Review

Ein sonderbares Projekt: Ein Kerl hält zwei Frauen im Keller einer verlassenen Industrieanlage gefangen, foltert und erniedrigt sie, alles mit dem höheren Ziel die Beiden einer Erleuchtung hervorgerufen durch das Durchleben einer Extremsituation näher zu bringen. Als der erhoffte Erfolg ausbleibt, droht der Entführer mit Mord…

Ein Folterfilm aus deutschen Landen? Da guckt man als geneigter Filmfreund doch erstmal genauer hin. Regisseur Roland Reber ist kein unbeschriebenes Blatt und seit den 80er-Jahren aktiv im Geschäft. Zuletzt wurde sein Film ENGEL MIT DEN SCHMUTZIGEN FLÜGELN sogar auf den Internationalen Filmfestival in Sitges aufgeführt. Sein neuestes Werk dürfte Wellen schlagen und die Gemüter spalten. Ein junger Mann, ein Schriftsteller um genauer zu sein, der an einer obskuren Studie zu arbeiten scheint. Zwei gefesselte Frauen, mit Geld angelockt an dem Experiment teilzunehmen. Die Freiwilligkeit geht schon bald flöten. Zum Einsatz kommen mittelalterliche Folterinstrumente wie ein Pranger, genannt „Der Baum der Erkenntnis“, eine Streckbank, eine Maulsperre, des weiteren Terror durch Lärm, die Damen werden auf engstem Raum eingepfercht, ihre Köpfe in quadratische Eisenkästen gesperrt, eine Frau wird sogar in Jesus-Christus-Pose ans Kreuz gebunden und zu guter Letzt enden die beiden Damen an Seilen befestigt als Marionetten. Auch wenn so manches an HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT erinnert, soll dies alles einem höheren Zweck dienen. Die Frauen sollen eine Art Erleuchtung haben, einen bestimmten Bewusstseinszustand erreichen, indem sie alle Hoffnung und jeglichen Lebenswillen aufgeben oder so was. So genau stellt das der Film nicht klar.

„Was echt ist und nicht, entscheidet die Sicht.“

Der Film ist kein Horror- und auch kein Folterfilm im klassischen Sinne. Vergleiche zu MARTYRS sind dennoch angebracht. DIE WAHRHEIT DER LÜGE verzichtet jedoch im Gegensatz zu seinem französischen Pendant komplett auf Gewalt- oder Splatter-FX. Die Bildhaftigkeit mancher Szenen ist dennoch beeindruckend. Auch in jüngster Zeit gab es mehrere Filme (wie z.B. THE WOMAN, MICHAEL, HUNGER, FUNNY GAMES), die sich mit der Frage auseinandersetzten, wie sich Menschen in einer Geiselsituation, also Gefangenschaft und Unterdrückung ausgesetzt, verhalten können, welches Verhalten sie an den Tag legen, wie lange es dauert bis der Wille gebrochen ist. Stichwort: Stockholm-Syndrom, aber das ist hier fehl am Platze.

Was ist Liebe? Was ist Hass? Ist nicht beides dasselbe und komplett austauschbar? Vom Leben in den Tod, vom Tod ins Leben. In jeder Lüge liegt ein Funken Wahrheit und in jeder Wahrheit liegt Lüge. Der Film beschreitet zutiefst philosophische Sphären, begibt sich damit aber auf dünnes Eis und droht wegen zu viel pseudo-intellektuellem Geschwafel einzubrechen. Irgendwie bekommt DIE WAHRHEIT DER LÜGE aber doch die Kurve, auch wenn nicht immer alles Sinn macht und der Spannungsboden gegen Ende auch eher flach ausfällt. Doch irgendwie regt der Streifen zum Nachgrübeln an. Zwar nicht so, dass man sich danach stundenlang das Gehirn zermartert, aber ein paar Szenen und ein paar Dialoge bleiben definitiv haften, zumal das Gezeigte in Punkto Demütigung und Erniedrigung schon manchmal in die Gefilde eines HUMAN CENTIPEDE oder eines SERBIAN FILMS vordringt.
Was dem Film nicht gelingt, ist eine ernsthaft bedrohliche Stimmung aufzubauen. So wirkt DIE WAHRHEIT DER LÜGE eher wie ein Kunstfilm, der sich mit den Themen Folter und Freiheitsberaubung abgibt. Schleierhaft bleibt auch, um was es dem Film eigentlich geht, welche Aussage oder welchen Gedanken er überhaupt vertritt.

Gore: (-)(-)(-)(-)(-)
Spannung: (+)(+)(-)(-)(-)
Gestörtheitsgrad: (+)(+)(+)(-)(-)

„Wir haben stählerne Leiber, aber wächserne Seelen.“

Fazit:
Pseudo-philosophische Folterstudie, oftmals ein bisschen zu hochgestochen, gekünstelt und gestelzt, aber schon allein sehenswert weil aus deutschen Landen. Der deutsche MARTYRS ist es definitiv nicht geworden.

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