gegen alle, das genügt für eine 115minütige Hatz durch Südafrikas Metropolen, mit körbeweisen Autoverfolgungsjagden, Blechschäden, Leichen und Mano-a-mano-Kämpfen ums nackte Überleben.
Wenn das jetzt leicht ermüdet klingt, dann liegt das daran, daß "Safe House" zwar solides und flottes Handwerk ist, aber eigentlich keine einzige wirklich neue Idee verkauft. Espinosa hängt sich in diesen Big-Budget-Regiejob nach Kräften rein, aber wirkliches Charakterkino ist bei dieser Konstellation natürlich nicht zu erwarten. Washington spielt eine seiner typischen Figuren, die immer sehr selbstsicher und etwas überheblich sind, bei denen man aber stets weiß, daß sie sich diese Arroganz auch leisten können. Reynolds ist die erwartbar noch formbare Newbie-Masse, die sich als findig und hartnäckig erweisen muß und der Verräter ist so offensichtlich, das sowieso nur zwei Personen dafür in Frage kommen: Vera Farmiga oder Brendan Gleeson, die als Vorgesetzte von Weston locker die Karriereantipoden abspulen.
Optisch hat die Chose für Actionfans durchaus ihren Reiz, allerdings kopiert man hier munter den körnigen Look der Tony-Scott-Erfolge, gepaart mit der hektischen Schnittweise der Bourne-Trilogie. Ruhe gibt es wenig, stattdessen hangelt man sich von Actionset zu Actionset. Von der eingehenden Verfolgungsjagd durch die Stadt zur Erstürmung des Hauses, dann gleich weiter rein in eine ausgedehnte Verfolgungsjagd. Von da aus mischt man ein Fußballstadium auf (auch wenn hier den Amis der elementare Sportfehler unterläuft, das vor einem Fußballstadion nicht Tausende von Menschen rumlaufen, wenn das Spiel schon läuft), zerschreddert einen halben Township und trifft sich, wie könnte es in Afrika anders sein, zum Showdown auf einer Farm in der sonnendurchglühten Wildnis. Fehlt bloß noch ein Elefant.
Für Anhänger dieser rasanten Werke ist "Safe House" also weißgott gelungen, nicht zu soft, nicht zu hart und mit jeder Menge schöner Sachen, die man kaputtmachen kann. Allein der Plot ist ein wenig dröge und vorhersehbar, der Schlußgag aus einem "John-Carpenter"-Klassiker geklaut und wenn ich noch eine Hollywoodflucht eines Protagonisten sehe, die innerhalb einer Großstadt durch eine Parade oder Demonstration begünstigt wird, fange ich vermutlich an, in mein Popcorn zu schreien.
Doch die Darsteller sind motiviert, das Tempo reisst die einsetzende mentale Ödnis davon und da jeder hier etwas Dreck am Stecken hat, ist auch nicht alles blankpoliert am guten Schluß. So können am Ende alle zufrieden sein, außer diejenigen, die sich am nächsten Morgen etwas mit einer längeren Halbwertzeit von so guten Schauspielern wünschen. (6/10)