Als es nach etwa 25 Minuten zur ersten Begegnung der beiden Protagonisten Bhody (Patrick Swayze) und Johnny Utah (Keanu Reeves) kommt, wirkt dieser Moment wie ein Bruch zum bisherigen Geschehen. Tyler (Lori Petty), die Utah gerade das Surfen beibringt, stellt sie miteinander vor, und die Freundlichkeit mit der Bhody darauf reagiert, lässt erahnen, dass „Gefährliche Brandung“ ab sofort eine zusätzliche Ebene erhält.
Bis dahin peitschte Regisseurin Kathryn Bigelow den Film in einem Tempo voran, als wenn sie den Thriller in Rekordzeit beenden wollte. Jede Begegnung ist von Konfrontation gekennzeichnet. Höflichkeitsfloskeln lässt der Film schlicht weg und kommt sofort zur Sache. Als Utah nach seiner Ausbildung in die FBI-Abteilung von Los Angeles versetzt wird, wird er stark ablehnend empfangen. Selbst sein neuer Partner (Gary Busey) begrüßt ihn mit abschätzigen Worten. Nur macht „Gefährliche Brandung“ daraus keine Problemstudie, sondern vermittelt eine allgemein aggressive Stimmung, von der sich Utah aber keine Sekunde irritieren lässt. Den neuesten Bankraub der „Präsidenten“, wie die vierköpfige Bankräuberbande wegen ihrer Masken genannt wird, schneidet Bigelow nicht zufällig zwischen diese Polizeiszenen, denn die Parallelen in Tempo und Aggressivität werden so deutlich.
Das ändert sich noch nicht, als Utah mit dem Surfen beginnt. Im Gegensatz zum übrigen Kollegenkreis glaubt er an die Theorie seines Partners, dass es sich bei den Bankräubern um Surfer handelt, und will deshalb an den Stränden verdeckt ermitteln. Als Anfänger in den Wellen wird Utah teilweise offen feindselig behandelt, und auch die erste Begegnung mit Tyler verläuft alles andere als freundlich. Allgemein scheinen moralische Aspekte bei der Durchsetzung eigener Ziele keine Rolle zu spielen – egal ob es sich um Surfer handelt, die ungehindert ihre Welle reiten wollen, oder um Polizeiagenten bei ihrer Undercover-Tätigkeit. Nachdem Utah aus dem Polizeicomputer erfahren hatte, dass Tylers Eltern tödlich verunglückt waren, bekommt er sie dazu, ihm Surf-Unterricht zu geben, indem er ihr eine ähnliche Biografie auftischt. Busey ist es vor allem zu verdanken, dass Reeves in seiner Rolle nicht zu negativ erscheint, denn deren Kumpelhaftigkeit unterscheidet sich wohltuend von den sonstigen Umgangsformen.
Desto auffälliger ist Bhodys Verhalten, der seine Stellung als überragender Surfer nicht für großkotzige Angebereien nutzt, sondern im Gegenteil sehr kommunikativ und motivierend ist. Zwar sucht er die Auseinandersetzung mit Utah, wie es sich schon beim abendlichen Football-Spiel am Strand zeigt, aber diese ist immer sportlich fairer Natur. Fordernd (und damit manchmal die Situation störend) wird er nur in den Momenten, in denen es ums Surfen geht. Seine Begeisterung für das ultimative Wellenerlebnis in Kombination mit Bigelows großartigen Bildern wirkt so ansteckend, dass auch der Nichtsurfer davon beeindruckt sein muss.
Eine Figur wie Bhody birgt die Gefahr einer ideellen Überhöhung in sich, die den Film in übliches Fahrwasser gebracht hätte – hier der freiheitsliebende und freundliche Naturbursche, da der verkniffene und verlogene Polizei-Ehrgeizling. Obwohl der Film Stellung bezieht, verzichtet es auf eindeutige Charaktere und Botschaften. Utah gewinnt durch seine ehrliche Begeisterung für das Surfen und die Beziehung zu Tyler an Sympathie. In dieser Hinsicht profitiert Keanu Reeves vor allem von dem Drehbuch, während Patrick Swayze überzeugend jenseits typischer Sympathie/Antipathie-Konventionen auch die Sucht nach dem Adrenalinstoss vermitteln kann, die ihn dazu zwingt, Verhaltensweisen an den Tag zu legen, die scheinbar seinem sonstigen Charakter widersprechen.
„Gefährliche Brandung“ gelingt es eine konventionelle thrillerartige Ausgangssituation zu einer Auseinandersetzung über Unabhängigkeit und Freiheit weiter zu entwickeln, ohne dabei in plakative Muster abzugleiten, obwohl der sein hohes Tempo beibehaltende Film an Deutlichkeit nicht spart. Zu Verdanken ist das dem Fakt, dass keiner der Handlungsstränge fallen gelassen wird, sondern die Suche nach den Bankräubern, die Entstehung von Freundschaften und die Sucht nach dem sportlichen Kick immer stärker miteinander verzahnt werden, dass letztlich jeder der Beteiligten gezwungen ist, teilweise tödliche Konsequenzen zu ziehen. Dadurch hebt sich der Film deutlich von üblichen Genrevertretern ab und kann neben vielen Spannungsmomenten auch starke Emotionen hervorrufen. Wie gut das dem Film gelingt, zeigt sich letztlich daran, dass man das äußerlich tragische Ende als positiv und motivierend empfindet (9/10).