Basierend auf seinem gleichnamigen 2008er Kurzfilm präsentiert uns Regisseur Richard Bates Jr. mit seinem Langfilm EXCISION für mich eine der positivsten Überraschungen des noch gar nicht sooo alten Filmjahres. Zumindest für Freunde des hartgesottenen Kinos. Im Gewand einer äußerst kruden Psychostudie und einer überragenden AnnaLyne McCord als Hauptfigur Pauline, wird der Begriff filmischer Zynismus und auch der Zuschauer auf eine Probe gestellt. EXCISION wird natürlich wieder sehr polarisieren, ich hoffe aber, dass er viele Freunde findet. Er hätte es verdient.
Wie sehr Sehgewohnheiten strapaziert werden in diesem bildgewaltigen Werk um das Erwachsenwerden und die Verwirrung der Hormone in einem jungen Körper, und wie dies in Filmbilder gepackt wird ist erstaunlich und hat manchmal sogar suggestive Kraft. Was die soziopathische Pauline dabei in der Rebellion gegen ihre konservative Mutter und Familie, in dem Wunsch nach einem ersehnten Medizinstudium und vor allem in ihren abwechselnd freakigen und erotisch-grotesken Traumwelten und in der Realität erlebt, spottet jeder Beschreibung.
Allen Akteuren kann man eine gute Leistung bescheinigen und neben der überragenden AnnaLyne McCord kann auch Traci Lords als charakterfähige Schauspielerin als religiös-konservative Mutter brillieren und alleine diese Besetzung - 100% konträr zu ihrem sonstigen Image – zeugt von einer guten Menge Sarkasmus, in dem es in EXCISION nur so wimmelt. Die äußerliche Verwandlung der sonst recht attraktiven Schauspielerin AnnaLyne McCord in den pickeligen Teenie Pauline, ist nicht nur einer unglaublich guten Maske geschuldet, sie versteht es auch, diesen Look in jeder Szene durch ihre Haltung und Mimik perfekt zu unterstützen.
EXCISION ist zwar nicht perfekt, die Synchronisation ist nicht optimal und es gibt ein paar auch flache Gags zu vermelden, hier und da wirkt eine Szene etwas vordergründig bemüht provokant und “shocking“. Aber das tritt in den Hintergrund eines sonst so vielschichtigen Films, der erfolgreich psychologisches Arthouse Kino mit dem Exploitation- und Horror-Genre verknüpft. EXCISION ist aus meiner Sicht kein Blender in der Nutzung dieser diversen schockierenden Stilmittel, dafür ist er psychologisch zu vielschichtig und erzeugt erfolgreich eine den Zuschauer verstörende Identifikation mit der Hauptfigur.
Es wimmelt nur so von schrecklich schönen ekelhaften Szenen und vor gröbsten Verletzungen, Köpfen am falschen Platz und auch vor kleinen Ausweidungen wird nicht haltgemacht. Und so gibt es auch andere kleine Grenzüberschreitungen. Neben den kleinen nicht selbstzweckhaften Splatterszenen gibt es auch - für einen US-Film recht ungewöhnlich - offene Sexszenen und es findet sich sogar auch einmal eine kleine Nacktschnecke im Bild und fügt sich einfach als kurze realistische Einlage zu der Szene wie selbstverständlich hinzu.
Für mich ist EXCISION eine Hommage an den großen John Waters (u.a. PINK FLAMINGOS, POLYESTER, HAIRSPRAY) und EXCISION wirkt wie ein Werk von ihm, mit der Technik und den Produktionsmitteln von heute realisiert. Wahrscheinlich kennen ihn leider nur 5% der Seher dieses Films. In seiner Zeit der Midnight-Movies in den 70ern, die oft jahrelange in den Nachtvorstellungen in New York am Broadway liefen, wäre EXCISION ein Anwärter auf einen ebensolchen Dauerbrenner gewesen. Wenn auch in ganz anderem Kontext.
EXCISION legt es auch auf diesen Kultstatus an, denn mit u.a. Malcolm McDowell (u.a. CLOCKWORK ORANGE), Traci Lords (weltbekannte Porno-Ikone der 80er), Ray Wise (u.a. TWIN PEAKS) und dem schon genannten John Waters hat der Film schon mal entsprechende Zutaten parat. Perfekterweise hat natürlich John Waters auch eine kleine Rolle als Priester im Film. Somit kann ich EXCISION nur 100%ig für alle Freunde des gepflegten Horrors und “Kino Kontrovers“-Ästhetik empfehlen. Mehr als das. Es ist ein Pflichtprogramm!
9/10 sezierten Vögelchen....äh,....Punkten