Review

„Dieses System zerstört den menschlichen Geist. Wir kämpfen für etwas! Das können die Zombies in ihren Blechsärgen auf den Freeways niemals begreifen. Unser Geist lebt noch! Und das werden wir ihnen zeigen – das schwöre ich euch!“

Zwischen ihren Filmen „Blue Steel“ und „Strange Days“ inszenierte US-Regisseurin Kathryn Bigelow 1991 den Cop-Thriller „Point Break – Gefährliche Brandung“ nach einem Drehbuch W. Peter Iliffs. Beim im Surfer-Milieu spielenden hochbudgetierten Mainstream-Film handelt es sich entgegen anderslautenden Gerüchten nicht um den inoffiziellen Nachfolger des Troma-Klassikers „Surf Nazis Must Die“.

„Du hast dein Konto überzogen!“

„Die Präsidenten“ sind eine mehrköpfige Bankräuberbande, die sich bei ihren Überfällen hinter den Masken ehemaliger US-Präsidenten versteckt. Satte 30 Raubzüge in nur drei Jahren gehen auf ihr Konto. Meist geht alles ganz schnell, innerhalb von 90 Sekunden sind sie mit ihrer Beute schon wieder auf und davon, verletzt wird in der Regel niemand. Der Polizei fehlt jede brauchbare Spur. FBI-Agent Angelo Pappas (Gary Busey, „Tödliches Versteck“) jedoch hegt den Verdacht, die Bande könnte sich aus der Surferszene rekrutieren. Als er mit dem frisch von der Polizeischule kommenden, ehrgeizigen John Utah (Keanu Reeves, „Das Messer am Ufer“) einen neuen Partner bekommt, schleust er ihn als verdecken Ermittler in die Surferszene ein. Über seine Surflehrerin Tyler Ann Endicott (Lori Petty, „Bates Motel“) lernt Utah schließlich die Clique um Surf-Guru Bodhi (Patrick Swayze, „Die Outsider“) kennen und kann sich nach und nach ihr Vertrauen erschleichen. Er findet immer mehr Gefallen an ihrem Lebensstil und geht sogar eine amouröse Beziehung zu Tyler ein, der er seine wahre Identität verschweigt….

Weite Strände, das Meer und ein Surfbrett unter den Füßen – das Leben kann so schön sein. Allerdings will es auch irgendwie finanziert werden. Tut man dies auf illegale Weise, muss man damit rechnen, dass die Idylle jäh von FBI-Bullen gestört wird. So wie in diesem Falle von Detective Utah, der als Protagonist eingeführt wird, jedoch wenige Probleme damit hat, seine Surflehrerin zu benutzen, um in die Szene eingeschleust zu werden. Immerhin verliebt er sich dann doch noch in sie, womit dieser Film auch seine Romanze hätte. Tyler ist die ehemalige Freundin Bodhis, einem mit etwas sehr dickem Filzstift als spiritueller Surf-Crack gezeichneten Sonnyboy, der Utah in die Surfphilosophie einführt, in der Bodhi so etwas wie einen Magister haben muss. In Kombination mit unheimlich schönen, Fernweh weckenden Bildern vom Strand und Ozean hat das durchaus seine Momente und lädt ein, es sehnsuchtsvoll seufzend Bodhis Clique gleichzutun und sich genüsslich eine Haschtrompete anzuzünden.

Was passiert also nun? Entwickelt Utah Sympathie für die Szene, legt den Undercover-Bullen ab und verschreibt sich mit Haut und Haaren dem spirituellen Dasein als Surf-Outlaw? Nun ja, mehrfach werden zumindest innere Konflikte Utahs, die in diese Richtung tendieren, angedeutet. Dies wird jedoch durch den weiteren Verlauf nachhaltig torpediert. Ab dem Moment, in dem die Polizei eine ebenfalls im Surfer-Milieu verwurzelte Gruppe Heroingroßdealer (inkl. Red Hot Chili Pepper Anthony Kiedis mit einem Gastauftritt) hopsnimmt, funktioniert der Film nicht mehr: Dass sie damit mitten in die Ermittlungen eines anderen V-Manns hineingrätschen, kann noch als Kritik an übereifrigen Polizeieinsätzen verstanden werden. Der tiefe Griff in die Klischeekiste – Punk-ähnliche Gestalten mit Metallica-Postern an den Wänden – und das rabiate Vorgehen der Polizei, diese zu erschießen, ist jedoch erbarmungswürdig und führt dazu, dass man wünscht, die Bullen statt der Gangster würden die Kugeln in ihre hohlen Schädel bekommen. Bezeichnend: Pappas und Utah – wohlgemerkt keinesfalls als Volltrottel konzipiert! – verpassen den nächsten Banküberfall der „Präsidenten“, den sie korrekt vorhergesehen haben, weil der dämliche Pappas Hunger hat und unbedingt sofort ein Aas-Sandwich braucht.

Wie zur Hölle kann man solche Idioten noch als Protagonisten in einem ernstgemeinten Film weiterführen? Und weshalb konnotiert man es überhaupt derart positiv, gegen niemanden verletzende Bankräuber vorzugehen? Was ist schon, frei nach Brecht, das Ausrauben einer Bank gegen die Gründung einer?* Ein Mörder in Uniform hat beim nächsten Banküberfall Menschenleben auf dem Gewissen und es werden immer weitere Tote produziert, sinnloserweise alles nur wegen ein paar Kackbanken – was der Film allerhöchstens andeutungsweise kritisiert, aber nie konkret infragestellt. Bodhi taugt indes auch immer weniger als Sympathieträger, entwickelt er sich doch zunehmend zum selbstgefälligen, großkotzigen Sprücheklopfer. Utah hingegen lässt sämtliche Vernunft vermissen und stellt sich ohne Rücksicht auf Leib und Leben weiterhin in den Dienst der Sache. Spätestens als er sich ohne Fallschirm aus einem Flugzeug stürzt, wird’s endgültig hanebüchen, wirft der Film sämtlichen Menschenverstand über Bord.

Das macht „Point Break“ zu einem Guilty Pleasaure, das mit rasant inszenierten Verfolgungsjagden mobil und per pedes, Action und Geballer, wahnwitzigen Szenen auf einer brennenden Tankstelle und faszinierenden Bildern von Fallschirmsprüngen spannend unterhält und nie langweilt – wenngleich der Epilog um das Wiedersehen der beiden Kontrahenten in Australien wie aufgepfropft wirkt, um der vermeintlichen Gerechtigkeit genüge zu tun. Die pathetische Surfer-Folklore wird hier noch einmal daumendick aufgetragen und nachdem – Achtung, Spoiler! – Utah seinen Freund in den Selbstmord getrieben hat, erkennt er endlich die Sinnlosigkeit seines Berufs und wirft seine Dienstmarke weg. Leider viel zu spät. Diese Geschichte einer ungewöhnlichen Männerfreund- und -feindschaft ist grenzwertiges Big-Budget-Kino, das sein Publikum mit tollen Bildern einlullt. Wer auf Surfertypen steht, kann sich „Point Break“ auch schlicht als Voyeur(in) anschauen. Und wer sich bis zum Schluss auf dem schmalen Brett hält, bekommt im Abspann den Sleaze-Metal-Song „Over The Edge“ der L.A. Guns auf die Ohren. Durchaus spannende Unterhaltung im edlen Look, nur eben leider auch ziemlich... dumm. Bleibt die Frage, weshalb Bigelow sich dieses Films, der kaum in ihr Œuvre passen will, annahm. Man ahnt jedoch: Ohne sie wären wohl noch weniger als 5,5 von 10 Donald-Trump-Masken drin gewesen...

*) Das ist natürlich Polemik. Auf genossenschaftlich organisierte Volks- und Raiffeisenbanken trifft dies nur bedingt zu, auf GLS und ähnliche Kreditinstitute gar nicht.

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