Als kollektive Trauerbewältigung könnte man wohl am ehesten das beschreiben, was Regisseur Stephen Daldry mit seinem Werk beabsichtigte: Die Verluste durch den 11/9 zu verarbeiten und gleichzeitig Hoffnung für die Zukunft zu schöpfen, denn niemand steht mit diesem Schicksal allein da, obgleich jeder recht individuell mit den persönlichen Tragödien umgeht.
Am „schlimmsten Tag“, wie der zehnjährige Oskar (Thomas Horn) den 11. September bezeichnet, befindet sich sein Dad (Tom Hanks) im World Trade Center. Ein Jahr nach dessen Tod findet er per Zufall einen Schlüssel in einem Briefumschlag, auf dem „Black“ steht.
Fortan versucht der Junge systematisch alle in New York ansässigen Blacks ausfindig zu machen, um sie nach dem Schlüssel und dem dazugehörigen Schloss zu fragen, was sich für den am Asperger-Syndrom Leidenden als wahre Herausforderung entpuppt…
Natürlich sind die Bilder vom 11. September auch zehn Jahre nach dem Supergau noch allgegenwärtig, doch Daldry rückt nicht die eigentliche Katastrophe in den Vordergrund, sondern schildert die Folgen anhand eines recht eigenwilligen Jungen, ohne dessen Erkrankung und damit verbundenen Fähigkeiten eine solche Geschichte nur schwer funktionieren würde. Dass Oskar kein gewöhnlicher Junge seines Alters ist, hilft der Erzählung primär im Bereich der emotionalen Ausgewogenheit, da durch seine eigenartige Art (er zählt für sich seine Lügen, liefert sich regelmäßig ein Beleidigungsduell mit dem Pförtner, hat ein verblüffend exaktes Zeitgefühl) das Geschehen immer wieder ein wenig auflockert wird.
Dabei helfen zu Beginn die eingestreuten Flashbacks, die das besondere Vater/Sohn Verhältnis hervorheben und erst begreifbar machen, warum der Junge mit einem derartigen Eifer bei der Sache ist. Denn Dad gab Oskar stets eine Erkundungsexpedition auf den Weg, bei denen es unter anderem herauszufinden galt, wo sich der sechste, mittlerweile verschwundene Bezirk rund um den Central Park befindet, was gegen Ende noch zu einer Schlüsselszene gerät.
Oskars Mom (Sandra Bullock) erfüllt hingegen eine recht unglückliche Aufgabe in dem Gefüge, denn sie isoliert sich zusehends, wodurch das Verhältnis zu ihrem Sohn auf eine nahezu unnahbare Ebene gestellt wird. Umso schwerer fällt es der Erzählung im letzten Drittel, einen emotionalen Ausbruch glaubhaft zu transportieren und den dazugehörigen Twist anzuerkennen, welcher dann doch ein wenig zu konstruiert wirkt.
Auch verzettelt sich die Dramaturgie ein wenig und schlägt diesbezüglich zu viele Wege ein. So taucht im Verlauf der ominöse Untermieter (Max von Sydow) von Oskars Oma auf, der kein Wort spricht, Oskar allerdings eine Weile auf seiner Suche begleitet und dabei mit dem Notizblock kommuniziert.
Dieses Kapitel steht letztlich doch ein wenig zu stark im Kontrast zur melancholischen Grundstimmung, obgleich diese Passage aufgrund von Sydows wortloser und vielleicht dadurch so grandioser Performance zu den Höhepunkten dieses Dramas zählt.
In Sachen Darstellung ist jedoch auch Thomas Horn lobend zu erwähnen, der in den meisten Szenen locker mit den großen Stars mithalten kann. Allerdings ist seine Figur keine, die man durchweg mag, denn sein egomanisch wirkender Trip und das ständige Bewegen seines immer mitgeführten Tamburins bergen zuweilen auch einen leichten Nervfaktor, der beim Betrachter ein wenig Geduld abverlangt. Bullock und Hanks spielen demgegenüber gewohnt souverän, während Viola Davis in einer Nebenrolle äußerst positiv hervorsticht.
Ganz ohne Sentimentalitäten kann so eine Geschichte kaum erzählt werden, doch Daldry findet meistens die entsprechenden Farben, Kameraeinstellungen und Kulissen, um nicht vollends ins Kitschige abzudriften, was gegen Ende zur echten Herausforderung wird.
Dennoch punktet seine Auseinandersetzung mit dem Trauma des Verlustes aufgrund starker Darstellerleistungen, einer durchdachten Dramaturgie und der Tatsache, trotz des etwas voll gestopften Drehbuchs nicht die Quintessenz aus den Augen zu verlieren: Erinnerungen an geliebte Menschen können verblassen, doch wer sich dem vehement widersetzt, wird nach einiger Zeit erkennen, das der Weg mal wieder das Ziel war, - auch so kann Trauerbewältigung funktionieren…
7,5 von 10