Der deutsche Klatschreporter Paul reist nach Moskau, um dort einen Job bei einem Promi-Magazin anzunehmen: Er soll etwas Pep in die Partykolumnen bringen. Er lernt die Moskauer Nachtwelt kennen, die Frauen, den Wodka, und die hübsche Katja. Die lernt er deswegen kennen, weil vor seinen Augen ein bekannter Investigativjournalist erschossen wird. Doch Katja scheint nicht ganz das zu sein was sie vorgibt, und nach einer Party schnappt sie sich einen Rucksack und stürmt in die Metrostation – welche daraufhin in einer riesigen Explosion pulverisiert wird. Paul wird als Terrorist verhaftet und kommt ins Gefängnis. In ein russisches Gefängnis, wohlgemerkt! Eine ganz andere Welt als bisher: Vor allem die inhaftierten tschetschenischen Terroristen, die offensichtlich seinen Vater kannten, welcher ebenfalls bis zu seinem Unfalltod ein kritischer Journalist war, vor allem diese sogenannten Terroristen sind ein Völkchen für sich. Die Probleme fangen aber dann erst richtig an, als Paul vom Geheimdienst ermordet werden soll und flüchten kann …
Dennis Gansel hatte schon immer in Händchen für die leicht seltsamen Politstoffe. Die Stories, die ein klein wenig anders klingen als die Tagesnachrichten: DIE WELLE zeigt wie leicht auch angeblich aufgeklärte Menschen heute (politisch) zu manipulieren sind, DAS PHANTOM erzählt die Geschichte der dritten RAF-Generation (Muhaha), und NAPOLA schildert die Welt der Eliteschulen der NSDAP. DIE VIERTE MACHT passt gut in dieses Schema und zeigt Gansels Stärken und Schwächen gleichzeitig auf: Gute Stoffe mit politischem Hintergrund, nicht konsequent und widerborstig genug umgesetzt. Pauls Odyssee durch das Moskau der Hinterhöfe und Terroristen ist herrlich monochrom-schmutzig und mit einem Auge für gute Optiken umgesetzt, das Casting ist eine Wucht (allein Reiner Schöne als Geheimdienst-Offizier ist den Film schon wert, genauso wie Rade „Boris die Klinge“ Serbedzija als Presse-Zar), und Moritz Bleibtreu ist wie gewohnt erstklassig, überzeugend, echt, was immer man auch will. Aber je mehr Paul in die Tiefen moderner (?) Politik gerät, desto mehr verflacht der Schwung des Films und desto biederer wird alles. Die Kernaussage, Machiavellis "Um die Machtausübung zu bewahren, ist es notwendig, sich zu gewissen Zeiten des Terrors zu bedienen", wird eloquent und düster bebildert, aber eben nicht bis zur letzten Konsequenz. Das war in DAS PHANTOM zwar etwas stärker zu spüren (vielleicht auch weil es da um Deutschland ging, was einem als Deutschen natürlich etwas näher steht denn Russland), aber auch hier wurde Gansel für meinen persönlichen Geschmack nicht deutlich genug in seinen Ausführungen. Da lobe ich mir Oliver Stones JFK, der in aller Klarheit mit dem Finger in eine Richtung zeigt, die dann viele zwar als Erfindung betiteln können, aber Stone bezieht zumindest Stellung. Bei Gansel hingegen, bei allen formalen Stärken die er hat, habe ich immer das Gefühl dass er Angst vor der eigenen Courage hat.
Nichtsdestotrotz ist DIE VIERTE MACHT ein spannender und düsterer Thriller mit tollen Bildern und ebenso tollen Schauspielern. Und auch wenn es ab der Hälfte ruhiger wird, und auch wenn der alternative Schluss meines Erachtens bessere gewesen wäre, so ist das durchaus ein Film der öfters mal in meinem Player landen wird. Weil er unterhält, weil er Spaß macht, und weil er zum Denken anregt. Könnte ich davon bitte eine Version mit einer FSK 18 bekommen, Herr Gansel?