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Margaret Thatcher war in vieler Hinsicht eine kontroverse Figur - sieht man sich die Besetzung der Parlamente in den frühen 80er Jahren in Europa an, dann dominierten dort nicht nur die Herren in den dunklen Anzügen, sondern Frauen waren quasi nicht existent, höchstens geduldet als kleine Farbtupfer in unwesentlichen Ressorts. Doch als Ikone der Emanzipation taugte Margaret Thatcher als erste Frau an der Spitze eines westlichen Staates trotzdem nicht, denn auf Grund ihrer mütterlichen Erscheinung, gepaart mit ihrer konservativen politischen Haltung und einem eisernen Durchsetzungswillen, galt sie in diesen Zeiten gerade unter jungen Menschen vor allem als Feindbild.

Dank ihres Einsatzes an der Seite von Ronald Reagan für die atomare Aufrüstung und dem völlig übertrieben wirkenden Militäreinsatz auf den weit entfernten Falklandinseln, einem Relikt aus der Imperialzeit Englands, hatte sie sich zwar den Ruf einer Kriegstreiberin eingehandelt, gewann aber als aufrechte durchsetzungsfähige Patriotin im eigenen Land die Sympathien, die sie dringend für ihre Wiederwahl benötigte. Dort hatte sie im Bestreben, England aus einer lang anhaltenden Wirtschaftskrise zu befreien, einen kompromisslosen Kampf gegen die starken britischen Gewerkschaften begonnen, mit der Folge, das das Land durch lange Streiks und Unruhen, die auch Todesopfer forderten, erschüttert wurde. Auch ihre Haltung gegenüber der IRA verhärtete die Fronten und führte zu diversen Attentaten, die auch das Leben von Parteikollegen forderten – sie selbst und ihr Mann entkamen einem Bombenanschlag nur mit Glück.

Für eine komplexe Betrachtung ihrer politischen Leistung gab es in den 80er Jahren keinen Raum – entweder man war für oder gegen sie. Zwar hat sich inzwischen ein wenig der Staub des Vergessens über diese Ereignisse gelegt, aber an den grundlegenden Haltungen hat sich nur wenig geändert. Großbritannien erlebte in den 90er Jahren und zu Beginn dieses Jahrtausends einen wirtschaftlichen Aufschwung, aber der radikale Schnitt zur Privatisierung der Staatsbetriebe und die Konzentrierung auf den Finanzmarkt, den Margaret Thatcher vollzog, gelten heute wieder als Grund für die aktuelle Krise in England. Selbst das Ende des kalten Krieges hat ihre damalige Haltung nur wenig relativiert, weshalb sich auch ihr Ruf als „Eiserne Lady“ bis heute gehalten hat – für die Einen ein Vermächtnis der Stabilität und Konsequenz, für die Anderen der Sturheit und Rücksichtslosigkeit.

Zu erwarten, dass ein Film diesen Disput zu lösen in der Lage ist, wäre vermessen. Regisseurin Phyllida Lloyd und ihrer Drehbuchautorin Abi Morgan wählten deshalb den Weg ins Private, in die Gegenwart einer an Altersdemenz leidenden Frau, die von Bodyguards bewacht und ihrer Tochter Carol (Olivia Colman) betreut, kaum noch vor die Haustür kommt. Meryl Streep’s Darstellung als Mittachzigerin hat natürlich etwas fiktives - ihre Gespräche mit ihrem verstorbenen Ehemann Dennis (Jim Broadbent), ihre mal wachen, mal vergesslichen Momente, ihr grantiges Verhalten gegenüber der Tochter – aber vor allem wird Margaret Thatcher so auf Normalmass reduziert, auf eine alte Frau, die in Erinnerungen an ihre Vergangenheit schwelgt. Das sie in dieser auch Premierministerin von Großbritannien war, wirkt im ersten Moment wie ein Bonmots, wie eines von mehreren Kapiteln der eigenen Geschichte.

Diesen Eindruck betont der Film noch, indem er chronologisch ihren Werdegang bebildert, wie bei einem Blick in ein altes Fotoalbum, dabei aber kaum gewichtet. Ereignisse wie der Falklandkrieg, die Wortgefechte im Parlament oder die Straßenkämpfe, stehen gleichwertig neben Bildern von der Familie am Strand, dem Heiratsantrag von Denis oder ihrem Job in Vaters Krämerladen. Vieles wird einen Moment angerissen, manchmal nur in einem Satz angedeutet, nichts wird wirklich komplex beleuchtet. Es wäre leicht dem Film Haltungslosigkeit, ja Belanglosigkeit zu unterstellen - ausgerechnet gegenüber einer prägenden Figur der jüngeren Zeitgeschichte.

Tatsächlich ist es ein legitimer Ansatz, sich der Person Margaret Thatcher zu nähern. „Die eiserne Lady“ ist weder kritisch, noch heroisierend, sondern deutet nur an. Der Film bringt in Erinnerung, dass es etwas Besonderes war, dass sie sich in einer konservativen, zutiefst männlich dominierten Partei durchsetzte, auch wenn dieser Werdegang nur wenig mit heutigen Emanzipationsvorstellungen gemein hat. Die Bilder ihrer inmitten der Herren schreitenden Damenschuhe bleiben in Erinnerung. Bürgerkriegs ähnliche Szenen, Streiks, Bombenattentate, aber auch die Willkommensfeier der in Falkland siegreichen Soldaten, zeigen ein zerrissenes Land, verdeutlichen den Druck, handeln zu müssen, ohne die daraus entstehenden Konsequenzen genauer zu dokumentieren. In einem Moment zeigt der Film Margaret Thatcher auf dem Höhepunkt ihrer Macht, im nächsten als leicht verwirrte alte Frau.

„Die eiserne Lady“ ist kein Film geworden, der Fragen beantwortet oder Meinungen bestätigt, sondern einer, der erst dazu auffordert, sich mit einer Phase zu beschäftigen, deren Konsequenzen bis in die heutige Gegenwart reichen, nicht nur in England. Das der Film ähnlich kontrovers aufgenommen wird, wie Margaret Thatcher selbst, ist kein Anzeichen für einen Mangel, sondern für seine Qualität (8/10).

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