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Seine Filme werden oft kontrovers diskutiert, er selbst wurde schon wegen diverser Gründe angegriffen - etwa aufgrund seiner missverständlichen Nazi-Sprüche auf der Biennale - und er hat mit Sicherheit einen zentralen Einfluss auf das postmoderne dänische Kino genommen: Lars von Trier. Mit vielen seiner Filme probierte er neue Sachen, unternahm inszenatorische Experimente oder nahm die Gesellschaft satirisch-kritisch aufs Korn. Mit "Dogville", dem ersten Teil seiner bis heute nicht vollendeten Amerika-Trilogie, schuf er ein weiteres Experiment - und einen seiner eindringlichsten Filme.

Die Geschichte um eine Kleinstadt in den Bergen, deren Einwohner einer jungen Frau auf der Flucht vor gefährlichen Gangstern Unterschlupf bieten und deren Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft sich Stück für Stück in Gier und Grausamkeit verwandeln, spielt auf einer großen Theaterbühne. Der Hintergrund ist schwarz für die Nacht und weiß für den Tag, die Gebäude der Einwohner sind lediglich mit Kreideumrissen auf den Boden gezeichnet. Nur einige wenige Requisiten werden verwendet - Autos, eine Kirchturmglocke, Fensterscheiben. Dieser extreme Minimalismus in Bezug auf die Kulissen lenkt den Fokus des Zuschauers genau dahin, wo es weh tut: auf die Agierenden.

Unterstützt von einem Erzähler aus dem Off, dessen Kommentare sich passend zur Veränderung der Menschen von hintergründig-leiser Ironie zu beißendem Sarkasmus wandeln, zeigen die Menschen in Dogville sich erst von ihrer freundlichen, mit sich entwickelnden Umständen aber immer mehr von ihrer grausamen Seite. Diese Entwicklung geht dabei mit einer Konsequenz und erbarmungslosen inneren Logik vonstatten, dass es einen frösteln kann: Ihr anfängliches Misstrauen überwinden die Menschen nur dank der selbstlosen Hilfsbereitschaft der jungen Frau (die überzeugend und intensiv von Nicole Kidman verkörpert wird), schließlich wird sie als Mitglied der Gemeinde akzeptiert, bis die Bewohner erfahren, dass die Polizei steckbrieflich nach ihr sucht. Geld spielt hier in die Bereitschaft der Menschen, Gutes zu tun, mit hinein, aber vielmehr noch Angst vor Bestrafung und Schutz des eigenen Bildes von sich. In ruhigen und langsamen, dafür extrem intensiven Szenen malt "Dogville" ein Bild von Gier, Heuchelei und Selbstverleugnung, die im Lauf der Zeit in Vergewaltigung und Versklavung münden.

Und nicht zuletzt geht es hier um Macht. So lange die Frau gesucht wird, kann sie es kaum wagen, die Stadt zu verlassen - doch nur die Bewohner können entscheiden, ob sie bleiben darf oder nicht. Diese Macht, das spürt man im Verlauf des Films immer deutlicher in jeder noch so kleinen Geste, in der Art, wie die Leute mit ihr sprechen und sie behandeln, macht die Menschen schwach und lässt ihre hässlichsten Charakterzüge zum Vorschein treten. Nur aufgrund ihrer Macht über sie wagen es die Männer, sie zu vergewaltigen, wagen es die Frauen, sie wie Dreck zu behandeln und bis aufs Blut zu quälen. Macht verändert den Menschen, das ist eine zentrale Aussage des Films, die sich im letzten Drittel in beinahe jeder Bewegung manifestiert. Und wenn die Bewohner darüber diskutieren, wie "die Gemeinschaft geschützt" werden kann, wird hier sogar angerissen, wie gewöhnliche, vernünftige Menschen in faschistische Denkstrukturen stürzen können.

Doch von Trier wäre nicht von Trier, wenn er die moralische Situierung des Films so eindeutig belassen würde. Am Schluss nimmt er sich die Zeit für ein moralphilosophisches Traktat, bevor er das markerschütternde Finale über den Zuschauer und die Bewohner von Dogville hereinbrechen lässt, bei dem die letzten Grenzen von Moral und Unmoral zu zerfließen scheinen. Auch hier geht es um Macht, diesmal nur mit umgekehrten Vorzeichen - und darum, wie schwer es ist, zu vergeben, wenn der Drang nach Rache zu groß und gerechtfertigt scheint.

Die einzige Schwäche, die sich von Trier leistet, ist der Versuch, seinen Film einzig auf die amerikanische Gesellschaft zu münzen. Die Geschichte, die in "Dogville" erzählt wird, ist etwas allgemein Menschliches, das, so bitter das auch ist, in jedem Teil der Erde so geschehen könnte. Diese düstere antropologisch-philosophische Diskussion auf eine bestimmte Gesellschaft reduzieren zu wollen, wäre eine Art Selbstverstümmelung. "Dogville" ist ein Film, der über den Menschen an sich erzählt, der verstört und verängstigt, der aber auch auf hervorragende Weise komplexe psychische Zusammenhänge aufdeckt und keine Scheu davor hat, die hässlichsten Seiten der Menschen zu zeigen. Ein großes, intensives, hochintelligentes Meisterwerk, das zu sehen sich unbedingt lohnt.

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