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Mit „Excision“, der Langversion seines Kurzfilms aus dem Jahr 2008, setzte Richard Bates Jr. sein Spielfilmdebüt um und wurde zu einer Art Experte für Horrorfilme der etwas anderen Art.
Wobei die reine Titulierung als Horrorfilm „Excision“ nicht gerecht wird. Er ist auch Coming-of-Age-Teenfilm und Psychodrama, garniert mit psychedelischen bis arthousigen Einschüben. Hauptfigur ist die 18 Jahre alte Schülerin Pauline (AnnaLynne McCord), die es nicht gerade einfach hat: Sie ist eine Außenseiterin mit ungepflegtem Äußeren, die daheim unter ihrer herrischen wie streng religiösen Mutter Phyllis (Traci Lords) leidet. Ihr Vater Bob (Roger Bart) hat resigniert und nickt jedes Wort der Gattin ab, ihre jüngere Schwester Grace (Ariel Winter) leidet an Mukoviszidose, die ihre Lungen angreift, weshalb sie schwächelt und ein Spenderorgan braucht. Ähnlichkeiten zu der Grundsituation des Genreklassiker „Carrie“ sind frappierend und sicher auch gewollt, denn „Excision“ spielt mit den Grundpfeilern seiner verschiedenen Genres.
Auch Paulines Psyche scheint nicht die allerklarste zu sein, aber wer will ihr das bei den Umständen verübeln? Und so geht Pauline, von Visionen geplagt und von ihrer Umwelt angefeindet, ihren eigenen Weg, der ihr verschiedene Ziele ermöglichen soll, vom Verlust zum der lästigen Jungfräulichkeit bis hin zum ersehnten Medizinstudium…

„Excision“ ist ein Film, der wenig äußere Handlung besitzt und phasenweise einfach nur verschiedenen Stationen in Paulines Alltag und Leben bebildert: Die eskalierenden Streitigkeiten mit allen Institution, mögen es das Elternhaus, die Schule oder die Kirche sein, die stärker werdenden Psychosen, die Erarbeitung und Ausführung verschiedener Pläne. Erst im letzten Drittel laufen die Fäden dieser Psychostudie wirklich zusammen bzw. konzentriert sich Regisseur und Drehbuchautor Bates Jr. auf einen davon, das aber mit großer Konsequenz: In dieser Phase ist dem Zuschauer klar, wie das Ganze enden wird bzw. muss, was die Sache so unangenehm macht. Denn im Gegensatz zur Hauptfigur weiß das Publikum um die Konsequenzen ihres Handelns, weiß von den Fehlern des Plans, und muss doch ohne Möglichkeit der Intervention den Weg bis zur Katastrophe mitverfolgen.
Dabei beweist „Excision“ ein eigenwillige, aber doch ausgewogene wie funktionierende Mischung aus Dramatik und schwarzem Humor. Letzterer schlägt sich schon im Casting nieder. Allen voran Traci Lords und John Waters werden gallig gegen den Strich besetzt: Die ehemalige Pornoqueen als religiös-konservative Hardlinerin, der Bürgerschreck und Skandalregisseur als Priester. Beide spielen das mit diebischer Freude, während auch die Hauptrolle nach einem ähnlichen Schema gecastet wurde: Schauspielerin AnnaLynne McCord startete ihre Karriere als Model, ist hier aber als Außenseiterin mit Pickeln, Herpes und fettigen Haaren zu sehen. Sie trägt den Film als psychotische Protagonistin, der man mit einer Mischung aus Faszination, Sympathie und Abscheu folgt. Malcom McDowell und Ray Wise als Mathelehrer und Schuldirektor sind weitere bekannte Namen, Rogert Bart und Ariel Winter vervollständige Paulines Kernfamilie überzeugend.
Meist bleibt „Excision“ eng dran an der Hauptfigur, zu der eine Positionierung schwerfällt. Einerseits hegt man eine gewisse Grundsympathie, da sie als Protagonistin die Figur ist, der man den Film über folgt und durch deren Augen man das Geschehen erlebt. Außerdem verkörpert Pauline auf schwarzhumorige Weise die Rache an bigotten Autoritätspersonen und am rigiden Klassensystem der Highschool – beide torpediert sie auf ihre ganze eigene, oft Grenzen überschreitende Weise, bei der öfter mal diverse Körperflüssigkeiten im Spiel sind. Andrerseits schießen ihre Aktionen öfter über das Ziel hinaus, sind nicht mehr ausgleichend, sondern regelrecht gemein oder niederträchtig. Und vor allem merkt man, dass das vielleicht alles nicht die Rache eines missverstandenen Genies ist. Sondern dass Pauline sich eventuell für brillanter hält als sie tatsächlich ist. Dass sie an manchem vielleicht auch die Schuld trägt. Und dass sie ihren Paria-Status zu einem gewissen Grad genießt und selbst fördert.

Damit bürstet Bates Jr. diverse Stereotypen des Teenfilms gegen den Strich. Nicht jeder, der zum Freak abgestempelt wird, ist automatisch ein verkanntes Genie, das durch eine Glanztat seine Größe beweisen kann. Und trotz der Wahl der Hauptdarstellerin gibt es keine Szene, in der sich die Attraktivität der Protagonistin durch ein Make-Over offenbart – Pauline bleibt bis zum Schluss das hässliche Entlein. Die gegenseitige Anerkennung von Eltern und Kind findet ebenso wenig statt wie eine Annäherung an die Klassenkameraden. Auch der Sportstar, an den Pauline ihre Jungfräulichkeit verlieren will, hat kein Herz aus Gold: Er will Pauline ausnutzen, muss aber auf drastische Weise feststellen, dass er es ist, der dabei ausgenutzt wird.
Denn dies ist eine Szene, in der Paulines Phantasien gewissermaßen Wirklichkeit werden. Und im Gegensatz zum Jock weiß der Zuschauer ziemlich genau, wie diese aussehen. Mit einer Mischung aus Exploitation-Gesudel und Arthouse-Ästhetik kann man Pauline dabei zuschauen, wie es in ihrer Phantasie mit Leichen treibt, den eigenen Kopf in der Hand hält oder sich zur Blutgräfin Bathory erhebt (auf rabenschwarze Weise der einzige Moment, in dem das hässliche Entlein tatsächlich mal wirklich herausgeputzt erscheint). Das hat manchmal etwas Selbstzweckhaftes, wenn „Excision“ in Dekors und Körperflüssigkeiten schwelgt, ist aber auch ein faszinierender Einblick in eine gestörte Psyche: „Excision“ ist ein Film, der etwas visuell verdeutlicht, nicht verbal erklärt. Vor allem markieren diese Szenen einen Kontrast: Während die wenigen drastischen, aber durchaus ekligen Momente in der Filmrealität nicht ausgespielt werden (etwa das Spielen mit einem toten Vogel oder die Schlusssequenz), da sind Paulines Phantasien explizit und verstörend.

Insofern ist „Excision“ ein echtes Unikat, das mit Genres wie dem Coming-of-Age-Film und Teenhorror spielt, vor allem als visuell starker Einblick in eine gequälte bis verstörte Psyche stört. Rabenschwarz werden zudem Institutionen wie Familie, Schule und Kirche angegriffen, wenngleich auf der Handlungsebene weniger los ist: Das Geschehen ist überschaubar, das Ende irgendwann abzusehen, wobei die Konsequenz, mit der „Excision“ darauf zuläuft, den Zuschauer auf unangenehme Weise fesselt.

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