Zwischen Erotik und Politik
Diese "unmoralischen Geschichten" lassen sich sowohl als Teil eines politischen Erotikfilms lesen, als auch eines erotischen Politfilms, und dabei sind sie irgendwie doch völlig unpolitisch, ob erotisch liegt wohl oder übel im Auge des Betrachters, besser gesagt der Betrachterin: denn das Manko des Blicks eines heterosexuellen Mannes hat der Film allemal. Nicht um ihm Sexismus zu unterstellen, weswegen er sich zusammen mit der Geschichte der O. Wohl noch immer am deutschen Index befindet, sondern um Borowcyzks Schaffen, zumindest zu der Zeit, zu würdigen. Ich sehe dies nämlich auf einer Stufe mit Pier Paolo Pasolini und so erinnert mich vieles an der Ästhetik Borowcyzks in diesem Fall auch an den letzten Film von Pasolini: freilich in völlig entgegengesetzter Ausrichtung, doch verlieren dabei sowohl Borowcyzks Erotik, als auch Pasolinis Anti-Erotik für mich.
Ich denke, "Unmoralische Geschichten" ist dabei auch nicht ohne Pasolinis Trilogie des Lebens zu sehen, welche ich für weitgehend völlig misslungen halte, und am Ende bleibt bei Borowcyzk wohl ebenfalls unklar, ob die Erotik in diesem einzelnen Film überhaupt ein bestimmendes Phänomen ist, oder nicht doch die Politik. Die Politik eines exorbitanten Machtgefälles zwischen Mann und Frau, in unterschiedlichen Spielarten hier vorexerziert. Sollen zukünftige Generationen sich darüber noch den Kopf zerbrechen: bestechend bleibt durchwegs die Anziehungskraft der weiblichen DarstellerInnen. Von Lise Danvers, welche über die Jahrzehnte nachweislich nicht nur einen Mann mit dieser verdeckten Fellatio-Performance fesseln konnte, über die legendäre Charlotte Alexandra ihre Rolle bei Breillat christlich masturbierend vorbereitend, Paloma Picasso in der wohl spielerischsten Interpration der "Blutgräfin" Bathory und einzigem, dafür nachhaltig prägendem Auftritt in einem Film, bis hin zu Florence Bellamy als Lucrezia Borgia, sexuelle Gespielin ihres eigenen Vaters, des Papstes höchstpersönlich. So entwickelt sich der Film womöglich doch auch erotisch-fantastisch verstärkten Höhepunkten zu, mehr aber doch politisch bloß immer weiter zurück in die Jahrhunderte. Vom verstohlenen Oralsex in der Gegenwart, über heimliche Selbstbefriedigung und sexueller Erwachung in rigider Umgebung und feudaler Blutbäder hin zur päbstlichen Blutschande halt.
Grundsätzlich aber tu ich mir persönlich schwer den Film zu bewerten, wie ich es sonst nur beim Anime-Klassiker "Ghost in the Shell" tat, und eben Salo.
Rating 8.5