Neben dem ganzen Serienhype, der gerade weltweit tobt und uns Formate im Superlativ kredenzt was Budget, gestalterischen Freiraum und große Namen angeht, wirken deutsche Serien oftmals kläglich verloren. Natürlich sind die hiesigen Budgets kleiner, die Namen international unbedeutend und die Freiräume meist enger gesteckt.
Was hat man nicht an seelischer Folter und Körperverletzungen über sich ergehen lassen müssen! Und ich meine nicht nur die "Schwarzwaldklinik", die ja immerhin Gert Fröbes letzten Auftritt im Repertoire hat. Ich meine vor allem den privaten Kasperkram, der sich da Serie schimpft und sorgfältig von jeglicher Intelligenz bereinigt wurde. "Alarm für Cobra-11", diese Sachen mit Atze Schröder oder Jochen Busse etc.
Umso dankbarer ist man, wenn man feststellt, dass es durchaus einen Haufen an kreativen und talentierten Menschen gibt, die obendrein auch noch die Chance erhalten, ihr Talent der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Auch wenn zunächst immer sehr wenig Vertrauen seitens der Rundfunkanstalten in diese Produktionen gesteckt wird, wie man an den Sendeterminen und-plätzen erkennen konnte.
Aber: Wofür zahle ich denn GEZ? Für den "Musikantenstadtl"? Etwa für "Rosamunde Pilcher"-Verwurstelungen? Irgendeine Soko mit Schauspieler-Resterampe? Oder gar das ganze Internet, wie man ja zu glauben scheint?
Mit "Der Tatortreiniger" hat es das öffentlich-rechtliche Fernsehen das erste Mal geschafft, ein Format in die Fernsehlandschaft zu pflanzen, das qualitativ den Ansprüchen einer solchen Institution im Unterhaltungsbereich gerecht wird.
Ja, Loriot ist tot, Otto Waalkes macht seit über dreißig Jahren die gleichen Witze, Hape Kerkeling hatte seit seinen amüsanten Kostümparaden vor geschätzt 25 Jahren an Schmiss verloren und so etwas wie Monty Python hat es in Deutschland nie geben können. Über Fips Asmussen muss hier nichts gesagt werden. Der Humor ist ein verdörrtes Pflänzchen in deutschen Landen. Fernsehen gibt es nicht mehr.
Stattdessen habe ich über eine lausige Voodoopuppe Tag für Tag versucht, uns von den Mario Barths dieser Welt zu befreien, die dafür verantwortlich waren, dass beim Griff zur Fernbedienung stets ein Peinlichkeitstrauma aufbrach. Kurz: Die deutsche Komödie war eigentlich ein Grund dafür, Asylrecht in jedem anderen Staat der Welt beantragen zu können.
Aber "Der Tatortreiniger" ist gut. Die Serie hat gut geschriebene Drehbücher. Die Serie hat gute Schauspieler. Damit ist sie den allermeisten Produktionen in diesem Land, egal wie groß oder klein,
haushoch überlegen.
Hat ja auch den Grimme-Preis bekommen. Mmh. Gut, die Einschaltquoten sind wohl immer noch unter denen des "Dschungel-Camps" oder jeder x-beliebigen Casting-Show, aber wir leben ja auch im Lande von Pegida, Herd-Prämie und Nick Tschiller.
Tipps zum Reinschauen:
Folge 3: Nicht über mein Sofa
Schauspielerisch ganz groß, jedoch ohne die ganz großen Lacher. Christine Schorn ist aber so etwas von hanseatisch...
Folge 7: Schottys Kampf
Eine interessant inszenierte Folge, die sehr clever mit der "Argumentation" des braunen Salons umgeht und ein zutiefst befriedigendes Ende bietet...
Folge 10: Fleischfresser
Was habe ich gelacht! Bis zur allerletzten Sekunde! Es sind eben die Kleinigkeiten, die erheitern...
Folge 11: Schweine
Neben klasse Schauspielern hat "Schweine" einige mir irgendwie vertraute Dialoge und den schönsten Film-Orgasmus überhaupt zu bieten... Die Frisur, die Frisur...
Folge 14: Wattollümpiade
Tragikomödie in bester Form. Die Tragik überwiegt allerdings deutlich. Woher kommt einem das alles immer nur so bekannt und vertraut vor? Meine Familiengeschichte ist das gottseidank nicht...faszinierend...
Folge 17: Der Fluch
Absolute Narrenfreiheit, perfekt inszeniert...
Es gibt einzelne Folgen, die mir nicht so zusagen. Natürlich bietet Bjarne Mädel als Heiko Schotte immer irgendwo einen Grund zum Schmunzeln, aber die teilweise alltagsphilosophischen Fragen, die hier überspitzt und karikiert werden, sind oft nur beim ersten Anschauen interessant. Die oben erwähnten Folgen kann ich mir aber immer wieder anschauen.
Also, nach "Stromberg" hat mich das deutsche Fernsehen wieder einmal versöhnt und mir gezeigt, dass es doch noch Hoffnung gibt.
Dabei ist es fast schon traurig, dass es wieder Arne Feldhusen ist, der auf dem Regiestuhl Platz nimmt und sein wunderbares Gespür für Timing zeigt. Haben wir denn nur den Einen? Ist der Mann auch gut krankenversichert?
Mizzi Meyer darf sich mit ihren Drehbüchern hoffentlich noch weiter austoben und uns weitere, glorreiche Folgen dieser wunderbaren Ausnahmeproduktion zukommen lassen. Vielen Dank an alle Beteiligten!