Review

Meine persönlichen Lieblingsfilme zeichnen sich dadurch aus, dass sie mich neben formalen und inhaltlichen Aspekten auch emotional packen können, und das schafft „Point Break“ mühelos. Er appelliert an das Bedürfnis nach Freiheit, Unabhängigkeit und Todessehnsucht, das einigen von uns innewohnt. Mit „uns“ meine ich Individuen, die eine religiöse oder philosophische Ader in sich tragen, die von verschiedenen Standpunkten geprägt sein kann, sei es nun Nihilismus, Humanismus vs. Misanthropie, Altruismus vs. Egoismus usw. Ich bin kein Surfer, aber ich denke, wer sich auf ein solches Brett stellt und die Wellen reitet, will frei sein, über sich hinauswachsen indem er/sie die Naturgewalten bezwingt, ohne dabei den Tod zu scheuen, der in Form von Korallenriffen und Strömungen unter der Wasseroberfläche geduldig auf seine eintreffenden Opfer wartet.

Ein solches Opfer ist auch Keanu Reeves, der als Undercover-Bulle im Surfer-Milieu ermittelt, weil man dort ein paar abgebrühte Bankräuber vermutet. Zunächst denkt er nur an seine Karriere, den schnellen Erfolg um in der Leistungsgesellschaft von heute ganz vorn mitzuspielen. Doch je tiefer er in die Wellenreiter-Szene eintaucht, umso mehr verändert er sich selbst. Er spürt plötzlich eine Art von Glück, die er als Cop niemals erreichen kann. Das liegt natürlich auch an seinem neuen Umfeld, dem charismatischen Bodhi und seinen treuen Dienern. Und man muss nicht mal spoilern um zu sagen, dass diese Typen die gesuchten Bankräuber sind. Das wird spätestens bei ihrem ersten Auftritt klar, weil zu Beginn des Films ein Video vom Banküberfall gezeigt wird, und an den Stimmen in der deutschen Synchro erkennt man die Surfer sofort wieder. Das ist aber kein Manko, sondern ein Gewinn, denn so baut sich eine tolle Suspense auf, weil wir lange Zeit mehr wissen als Special Agent Utah.

Patrick Swayze und Keanu Reeves spielen hier – Achtung: Standardspruch – die Rollen ihres Lebens. Jawohl, Johnny Utah ist cooler als Neo, und Bodhi zig mal souveräner als Swayzes sonstige Auftritte zusammen. Letzterer ist ein Rebell...
„Man kann auf einer anderen Ebene existieren, aber nach eigenen Regeln! Warum soll man Gesetze befolgen wenn man Gesetze machen kann?“
...der auch klare Worte findet, wenn sein Status als Anführer in Gefahr ist.
„Es ging uns dabei doch nie ums Geld, es ist der Kampf gegen dieses dreckige System. Dieses System zerstört den menschlichen Geist. Wir kämpfen für etwas. Das können die Zombies in ihren Blechsärgen auf den Freeways niemals begreifen. Unser Geist lebt noch, und das werden wir Ihnen zeigen, das schwöre ich Euch ... vertraut mir einfach!“

Gesagt, getan, und so können Bodhi und seine Jungs das ganze Jahr surfen, im Sommer in den USA und in den Wintermonaten überall dort, wo es sich temperaturtechnisch aushalten lässt. Das Geld zum Bestreiten des Lebensunterhalts besorgt man sich mal eben so bei diversen Banküberfällen, und ansonsten zählt nur die Suche nach dem nächsten Kick. Findet Ihr ein solches Verhalten pubertär? Also ich nicht, denn das Leben der Surf-Räuber ist hundertprozentig aufregender als die Scheißjobs, denen die meisten von uns nachgehen. Selbst wer diesbezüglich nicht ehrlich zu sich selbst ist, wird vor Neid oder Sehnsucht bei den atemberaubenden Surf- und Fallschirmspringer-Szenen erblassen. Diese sind einfach nur genial eingefangen, egal ob nun real oder per Blue-Screen. Ich weiß es nicht, aber es sieht verdammt echt aus und weckt die Lust zum Nachmachen. Weitere Höhepunkte sind die Verfolgungsjagd zu Fuß nach dem vorletzten Banküberfall, die man zum Teil auch als Parkour (ich meine die Sportart) bezeichnen kann, sowie der fette Polizei-Einsatz bei den „Surf Nazis“ (inklusive Anthony Kiedis von den Red Hot Chili Peppers und Vincent Klyn a.k.a. Fender Tremolo aus „Cyborg“). Meiner Meinung nach ist der ganze Film saugeil, und auch die Nebenrollen sind mit Gary Busey, John McGinley, Lori Petty, Tom Sizemore und Bodhis Atzen verdammt stark besetzt. Das Ende ist hart und vorhersehbar, aber konsequent und nicht runterziehend. Vielmehr verspürt man ein Gefühl der Dankbarkeit, ein paar solch großartigen und nicht alltäglichen Charakteren beigewohnt haben zu dürfen, und dabei noch etwas zum Nachdenken für das eigene Leben mitgenommen zu haben. Höchstnote für dieses Statement zur wirklich wahren Freiheit!

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