„Ich will diesen Sommer genießen, so wie er ist!“
Der schwedische Filmemacher Ingmar Bergman („Die Jungfrauenquelle“) war immer für einen Skandal (aus heutiger Sicht mitunter eher Skandälchen) gut, so auch als er im Jahre 1953 für sein Liebesdrama „Die Zeit mit Monika“ eine Erzählung Per Anders Fogelströms verfilmte und damit einen großen Erfolg landete, der manch Sittenwächter-Gemüt erhitzte.
Stockholm in den frühen 1950ern: Der 19-jährige Porzellanlager-Lehrling Harry (Lars Ekborg, „Der Schlafwagenmörder“) hat es satt, sich herumkommandieren und schikanieren zu lassen, schmeißt hin und brennt mit der 17 Jahre jungen Verkäuferin Monika (Harriet Andersson, „Dogville“) durch, die in beengten Wohnverhältnissen mit ihrer Familie lebt und davon ebenso die Nase voll hat wie von ihrem Job, ihrem alkoholkranken Vater (Åke Fridell, „Wilde Erdbeeren“) und den sexuellen Übergriffen, denen sie sich ausgesetzt sieht. Mit dem Motorboot Harrys Vaters lassen sie die Stadt und damit ihre Sorgen hinter sich, um einen Sommer der Liebe in der ländlichen Idylle Schwedens zu verleben. Doch diverse Umstände, u.a. Monikas Schwangerschaft, zwingen die beiden, in die Stadt zurückzukehren…
„Die Zeit mit Monika“ fängt jugendlichen Freiheitsdrang in Kombination mit Träumereien von romantischer, großer Liebe ein – ein Dauerthema, seinerzeit der nordeuropäischen Nachkriegsjugend,
die unter dem Eindruck der spießigen Prä-Rock’n’Roll-‘50er stand. Der zeitliche Kontext ist verantwortlich für die Harmlosigkeit, mit der Harrys und Monikas Ausbruch vonstatten geht, den man heutzutage am ehesten als etwas abenteuerliches Nehmen einer Auszeit betrachten würde, das gesellschaftlich auf wesentlich breitere Akzeptanz als damals stößt. Harrys und Monikas Entscheidung wirkt nachvollziehbar, wobei schon früh beispielsweise durch das Auftauchen Monika Ex-Freunds Hinweise auf Monikas generell unsteten Lebenswandel gegeben werden. Im Gegensatz zu Harry ist Monika ein freches junges Ding, wie es gerne mal Jungs den Kopf verdreht. Was die beiden schließlich in ihrem Sommer miteinander erleben, ist einerseits schwer romantisch: Zwei sich liebende junge Menschen, auf sich allein gestellt in der freien Natur, die mit dem Nötigsten auszukommen bereit sind, weil sie schließlich einander haben. Andererseits ist das gerade aus heutiger Sicht derart unspektakulär und zudem in schwelgerischen Bildern so unaufgeregt von Bergman dokumentiert, dass die überbetonte Idylle, die lange Zeit ohne nennenswerte Probleme auskommt, durchaus einschläfernd wirken kann. Auch kleine Gaunereien zur Nahrungsbeschaffung sind eher belächelnswert als aufsehenerregend. Größter Aufreger war seinerzeit, als Nacktszenen noch skandalumwittert waren, der Moment, als Monika einmal durchs Bild huscht, wie die für all die ansehnlichen Schwedinnen verantwortliche nordische Gottheit sie schuf. Etwas kurios mag es auch anmuten, dass ausgerechnet unsere zwei Aussteiger in ihren Dialogen von einem ganz bürgerlichen gemeinsamen Leben träumen. Doch dies ist bereits ein Indiz für den Bruch, den ihre Zweisamkeit erleiden wird.
Denn die (Achtung, Spoiler!) spannende Wendung und gleichzeitig Ausdruck einer Bergman gern nachgesagten tendenziell negativen Weltsicht ist das famose Scheitern der Beziehung des Paars, sobald es sich der gesellschaftlichen Realität mit ihren Herausforderungen und Zwängen stellen muss. Während sich Harry nach der von seiner Tante (Dagmar Ebbesen, „Lektion in Liebe“) initiierten Hochzeit ihnen wie ein echter Mann stellt und bereit ist, für seine junge Familie zu sorgen, indem er einer geregelten Arbeit nachgeht, ist Monika genervt und gelangweilt von ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter und beginnt, Harry zu betrügen. Verzweifelt versucht Harry, die Ehe noch zu retten, doch letztlich lässt Monika ihn mit dem gemeinsamen Baby sitzen. Damit wird „Die Zeit mit Monika“ zur pessimistischen Momentaufnahme eines leidenschaftlichen Sommertraums und seiner gegenteiligen, weitaus nachhaltiger währenden Folgen, aber auch zu einer Warnung vor zu früher Heirat und Schwangerschaft, denn dass Monika alles andere als reif für das von ihr im Sommer noch so verklärt ausgemalte Eheleben ist, ist nur allzu offensichtlich, doch wurde auch Harry sich erst zu spät seiner Verantwortung bewusst: Er hätte sie nicht zu einem solch frühen Zeitpunkt schwängern dürfen. Somit scheitert Harrys Glück an einer Femme fatale, für die Harry nur einer von vielen, ein schönes Sommerabenteuer, war. Die harsche Entromantisierung jungen Liebesglücks steht im krassen Kontrast zu einem Großteil des Films, dürfte sich jedoch näher an der Realität orientieren als so mach naive Schmonzette.
Für diesen Film wurde Harriet Andersson entdeckt, die zu einer gefragten Schauspielerin aufstieg und auch weiterhin mit Bergman zusammenarbeitete. Wer ihrem unbedarften, frechen Spiel aufmerksam zusieht, mag sich vielleicht geneigt fühlen, Harry die eine oder andere Warnung zuzurufen oder schlicht zu hoffen, dass es gutgeht. Dass dem ist eben nicht so ist, macht „Die Zeit mit Monika“ zu einem ernüchternden Statement zum Erwachsenwerden mit all seinen zerplatzenden Träumen, das zwar aufgrund Bergmans fast vollständigem Verzicht auf spannungssteigernde Elemente aus heutiger Sicht etwas angestaubt wirkt, dessen Grundthematik aber kaum überholt ist.