Willkommen im Kuriositätenkabinett des Italowesterns. Der routinierte Regisseur und Autor Mario Caiano („Es geht um deinen Kopf, Amigo!“, „Der letzte Zug nach Durango“) schrieb sich im Zuge des aussterbenden Italowesterns eine wahnwitzige Geschichte, die dem kurzlebigen Trend des Genrecrossovers folgte. Elemente des Eastern hielten in die europäische Filmbewegung Einzug und führten zu sehr eigenwilligen Ergebnissen. Ziel war es mit frischen Ideen der ewigen Eintönigkeit sich wiederholender Geschichten entgegenzuwirken.
Dem zwiespältigen Ergebnis „Der Mann mit der Kugelpeitsche“ folgte seinerzeit tatsächlich zwei Jahre tatsächlich noch ein deutlich schwächeres Sequel, das teilweise wieder auf die selben Darsteller zurückgriff, sie aber in neuen Rollen besetzte.
Von seiner skurrilen Eigentümlichkeit und dem exotischen Hauptdarsteller muss dieser späte Italowestern, dem eigentlich sämtliche grundlegende Akzente des Genres abhanden gekommen sind, auch zehren. Denn insgesamt ergibt dieses reichlich abgedrehte Abenteuer doch höchstens den Charakter einer Nummernrevue, in deren Verlauf Shanghai Joe, der in der deutschen Fassung auf Karate Jack umgetauft wurde, auf die immer gleichen Schwierigkeiten trifft: Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Ablehnung.
Freilich dienen diese Motive nur als Vorlage für insgesamt eher dürftige Komikeinlagen, die sich grundsätzlich auf den Paradiesvogel in seinen seltsamen Klamotten richten. Auch die deutsche Synchronisation vermag abseits weniger gelungener Oneliner ausnahmsweise keine Kalauer aus dem Film zu kitzeln.
Hauptdarsteller Chen Lee, der noch einmal die Hauptrolle im Sequel „Zwei durch Dick und Dünn“ erhielt, ansonsten aber eine kurze und unscheinbare Filmkarriere absolvierte, kloppt sich dabei zwar ganz akrobatisch durch die häufigen Prügelorgien, steht ohne Charisma aber verloren auf seinem Posten und wartet vergebens auf einen Gegenpart, mit dem er sich die Bälle zuspielen kann. Es kommt aber niemand. Ein folgenschweres Problem, das übrigens „Kung Fu im Wilden Westen“ mit dem famosen Lee Van Cleef („Für ein paar Dollar mehr“, „Sabata“) wenig später denkbar ideal löste und als direkter Konkurrent deswegen auch besser wegkommt.
In „Der Mann mit der Kugelpeitsche“ bleibt es hingegen beim verbal zu einseitigen Schaulaufen, das Caiano wenigstens kontinuierlich comichaft überzeichnet und seinen Streifen deswegen nah an die Grenze zum Trash manövriert.
Dem Immigranten und Kung Fu - Spezialisten Lee schlägt nach seiner Ankunft zunächst nur Ausbeutung und Hass entgegen, obwohl er lediglich mit den besten Absichten Cowboy werden möchte. Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, hatte er sich doch eigentlich ein wenig toleranter und flexibler ausgemalt.
Selbst die eigenen Landsleute wollen ihn zu einem Hungerlohn für niedere Arbeiten einspannen oder gar ganz versklaven. Mental mit fernöstlicher Ruhe ausgestattet, begegnet er diesen ersten negativen Erfahrungen gelassen, muss in einer Bar dann aber doch handgreiflich werden, als ihm die Pöbeleien zu bunt werden.
Die Choreographien der Kung Fu – Prügeleien zeigen sich nicht besonders ausgereift, wollen mit ihren akrobatischen Einlagen, Saltos und Kicks allerdings auch kaum auf Realismus pochen, sondern nach Kräften überziehen. Eine Parodie könnte dies bisweilen auch sein, aber dann schon eher unbeabsichtigt als Resultat der Choreographie, die mit offensichtlichem Unvermögen glänzt.
Das Interieur wird zwar grundsätzlich in seine Einzelheiten zerlegt, ansprechende Martial Arts sieht jedoch anders aus.
Die Ergebnisse diesen bunten Treibens sind neben blauen Flecken später unter anderem gebrochene Knochen, zerschossene Hände, herausgerissene Augäpfel (!!!) und abgehackte Gliedmaße. Caiano schraubt die graphische Gewalt nämlich ganz schön hoch, ohne sie jedes Mal mit einen amüsanten Ton abzumildern. Ohnehin scheint er der festen Überzeugung zu sein mit zunehmender Laufzeit auch den Gewaltgrad steigern zu müssen, um den linearen Ablauf mehr Farbe zu verpassen. Eigentümliche Aktionen, wie das Zerdeppern einer Kokosnuss mit einem Jojo und das Abfangen einer Pistolenkugel mit der Hand, reichten Caiano offenbar nicht, um den Zuschauer bei der Stange zu halten.
Die Handlung schleppt sich währenddessen mühsam über die Runden. Lee glänzt bei hartgesottenen Cowboys mit seinen Fertigkeiten, indem er Nägel mit der bloßen Hand in Holz schlägt oder rückwärts in mehreren Saltos auf Pferde steigt. Trotzdem erhält er keinen Job, wird ausgepeitscht und muss weiterziehen. Auf der nächsten Ranch versuchen ihm die Cowboys im Schlaf sein beim Pokern (herrlich: das zelebrierte Kartenmischen) erwirtschaftetes Vermögen abzunehmen. Nach einer zünftigen Prügelei muss er wieder flüchten. Als man ihn dann als Viehtreiber anwirbt, stellt er erschreckt fest bei einer versklavenden Bande von Schleusern anzuheuern, die ärmliche Indios heimlich über die Grenze verschleppen. Doch eine Gruppe anrückender Soldaten durchkreuzt den Plan, weswegen alle Zeugen beseitigt werden müssen. Das Massaker an den verlumpten Indios kann Lee nicht verhindern, sagt aber den reichen Hintermännern, natürlich mächtige Großgrundbesitzer, den Kampf an.
In Punkto Handlung also nur Altbewährtes, das sich einzig und allein das Zuschauerinteresse durch nun bald anstehende Cameos und den Hauptakteur bewahren kann. Die obligatorische Lovestory erweckt zwischenzeitlich mehr den Eindruck von Ballast, als dass sie irgendeine Funktion hat und scheint nachträglich hineingeschrieben, weil sie keine Relevanz für die Handlung besitzt. Aber wer hat schon einmal dabei zugesehen, wie ein Stier in der Arena mit einem einzigen Kick getötet wird?
Indes rechtfertigen wenigstens die kurzen Auftritte von Gordon Mitchell und Klaus Kinski allemal weiter dranzubleiben. Beide werden nämlich in Funktion legendärer Killer angeheuert, um den aufrührerischen Chinesen zu töten. Mitchell, singend und mit schwarzer Melone, versucht sich an einem spitzbübischen Hinterhalt, Kinski (mit viel zu großem Hut) geht als fieser Skalpjäger den feigen Weg und schießt aus dem Hinterhalt lieber in Bein und Knie, um Karate Jack erst gar nicht nah genug an sich heranzulassen.
Das schillernde Duo bleibt leider ein wenigen hinter seinen Möglichkeiten zurück, aber speziell Kinski dabei zuzusehen, wie er sich eine Püppi bastelt, sollte das Geld schon wert sein. Solche Typen hat „Der Mann mit der Kugelpeitsche“ allerdings auch dringend nötig, denn das Geschehen verflacht zusehends.
Zum großen Finale in einem verschlafenen Kaff in Mexiko wartet dann auf den regenerierten Kung Fu Jack nach einer kurzen Akupunktur-Aufbaukur auch seinesgleichen, der angeheuert wurde ihn zu töten. Neben allerlei dubiosen Hüpfereien auf Dächern, beidhändig geworfenen Messern, die genauso wieder retour gehen, oder surrenden Samuraischwertern gibt es als Krönung noch den blutigen Zuckerguss oben drauf, damit man den Film endgültig nicht mehr ernst nehmen kann. Kung Fu Jack reitet danach wie es sich gehört auch brav einsam von dannen. Natürlich mit der flotten Idee im Hinterkopf noch in anderen Ortschaften aufzuräumen. Das Sequel folgte dann ja auch und war an dieser Stelle vermutlich bereits fest geplant.
Fazit:
Gegen den deutlich leichtfüßigeren und witzigeren „Kung Fu im Wilden Westen“ kann „Der Mann mit der Kugelpeitsche“ nicht bestehen. An Bruno Nicolais gutem Score aus der Konserve und der routinierten Regie Mario Caianos gibt es zwar nichts auszusetzen, aber Chen Lee agiert viel zu verwechselbar und uncharismatisch. Zu seiner Verteidigung muss man allerdings erwähnen, dass sein Charakter auch mit unzähligen Klischees (unbesiegbare Kampfkunst etc) beschlagen wurde. Immerhin wartet Caiano während des gesamten Films mit lauter unrealistischen Ideen auf, die dem Film letzten Endes auch seinen urigen Sonderstatus einbringen.
Das Wiedersehen mit alten Bekannten (neben Kinski und Mitchell u.a. noch Piero Lulli, Claudio Ruffini) und viel Action macht den unsteten Fortlauf der kaum vorhandenen Storyline weitestgehend wieder weg. Wobei dort doch eindeutig der pointierte Wortwitz und ein gegensätzlicher Partner fehlt. So macht die Schose bei aller Exotik doch einen eher unausgegorenen Eindruck.