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Mit „Gefährliche Brandung“ festigte Keanu Reeves seinen Ruf als kommender Actionstar und Kathryn Bigelow ihren als Regisseurin in diesem Genre.
Johnny Utah (Keanu Reeves) ist Jungspund beim FBI und obermotiviert wie man bereits bei seinem mit Höchstwertungen abgeschlossenen Schießtraining sehen kann. Parallel dazu montiert Bigelow die Szenen eines Surfers, der seiner Beschäftigung ebenso professionell nachgeht wie Utah der seinen auf dem Schießstand. Ein Verbindung zwischen Surfer und Agent wird bereits hergestellt, bevor Utah sich überhaupt zum ersten Mal ins Surfermilieu begibt.
Sein erster großer Fall bringt ihn mit dem erfahrenen Angelo Pappas (Gary Busey) zusammen. Die beiden sollen die Ex-Präsidenten jagen, eine Horde von Bankräubern, welche sich mit Masken von früheren Staatsoberhäuptern verkleidet. In drei Jahren haben sie fast 30 Banken ausgeraubt und sie nie gefasst worden. Angelo vermutet die Täter im Surfermilieu und will Johny dort einschleusen. Nach einigen Missgeschicken kommt Johnny auch in Kontakt mit dem Surferzirkel, was „Gefährliche Brandung“ Raum für Milieustudie mit Surferphilosophie gibt. Auf die Art und Weise bringt Bigelow dem Zuschauer deren Attitüde näher, wenngleich das Gelaber von Freiheit und ewigen Spaß teilweise etwas Zuviel ist und daher leicht gestelzt und unrealistisch wirkt.

Johnny findet mit Tyler (Lori Petty) auch eine Freundin in Surferkreisen und freundet sich mit der Clique um den Surferguru Bohdi (Patrick Swayze) an. Doch wie lange kann er seine Ermittlungen noch fortführen, wenn er so gut ins Surfermilieu einsteigt?
Zu diesem Plot inspirierte „Gefährliche Brandung“ noch ein paar Filme, die dann das Milieu wechselten: „Drop Zone“ in Fallschirmspringerkreise, „The Fast and the Furious“ zu Untergrundrennen usw. Stets steht jedoch die Loyalität neuen Freunden gegenüber auf dem Plan sowie die Frage: Sind eventuell die engsten der neuen Freunde gar die Täter? „Gefährliche Brandung“ legt in der Richtung ein paar falsche Fährten, doch es könnten durchaus mehr sein, da spätestens zur Halbzeitmarke klar ist, wer in die Masken der Ex-Präsidenten schlüpft, zumal die Dramaturgie fast schon diktiert, dass Bohdi entweder in die Ermittlungen hineingezogen wird oder zu den Ex-Präsidenten gehören muss, damit es im weiteren Verlauf wirklich um etwas geht.
Die erste Hälfte von „Gefährliche Brandung“ ist eh die etwas schwächere: Johnnys Einstieg in die Surferszene ist durchaus plausibel gemacht, wird aber sehr schnell abgehandelt ebenso der Aufbau von neuen Freundschaft bzw. neuer Liebschaft. Die erste Hälfte bietet zwar nur wenig Längen, aber auch wenig Aufregendes; lediglich die eingestreuten Surfszenen machen etwas mehr her und ein paar coole Oneliner von Utah und Angelo halten bei Laune. Es ist die Exposition, in der sich Bigelow um eine durchaus ansprechende, wenn auch vielleicht etwas klischeehafte Darstellung der Surferszene bemüht, die sorgfältig gemacht ist, aber doch in erster Linie dazu dient die Figuren für die zweite Hälfte in Stellung zu bringen.

In dieser geht dann deutlich mehr die Post ab: Weniger Surferphilosophie, dafür mehr Action. Nach einer recht blutigen Hausrazzia stehen noch ein paar kleine Verfolgungsjagden, zwei ziemlich spektakuläre Fallschirmsprünge sowie weitere kurze Shoot-Outs auf dem Programm, die auch in recht schneller Abfolge kommen. Das Tempo ist hier stets hoch und zudem bleibt der Film aufgrund der Loyalitätsfragen bis zum Ende spannend, ehe die wenig actionreiche, aber dennoch imposante Finalszene auch hier für Klarheit sorgt. Man muss dabei allerdings auch mit einigen Klöpsen leben müssen: Dass Johnny und Angelo wegen eines Sandwichkaufs genau in der falschen Minute abgelenkt sind, widerspricht vollkommen ihrer sonst so sehr betonten Hingabe an den Fall, gerade wenn Johnny später in einer leicht absurden Szene zur Verfolgung der Übelwichte ohne Fallschirm aus einem Flugzeug springt um die Flüchtigen noch zu erwischen. Bigelow setzt diesen Abstrusitäten eine bodenständige Inszenierung entgegen, sehr schön zu sehen an einer mit Steadycam gedrehten Verfolgungsjagd, die Johnny bei seiner Hatz hinter einem Verdächtigen her durch Gärten und Eigenheime begleitet.
Schauspielerisch leistet Keanu Reeves hier vielleicht keine Glanzleistung, ist aber als Sunnyboy durchaus passend besetzt und leistet einen ganz guten Job, trotz seines manchmal etwas sehr apathischen Spiels. Patrick Swayze ist noch etwas besser und gibt den faszinierenden Surfleader überzeugend. Zudem wird ein kleiner In-Joke auf einen seiner früheren Filme eingestreut: Johnny erzählt Angelo, er habe Bohdi zu Patricks Road House verfolgt. Lori Petty ist OK, aber kann nur wenige Akzente setzen, dafür darf Gary Busey in einer Nebenrolle zu Hochform auflaufen und John C. McGinley als herrischer Chef ist ebenfalls gut. Als fieser Schläger in einer Nebenrolle dabei: „Cyborg“-Bösewicht und Pyun-Spezi Vincent Klyn; und Tom Sizemore schaut auch in einer Szene vorbei und sorgt für einen der launigsten Momente des Films, was auch an seinem Aufzug liegt.

Manchmal ist „Gefährliche Brandung“ etwas durchschaubar in seinem Aufbau, das Drehbuch leistet sich den einen oder anderen Schnitzer, und doch hat Kathryn Bigelows kleiner Klassiker des Undercover-Actionthrillers seinen Status durchaus zu Recht verdient: Stark inszenierte Spektakelszenen, seien es nun die bildgewaltigen Surfsequenzen oder die ruppigen, aber dennoch eleganten Actionmomente, ein etwas klischeehaft gezeichnetes, aber doch stimmiges Surfermilieu als Kulisse sowie die Geschichte einer eigenwilligen Männerfreundschaft gehören zu den Stärken des Films, die so manche offensichtliche Schwäche effektiv zu übertünchen wissen.

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