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Erster Gedanke: Nicht schon wieder diese unsägliche Handkamera! Wenn auch mittlerweile serienmäßig HD, unter Umständen auch 3D, - in letzter Zeit haben die meisten Filme eher unter diesem ausgelutschten Konzept gelitten, als zum Erfolg desselbigen beizutragen.
Doch siehe da: Der gerade mal 27-jährige Regisseur Josh Trank nutzt genau diese visuelle Spielart effektiv aus, um sie zum ferngesteuerten Auge des vermeintlichen Superhelden umzufunktionieren.

Der Schüler Andrew hat sich also eine Kamera besorgt und filmt fortan alles und jeden.
Als er mit seinem Cousin Matt und dessen Kumpel Steve auf ein Loch im Wald trifft und man die Schneise unter der Erde untersucht, ist vorerst nichts festzustellen, doch dann entdecken die drei telekinetische Fähigkeiten an sich, was sie zunehmend dazu verführt, ihre Kräfte zu missbrauchen…

Tatsächlich nervt die Handkamera nur recht selten, da einerseits ein überlegt agierender Profi am Werk ist und die Bilder selten verwackelt sind, zudem wird sie zusehends variabler eingesetzt, denn Andrew kann die Kamera auch über, neben oder unter sich schweben lassen, was recht hilfreich ist, als die drei Freunde irgendwann über den Wolken turnen und sich einen Rugbyball zuspielen oder am Rande eines Hochhausdaches sitzen.

Zwar ist Andrews Figurenzeichnung etwas plakativ ausgefallen, um ihn anhand kranker Mutter und aggressiven, saufenden Vater zum leicht labilen Außenseiter abzustempeln, doch für die Figurenentwicklung reicht das noch soeben aus. Ohnehin hat der Streifen in der ausgewogenen Mischung humorvoller Action und einer Portion Teenager-Drama seine recht unterhaltsamen Seiten, denn ein wenig Coming-of-Age mit kleinen nachdenklichen Einschüben führt dazu, den charmanten Schabernack der drei Jungs nicht als kompletten Klamauk abzustempeln.

Jene Streiche machen besonders auf der visuellen Seite Spaß, führen jedoch auch dazu, die Hauptfiguren lieb zu gewinnen, denn die Freude über die frisch gewonnenen Fähigkeiten ist in jeder Hinsicht nachvollziehbar.
So wird ein Teddy im Spielzeugladen aus dem Regal bewegt, der PKW einer Dame während ihres Einkaufs kurzerhand „umgeparkt“, während der schüchterne Andrew von Steve überredet wird, beim Talentwettbewerb teilzunehmen, wo man balanciert und jongliert und erkennen muss, dass Erfolg auch Neid schüren kann.

Zum Finale wird dann der ganz große Knall auf die Zuschauer losgelassen, als Teile von Seattle geplättet werden, halbe Häuser einstürzen, Autos zu Wurfgeschossen umfunktioniert werden und der Found-Footage-Stil insofern noch funktioniert, als dass die Szenerie vom Heli aus, mit Smartphones oder einer weiteren mitgeführten Handkamera festgehalten wird.
Leider werden die bis dato eher bodenständigen Zwischentöne verlassen und kurzfristig auf hollywoodesken Bombast gesetzt, doch die letzten Bilder versöhnen diesbezüglich wieder.

„Chronicle“ setzt eine ohnehin schon interessante Prämisse in jedem Moment unterhaltsam um, punktet mit sympathischen Figuren, lustigen Einschüben und sehenswerter Tricktechnik, versorgt den Betrachter mit einer gesunden Mischung aus Action und Drama und kaschiert recht geschickt erzählerische Mankos und inhaltliche Patzer, indem er mit konstant hohem Erzähltempo auf ein wuchtig in Szene gesetztes Finale hinsteuert.
Absolut sehenswert, vor allem auf der großen Leinwand,
7,5 von 10

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