Da hat Albert Pyun („Cyborg“, „Nemesis“) endlich mal ordentliche Darsteller an Bord, darf mit Hongkong seinen Film auch in einer exotisch-attraktiven Kulisse ansiedeln und trotzdem kommt dabei nur ein langwieriges B-Movie aus dem Hause Trimark Pictures mit zu wenig Action herum, die dann auch noch über eine lediglich durchschnittliche Choreographie verfügt. Wenn man bedenkt, was der gescholtene Filmemacher gerade in dieser Hinsicht an guten Tagen abliefert, kann „Hong Kong 97“ nur als eine weitere Enttäuschung eines eigentlich talentierten Regisseurs bezeichnet werden.
Gerade angesichts der vielversprechenden Idee, die Übergabe der Kronkolonie Hongkong von Großbritannien an China als Schauplatz zu wählen, muss Pyun sich schon den Vorwurf gefallen lassen entweder keinen richtigen Bock gehabt zu haben oder in Ermangelung einer inkompetenten Crew nicht besser arbeiten zu können. Denn wenn in just dieser bedeutsamen Nacht des 30.06.97, die der Film vor allem während seines Intros so ausführlich würdigt, ein Profikiller namens Reginald Cameron (Robert Patrick, „Terminator 2: Judgment Day“, „The Marine“) nach erledigtem Auftrag plötzlich selbst auf der Abschussliste steht und seine Fluchtmöglichkeiten auslotet, sollte man zumindest in atmosphärischer Hinsicht etwas mehr erwarten dürfen. In der wuseligen Metropole kulminieren zu dem Zeitpunkt nämlich Ängste und Hoffnungen mit Börsentalfahrten, während vor den Toren schon die rote Armee wartet.
Da „Hong Kong 97“ allerdings ganze drei Jahre vor der eigentlichen Rückgabe entstand, hatte sich Pyun das aber vielleicht alles ganz anders ausgemalt, was die enorme Zähigkeit dieses Films aber nicht entschuldigt.
Cameron, notdürftig mit Charaktereigenschaften versorgt, ballert sich zusammen mit ein paar Freunden (Tim Thomerson, Brion James, Ming-Na) durch den Tag beziehungsweise die Nacht auf der Suche nach Antworten durch die üblichen Nachtclubs, Gassen und Lagerhallen, während das ideenlose Skript von Freundschaft über Liebe bis hin zu Selbstaufopferung verzweifelt so ziemlich jedes Motiv des Heroic Bloodshed – Films ineffektiv zu integrieren versucht.
Anstatt zu Handeln wird vorzugsweise allerdings lamentiert. Cameron erfährt, dass sein letzter Auftrag nicht offiziell bestätigt wurde, weiß allerdings nicht wer ihn jetzt auf dem Kieker hat. Da sein Ziel ein chinesischer General war, gibt es von der Roten Armee über die Polizei bis zum Geheimdienst zig Möglichkeiten, die alle durchdiskutiert werden. Zu einem Ergebnis kommt man aber nicht und deswegen flüchtet man oder versucht es zumindest.
„Hong Kong 97“ geht nicht einmal 85 Minuten und trotzdem dehnt sich die Handlung zäh wie ein Kaugummi. Aus der schillernden Stadt Hongkong kann Albert Pyun dabei leider keine Schauwerte beziehen und auch seine zu seltenen Shootouts sind nur unbeholfene Versuche lokale Größen wie vor allem John Woo („The Killer“, „Hard Boiled“) und Ringo Lam („City on Fire“, „Full Contact“) in Choreographie und Ästhetik kläglich zu kopieren. Blutige Shootouts, beidhändiges Schießen und akrobatische Einlagen in Slowmotion serviert er zwar auch, aber leider ohne Gefühl für Dynamik. Das erste Attentat auf Cameron erweist sich gleich als wunderbares Beispiel: Die Attentäter kommen der Reihe nach durch die Gardinen des Balkons, damit Cameron sie in aller Seelenruhe in Deckung über den Haufen knallen kann. Wirklich beeindruckend... Nur selten blitzt sein Händchen für gelungene Action mal kurzfristig auf (u.a. am Hafen).
Dementsprechend langweilt sich der eigentlich erfahrene Cast bewährter Genreakteure, die kaum zum Zug kommen und sich den nicht enden wollenden Dialogen ergeben, bis irgendwo die nächste, schnell ins Gras beißende Überzahl wartet, weil sie das ausgesetzte Kopfgeld für die Ergreifung der Männer kassieren will.
Das Gefasel um geheime Operationen, die Cameron und Simon (James) durchführen und die Addition einer love interest fügen der überraschungsarmen Geschichte währenddessen nur noch mehr Füllmaterial hinzu.
Mit der esoterischen Dudelmusik, die ständig im Hintergrund penetrant erklingt, tut sich Pyun genauso wenig einen Gefallen wie mit den vielen Zwischenstops und den unwichtigen Nebencharakteren, die auftauchen, sterben oder zurückgelassen werden, ohne dass man darüber viele Worte verliert.
Darüber hinaus werden nicht ganz uninteressante Aspekte, wie die Möglichkeit einer gegen die Rückintegration Hongkongs konspirierende Gruppe, nur kurz einmal zur Sprache gebracht und dann schon wieder vergessen, obwohl so eine Tragweite dieses Mordes ein interessantes Zusatzgimmick ergeben hätte.
Zum Schluss warten auf die letzten Überlebenden dieser kleinen Gruppe Anti-Kommunisten und in Ungnade gefallener Profikiller natürlich die Reihen von Schergen, die sich brav aufreihen, um in Korridoren den Löffel abzugeben, bevor man die Angelegenheit ein für allemal klärt und beruhigt Hongkong verlassen kann. Auf ein Neues, oder besser nicht. Vorhersehbarkeit wohin man nur sieht.
Fazit:
„Hong Kong 97“ leidet unter irren Temposchwierigkeiten und demzufolge einer langweiligen Geschichte, die nicht mehr als die rätselhafte Dauerflucht eines gesuchten Profikillers quer durch Hongkong darstellt. Die bekannten Darsteller glänzen nicht gerade mit Spielfreude und die wenigen Actionszenen lassen auch wirkliche Höhepunkte vermissen. Ganz ohne Originalität, sympathischen beziehungsweise interessanten Figuren kurbelt Albert Pyun hier Dienst nach Vorschrift ohne die tolle Kulisse zu nutzen, in denen ohnehin nur oberflächliche Stereotypen lauern, oder gar sehenswerte Actionszenen zu präsentieren. Nur mit zwei zugedrückten Augen lasse ich mich noch zu vier Punkten hinreißen. Langweilig! Das Warum und Wieso kann man übrigens nicht aus der Handlung lesen und wird in den letzten Minuten mit dem Holzhammer serviert. Soviel sei verraten: Interessant oder überraschend ist die Auflösung nicht.