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„Tote müssen sofort auf die Straße gebracht und verbrannt werden!“

Als der US-Amerikaner George A. Romero im Jahre 1967 mit einigen Freunden und Bekannten insgesamt geschätzte 114.000 US-Dollar zusammenkratzte, um einen Low-Budget-Film in Schwarzweiß zu drehen, war ihm sicherlich noch nicht bewusst, mit „Night of the Living Dead“ einen verstörenden Kultfilm zu schaffen und das Zombie-Subgenre zu revolutionieren, wenn nicht gar erst eigentlich zu begründen.

Das Geschwisterpaar Johnny (Russell Streiner) und Barbra (Judith O'Dea) sucht das Grab ihres Vaters auf einem abgelegenen Friedhof auf, um einen Kranz zu niederlegen. Dabei werden sie von einem seltsamen Mann attackiert, der Johnny tötet und Barbra verfolgt. Diese rettet sich in ein scheinbar leerstehendes Farmhaus, wo sie auf Ben (Duane Jones, „Tödliche Lippen“) trifft, der das Gebäude verriegelt, um sich vor den immer mehr werdenden Angreifern zu schützen. Aus Radio und Fernsehen erfahren sie, dass es sich um sich epidemieartig ausbreitende, wiederauferstandene Tote handelt, die gierig auf Menschenfleisch sind. Nach einiger Zeit stellt sich heraus, dass im Keller des Hauses bereits Familie Cooper Zuflucht suchte und es kommt zum Streit…

Noch großartig Worte über „Night of the Living Dead“ zu verlieren, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Wie kein Zweiter hat dieser sowohl dem Zombiefilm neue Impulse versetzt und seither quasi jeden Zombiefilm inspiriert. Auch außerhalb des Zombiebereichs findet er sich in einer Reihe einflussreicher Genre-Produktionen wieder, die den Horrorfilm weiterentwickelten und jeweils Pate standen für viele Nachahmer. Das Jahr 1968, in dem „Night of the Living Dead“ schließlich in den Kinos anlief, bedeutete eine Zäsur im Horrorfilm, denn auch mit dem von William Castle produzierten und dem ambitionierten jungen Filmemacher Roman Polanski verfilmten „Rosemaries Baby“ war erst einmal „Schluss mit lustig“ und eine neue Generation psychologisch wirkender, versierter Horrorfilme löste die vorausgegangenen, oftmals comichaft-überzeichneten und weit weniger verstörenden, weil viel mehr auf kurzweilige Unterhaltung setzenden B- und Drive-in-Movies endgültig ab. Dies passte zur gesellschaftlichen Stimmung in den USA, die geprägt war von Misstrauen in die Obrigkeit, blutigen Kriegen wie dem Vietnam-Überfall, sich auf den Straßen formierenden Protesten und dem gewaltsamen Tod außerparlamentarischer Hoffnungsträger.

Waren Zombies zuvor i.d.R. unter Voodoo-Einfluss willenlos gemachte Sklaven, die nicht viel mit den kannibalischen Exzessen verwesender Untoter, wie man sie heute gemeinhin mit dem Begriff Zombie assoziiert, gemein hatten, ließ die britische „Hammer“-Produktion im Jahre 1966 mutmaßlich erstmals einen Zombie optisch effektiv inszeniert aus seinem Grab steigen. Romero und sein Team jedoch waren es, die mit ihrem grimmigen Film den untoten Menschenfresser erschufen. In seiner Retro-Schwarzweißoptik und der orchestralen Archivmusik-Untermalung wirkt es fast, als hätte Romero damit nachträglich seinen eigenen Beitrag zu den klassischen Filmmonstren schaffen wollen – der kannibalistische, von körperlichem Zerfall gezeichnete Zombie neben Vampir, Frankensteins Kreatur, Werwolf etc. Romeros Zombies wurden laut Handlung mutmaßlich durch die durch eine Satellitenexplosion freigesetzte Strahlung zu dem, was sie sind. Und wie sich herausstellen wird, ist ihr Zustand durch Bisse auf lebende Menschen übertragbar und ihr wiederbelebtes Hirn die Achillesferse der Kreaturen, denn die Zerstörung des Gehirns ist quasi die einzige Methode, sich ihrer zu entledigen. Derart charakterisiert lässt sich zwischen den Zeilen die Angst vor außer Kontrolle geratenen Technologien beispielsweise der modernen Kriegsführung ebenso herauslesen wie vor einem Kriegszustand vor der eigenen Haustür, der in Belagerung und Kollateralschäden, letztlich in Tod und Wahnsinn gipfelt.

Romero arbeitet zu Beginn mit einer Art subjektiver Kamera, die den ersten auftauchenden Zombie von hinten filmt und gibt damit den Startschuss für eine sich stets nah am Geschehen orientierende, dynamische Kameraführung, die manch schräge Perspektive bietet und den Zuschauer sogartig ins Unheil mit hineinzieht. Weite Teile des Films bestehen aus der Etablierung des immer klaustrophobischere Züge annehmenden Belagerungszustands. Gut wird dargestellt, wie Barbra unter Schock steht, apathisch und lethargisch kaum in der Lage ist, Ben zu helfen. Dieser wiederum reißt die Verantwortung an sich und lehnt sich verzweifelt gegen die Gefahr auf, ist nicht bereit, sich in sein naheliegendes Schicksal zu fügen. Daraus ergibt sich Identifikationspotential für den Zuschauer, das auch anhält, als durch das Dazustoßen der Familie Cooper zwischenmenschliche Konflikte entstehen und die Situation sich nicht nur dadurch weiter verschärft. Romero agiert also auf mehreren Ebenen und erzeugt unterschiedliche Gefahrenquellen, die „Night of the Living Dead“ mehrschichtig machen und den Spannungsbogen fast über die gesamte Distanz aufrechterhalten. Eine weitere Ebene ist die mediale Berichterstattung, die die Hauptinformationsquelle der Eingeschlossenen wird und die sich ebenfalls immer weiter zuspitzt, immer neue Schreckensmeldungen bereithält. Lange Zeit sieht der Zuschauer die Geschehnisse lediglich aus der Perspektive der sich im Haus befindenden Personen und verfügt über denselben Kenntnisstand wie sie, was erst gegen Ende aufgeweicht wird, wenn die bewaffnete „Bürgerwehr“ ins Spiel kommt, die gezielt Jagd auf die Zombies macht. Dadurch überträgt sich die klaustrophobische Stimmung unweigerlich aufs Publikum.

An Spezialeffekten bietet „Night of the Living Dead“ neben brennenden Zombies explizite Fressszenen, wodurch sich der Film ins Gebiet des Splatterfilms vorwagt und seinerzeit moralische Grenzen von Publikum und Kritik sprengte. Im Finale eskaliert die Situation vollends und fordert viele Opfer, bis man den Zuschauer kurzzeitig in Sicherheit wiegt, um ihm dann ein superzynisches Ende sprichwörtlich vor den Latz zu knallen, das wiederum Rückschlüsse auf die gesellschaftliche Situation in den USA zulässt.

Romero & Co. schufen mit einfachen Mitteln und erstaunlich gut agierenden, unerfahrenen Schauspielern ein wegweisendes Meisterwerk, das sich tief ins kollektive Bewusstsein eingebrannt hat, woran es null komma nix zu rütteln gibt – auch wenn es einige Jahre dauern sollte, bis „Night of the Living Dead“ die Ehre zuteilwurde, die ihm gebührt und ganz gleich, wie viele Kilo Innereien und Liter Kunstblut spätere Zombiefilmer aufwendeten, um den Schockeffekt zu steigern zu versuchen.

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