Review
von Leimbacher-Mario
Neugier küsst Angst
Welchen Hitchcockfilm zeige ich meiner neuen Freundin als erstes? Auf diese Frage gab es vor ein paar Jahren eine eindeutige Antwort: "Rear Window"! Selten war der Meister der Spannung mehr auf den Punkt. Ein Set, ein Plot, ein langer Schock. Simpel und nahezu perfekt ist dieser sympathische Peeping Tom-Thriller, in dem ein Fotograf mit Gipsbein seine Nachbarn durch das berühmte Fenster zum Hof beobachtet - und dabei womöglich einem Mörder auf die Schliche kommt... Hitchcock gibt es in spannender ("Psycho"), Hitchcock gibt es in edler ("Über den Dächern von Nizza"), Hitchcock gibt es in spektakulärer ("North By Northwest"), in komplexer ("Vertigo") und ihn gibt es in klassischer ("Rebecca") - doch besser als in "Das Fenster zum Hof" wurde der Ausnahmeregisseur vielleicht nie. Kniffe, Konzept, Kontrolle - der Suspenseexperte spielt hier alle seine Karten wie ein echter Meister, nein, wie ein Filmgott. Kennst du deine Nachbarn?
"Rear Window" ist einer dieser Filme, die nicht alt werden. Und wenn, dann altert er in prachtvoller Würde. Keines seiner Remakes kommt auch nur annähernd an ihn heran, der Slowburn-Thriller wirkt nahezu makellos. James Stewart als charmanter Spanner wird unweigerlich zum Sympathieträger und seine Neugier kann jeder nachvollziehen. Nur warum er Grace Kelly nicht heiraten will, eher nicht. Das Ganze ist wie ein Autounfall - man kommt kaum umher einen Blick zu erhaschen, zu riskieren. Man genießt den Nervenkitzel. "Rear Window" ist klassisches Studiokino mit modernem Touch, ein Thriller voller Spannung und doch einer gewissen Lockerheit und Spielfreude. Hitchcock ist voll in seinem Element, keine Sekunde oder Einstellung ist verschenkt und man lässt sich gerne leiten, verführen, lenken, täuschen. "Rear Window" ist fest in meiner Hitch-Top-3 verankert und ich könnte ihn mir gefühlt monatlich angucken, ohne dass er je etwas von seiner Magie und seiner Kraft verliert.
Fazit: eine der zugänglichsten und geschliffensten Hitchcock-Perlen - spannendes Spannen, voyeuristisches Vexierspeil, nette (fehlerhafte) Figuren, eine blendend schöne Grace Kelly und vor allem eine gnadenlos gute Regie! Geradlinig und genial!