Stella! Stellaaaa! STELLAAAAAA!
Wäre sie doch nur bei der Theatergruppe am Andreas-Elsholz-Gymnasium geblieben
„Masks" von Andreas Marschall aus dem Jahr 2011 ist ein deutscher Film mit einem englischsprachigen Titel, der ein italienisches Subgenre zitiert. Das klingt ja vogelwild.
Bei der Bewertung stehe ich etwas zwischen den Stühlen, denn auf einer Seite finde ich die Idee des Film sympathisch und ich gehe einfach mal davon aus, es mit einer sehr niedrig budgetierten Indie-Produktion zu tun zu haben, die man auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten beurteilen sollte.
Auf der anderern Seite stehe ich als Filmkonsument, der für eine recht anständige Veröffentlichung von Anolis auch sein Geld bezahlt hat und im Rahmen der vom Film selbst gesteckten Erwartungen unterhalten werden möchte. Und in meiner Beurteilung des Films setzt sich wohl doch die zweite Seite durch.
Den allgemein positiven Kritiken hier und andernorts, besonders unter Genre-Fetischisten und Gorehounds, kann ich somit nicht so recht folgen, denn „Masks" hat mich wegen eben dieser Kritiken mehr enttäuscht als unterhalten, denn der Film ist tatsächlich so uninspiriert wie sein Titel, wenn Marschall sich als Nachahmer von Sergio Martino, Mario Bava und besonders Dario Argento sieht (alle drei werden im Abspann mit Dank versehen), aber irgendwie keine eigene schöpferische Kraft aufbringen kann. Vor allem „Suspiria" wird sowohl im Plot als auch in der Farbästhetik aufgegriffen, ohne jedoch aufgrund des fehlenden Geldes auch nur ansatzweise dessen Wirkungskraft zu erreichen.
Vor allem das Element des Films schlechthin, das Bild, weist hier qualitative Mängel auf, die ich vor allem der technischen Ebene zuordne. Ich meine nicht den Bildinhalt, also Dekors, Kulissen oder die Architektur, sondern wirklich das von der Kamera gelieferte Bild, dass mich auf digitale Kameras schließen lässt, wodurch keine Kino-Klasse erreicht wird, vor allem nicht, wenn man sich auf eine weit zurückliegende Kinoära bezieht. Richtiger Film, 35 oder 16 mm, hätte die recht manierlichen Setdesign deutlich besser zur Geltung gebracht. Daran krankt der Film dann logischer Weise über seine gesamte Laufzeit und lässt ihn doch recht billig wirken, was grundsätzlich schade ist, denn dadurch treten auch die anderen Mängel stärker hervor.
Das dargebotene Schauspiel ist doch schon eine Herausforderung für den Zuschauer. Man könnte jetzt sagen, die Schauspielschule im Film ist halt scheiße und folglich sind es auch die Schauspieler-Schauspieler, aber so viel Meta traut sich der Film gar nicht. Die Schauspieler spielen einfach amateurhaft, haben keine Ausstrahlung und werden dann noch vom Drehbuch im Stich gelassen. So hüpft die Hauptdarstellerin nach Aufnahme an der Schule froh durch einen Flur und sagt dem Freund am Telefon, er möge schon einmal den Sekt öffnen. Helene Fischer selbst würde menschlichere und einfallsreichere Dialoge schreiben. „Sonntags gibt es bei uns auch mal Lachs zum Brunch" oder „Wenn es draußen kalt wird, schlafe ich gerne in Biber-Bettwäsche, die ist so kuschelig" zum Beispiel. Zudem wird die Hauptfigur mit der Aufnahme von Zeitungsausschnitten an einer Wand als Dorfdummsel eingeführt, die an ihrer Schule ganz toll Theater gespielt hat und ein ganz fesches Mädchen ist. Gleichzeitig nimmt der Film aber keine erzählerische Distanz zu dieser Figur auf, die viel zu klein für die große Welt des Kinos ist, sondern bewegt sich die ganze Zeit mit ihr auf einer Ebene. „Meine Nachbarn, Tante Jutta und mein Cousin Ingo fanden meinen Film voll gut. Wie einen richtigen Kinofilm!" Aber das Schauspiel war ja teilweise bei Argento auch schon so...
Allerdings bricht das kleinbürgerliche Erscheinungsbild des Films hier ganz massiv mit der Welt des Giallos, die ja immer eine Welt und eine Gesellschaft der Schönen, Reichen, Künstler und von allem Irdischen Entrückten war. Das Verhalten der Jungschauspieler in "Masks", die sich verhalten wie ein Haufen geinfluencter Teenies beim RTL2-Casting, haut jedenfalls mal ordentlich daneben, wenn man ganz gemein erst die Hand zur Begrüßung ausstreckt und sie dann zurückzieht. Voll der Diss! Wer so etwas nach 1992 noch in ein Drehbuch schreibt, hätte wohl doch die Laufbahn des Versicherungskaufmanns wählen sollen.
Die dargebotenen Gewaltszenen sind dafür jedoch technisch sehr plastisch und effektiv umgesetzt worden und wirken im Vergleich zu den „originalen" Gialli der Siebziger wesentlich naturalistischer, allein schon, weil man auf dieses intensive Rot für das Filmblut verzichtet. Aber das war ja teilweise beim späten Argento auch schon so...
Die Goblin-Imitation zu Beginn des Film empfand ich sehr gelungen (und erwartete nicht zuletzt deswegen auch mehr Qualität), aber im Film selbst verliert die musikalische Untermalung an Vordergründigkeit und mein Interesse. Der melodische Metal-Song im Abspann hat dann den Coolnisfaktor eines Jugendgottesdienstes oder eines CDU-Mitglieds, das behauptet, man habe den Parteitag "gerockt". Auweia!
Aber das war ja bei Argento teilweise auch schon so...
Fazit
Als Amateurfilm würde ich sagen, dass „Masks" durchaus ein in vielerlei Hinsicht gelungenes Giallo-Ripp-Off und Übungsstück für die Macher geworden ist. Dafür lege ich gerne noch einen Punkt oben drauf.
Als Käufer einer Blu-Ray für den großen und weiten Filmmarkt reichen mir die Zitate aber nicht für eine gute Unterhaltung, denn die schauspielerischen Leistungen, die nur zum Teil verschleierte billige Machart und eine durch und durch vorhersehbare Geschichte trüben den Gesamteindruck schon sehr und mir fehlt die erkennbare kreative Eigenleistung des Regisseurs, die ich anerkennen könnte. Denn schon 1971 haben sehr gute Handwerker und fantasievolle Köpfe aus wenig Geld und mit teilweise untalentierten Schauspielern coole und unterhaltsame Gialli gemacht. Dies gelingt „Masks" ganz einfach nicht und ich war froh, als der Kopistenspuk dann vorbei war. Mehr Vergeigung als Verneigung - sozusagen.
Mal sehen, ob ich dem Film irgendwann noch mal eine zweite Chance gebe und dann meinen Ersteindruck revidiere. Aber als Giallo 43 in 5 Wochen kann mir der Film im Moment nur ein "Schwach ausreichend" entlocken.