VERBLENDUNG ist das US-Remake des gleichnamigen Romans und ersten Teil der sogenannten Millenium-Triologie von Stieg Larson. Es geht um den Journalisten Mikael Blomkvist (Daniel Craig) der wissen will warum und wie Harriet Vanger verschwunden ist. Er trifft auf Lisbeth (Rooney Mara) und beide entdecken ein dunkles Geheimnis......mehr soll für unbedarfte Seher und Nicht-Kenner des Buches nicht verraten werden.
Wer meine Kritiken kennt weiß, daß ich meistens US-Remakes verschmähe, da sie auch oft schlechter sind als die Originale. Das trifft in den letzten Jahren insbesondere auf französische und nordeuropäische Filme zu. Und selbstverständlich ist diese 2011er Verfilmung bei so einem guten schwedischen Original einfach überflüssig. Heisst der Regisseur allerdings David Fincher, der uns mit Filmen wie u.a. SE7EN und FIGHT CLUB beglückt hat, mache ich gerne eine Ausnahme und versuche dem Film so weit wie möglich eine eigenständige Chance zu geben.
Dem extrem guten Original ist nicht viel hinzuzufügen und das macht es eben nicht einfach. Ich habe auch völliges Verständnis wenn viele das Original deutlich höher schätzen und auch eine Reihe von Szenen tatsächlich fast nach einer profanen Nachverfilmung des Originals aussehen, aber ich halte eine Ablehnung aus diesen puristischen Gründen für etwas zu einfach.
Fincher hat es meines Erachtens mit VERBLENDUNG geschafft, einen eigenständigen Film mit überraschend europäischem Look zu kreieren der mit der Fincher typischen deutlichen Härte und guten schauspielerischen Leistungen aufzuwarten hat. Im Vergleich zum Original unterlässt er typische Fehler von US-Remakes im Sinne übertriebenem Pathos oder hochgefahrenem Action-Anteil quasi völlig und präsentiert einen trotz Lauflänge von über 2,5 Stunden weitgehend dichten und spannenden Thriller.
Der Film beginnt schon einmal einen Vorspann, der zu den optisch/akustisch besten gehört die ich ich je gesehen habe. Allerdings fragt man sich hinterher, ob das nicht ein wenig selbstzweckhaft gewesen und wo der bezug zu Film ist, oder ob sich hier nur einfach mal ein Video-Clip-Ästhet austoben durfte. Die Musikuntermalung und der oft treibende Elektro-Sound des Films selbst sind extrem gut gelungen und auch meines Erachtens eine Nominierung in den bekannten Preiskategorien wert.
Bezüglich der Person Daniel Craig in der Hauptrolle hatte ich so auch meine Bedenken wie viele von uns. Aber ich finde er agiert sehr schön trocken ohne unnötige Schnörkel und glaubwürdig und nicht so selbstverliebt wir es sonst meist tut. Ich denke hier hat Fincher direkt korrigierend eingegriffen. Das Zusammenspiel mit der zauberhaften Rooney Mara als Lisbeth ist ein bestimmender Faktor für die Authentizität des Films. Auch diese beiden ungewöhnlichen Charaktere harmonieren - soweit man dies in dieser spezifischen Beziehung überhaupt von Harmonie sprechen kann - aus meiner Sicht gut, wenn auch nicht immer wirklich glaubwürdig zum Ende hin.
Lisbeth ist ähnlich herb, voller Power und abgefahren wie im Original, allerdings für meine Begriffe noch etwas besser in ihrer Radikalität. Sie ist unglaublich präsent im Film und lässt den Zuschauer die schwierge Balance zwischen Unnahbarkeit, Konsequenz und Zerbrechlichkeit gut spüren und gibt eine Glanzleistung ab. Dominiert im Original bezüglich Ihrer Person mehr das Thema Lesben-Feminismus geht Fincher noch einen Schritt weiter und macht aus Lisbeth fast eine Art weiblichen Terminator in gemässigtem Gothicpunk Outfit und mit unglaublich anachronistischen, frühe 80er Jahre Retro- und x-mal im Film im Detail wechselnden Haarschnitten.
Dennoch fehlt es dem Film in den ersten 60 Minuten an Zusammenhalt und es plätschert ein wenig vor sich hin. Erst nach relativ langen 75 Minuten treffen Mikael und Lisbeth aufeinander. Ab dann schwingt sich der Film aber vollends ein und zu Fincher typischen Höhen auf. Die gewaltige und tabulose Bildsprache, eine geniale Kameraführung, gut ausgesuchte und abgestimmte Darsteller und eine extrem stimmungsvolle Musikuntermalung entschädigen für den formalen Faux pas Finchers, ein eigentlich überflüssiges Remake eines perfekten Vorbilds zu wagen.
8/10 Punkten