"Dreht euch nicht um - die Frau in Schwarz geht wieder um; wen sie ansieht und nicht lacht, dessen Kind wird platt gemacht!"
So einfach per Schüttelreim geht das, etwas frischen Wind in die traditionell ausgelatschten Pfade des massentauglichen Horrorfilms zu pusten. Endlich mal keine wacklige Handkamera, kein mörderisch individuelles Konzept, keine Asia-Anbiederei und kein Remake a la Nispel von irgendeinem wehrlosen Klassiker, der der zahnlosen Öffentlichkeit längst bekannt gemacht wurde, um das Zeugnis ausgestellt zu bekommen, wie "olsch" er doch inzwischen wirken würde.
Stattdessen ein gutes Pfund althergebrachte, atmosphärische Gruselstory im viktorianischen Nachthemd, bei dem der Adrenalinpegel nur in Zeitlupe steigt und die Zäsur-Schocks nur Kontrapunkte zu beständig umherschwebenden Bedrohung sind. Alles gut, sollte man meinen. Naja, beinahe.
"Die Frau in Schwarz" ist so etwas wie ein Resetknopf und ein kleiner Reboot für die schon fast ins Klassikermärchenreich verbannte britische Gruselschmiede "Hammer", die sich zum wiederholten Male neu formieren will und dies im gemächlichen Tempo nun auch angeht. Dazu gehört auch, mittels großformatigem Produktionslogo, das irre anbiedernd bei "Marvel" abgemalt ist, allein einzubläuen, daß mit dem neuen Team wieder zu rechnen ist.
Genug aufgeboten hat man mit diesem Grusler: die erste kinotaugliche Verwertung eines Erfolgsromans, einen gefeierten Ex-Jugenddarsteller in Gestalt von Daniel "Potter" Radcliffe, abgründige Schauwerte und solides, nebelverwobenes Handwerk, dabei wenig Blut, aber mehr Schicksal.
Zugute kommt der Produktion, daß die einzige bisherige Verfilmung für das Fernsehen vorgenommen wurde und lange genug her ist, um nicht jedem vor der Nase herumzuschwirren. Noch dazu wird man mit DVDs davon noch nicht totgeworfen. Allerdings ist die TV-Produktion von 1989 eine kleine, feine und bescheidene Perle, die sich sogar die holde Weiblichkeit gefahrlos antun konnte und so eine Art Weihnachtsklassiker geworden ist. (Näheres in meinem Review dort!)
Gespart an Talent hat man bei der Neuverfilmung jedenfalls nicht; mit James Watkins, der für seinen gnadenlosen "Eden Lake" eine Menge Genrelob einfuhr, hat man einen soliden Regisseur an der Hand, wie sich herausstellt und Autorin Jane Goldman hat auch schon Delektierbares in Hollywood abgeliefert ("The Debt", "X-Men: First Class"; "Kick-Ass"). Also schickt man den Ex-Potter als end-traurigen Witwer mit Sohn und Angestellten einer Anwaltskanzlei in den nebligen britischen Norden in ein Küstennest, um den Nachlaß einer jüngst Verstorbenen durchzusehen. Wie das so ist in den guten alten Hammer-Filmen, ist man als Fremder im Dörfli überhaupt nicht gern gesehen, jedermann setzt alles daran, den guten Jungen gleich wieder loszuwerden. Aber wenn der Job auf dem Spiel steht (und damit die Existenz), dann macht man sich auf die Socken (bzw. die Kutsche) und rollt dem Schicksal entgegen, denn der düstere Landsitz befindet sich auf einer windumtosten Insel vor der Küste, zu erreichen nur über einen gezeitenabhängigen Damm durch die modrigen Marschen.
Letztere haben es natürlich in sich, denn vor gut 27 Jahren spielte sich, wie sich nach und nach herausstellt, hier ein Familiendrama ab, bei dem ein kleines Kind im Schlamm versank. In welcher Beziehung dieser Todesfall zu der Verstorbenen bzw. dem titelgebenden Spuk steht, sollte man dann besser selbst herausfinden, denn auch wenn der Roman bzw. das Skript nicht eben mit Innovation geprügelt ist, wird diese traurig-abgründige Geschichte immerhin mit den notwendigen Ernst behandelt, d.h. mit humorvollen Entlastungsmomenten ist hier nicht zu rechnen.
Stattdessen ist und bleibt der Ton stets grimmig und traurig und wer das Setting vor Augen hat, weiß schon bald, daß unser Protagonist sich früher oder später mit dem Geist in dem Haus wiederfinden wird, ob er nun will oder nicht. Diese Gelegenheiten formen das Herzstück der Geschichte, angefangen bei einem mehrstündigen Kurzbesuch mit der ersten Sichtung des düsteren Phantoms, einer akustischen Horrorshow im Nebel und schließlich einigen wirksamen Momenten, in denen der Geist am Bildrand unbemerkt von Advokat Kipps den Geschehnissen beiwohnt.
Später wird der zu allem Entschlossene die Nacht vor Ort zubringen und wie könnte es anders sein, wird dann aus allen Rohren geschossen, was der Geisterfilm hergibt. Huschende Figuren im Hintergrund, verschlossene und sich öffnende Türen, Schriften an der Wand, ein gruseliges Kinderzimmer, ein wackelnder Schaukelstuhl, Geisterkinder im Garten und einige markerschütternde Kurzschocks, bis Radcliffe die Hose flattert.
Diese 20minütige Tour-de-Force, ohne Dialog und mit nur einigen Selbstgesprächzeilen, ist sicher nicht die Krönung des Genres, aber sie sind wirksam, sofern man sich auf leisen Grusel einlassen kann und sie verzichten zum größten Teil auf den CGI-Wahn, der jede Illusion zerstört.
Der Kern von Susan Hills Roman ist dabei erhalten geblieben, wenn auch, genauso wie im TV-Film, gewisse Modifikationen vorgenommen wurden. Allein die steten betonten Hinweise auf Kipps im Kindbett gestorbene Frau, die öfters mal ganz in Weiß über Traumfriedhöfe wandelt, weisen darauf hin, daß das alles auch enorm übel enden könnte. Damit das aber nicht ganz so aussichtslos ist, hat sich Jane Goldman fröhlich in der Filmgeschichte des Horrors bedient, von dem klassischen Hammer-Verweisen über das Isolationsszenario bis zu einigen Fingerzeigen in die Richtung solcher Größen wie "The Haunting" (das abgeschlossene Kinderzimmer, die Korridorflucht, die Desorientierung des Hausinneren). Als Sahnehäubchen mischt man dann im letzten Drittel noch ein paar gute Ideen aus Asien darunter, wenn das Ganglicht von hinten nach vorne verlöscht oder die Bergung der Moorleiche samt bemühter Familienzusammenführung so deutlich bei "Ringu" abgeschrieben ist, daß man meint, man hätte der Vorlage in ihrer Simplizität nicht vertraut.
Kritik steckt aber wohl hauptsächlich das "cheesige" Finale ein, daß man als Kenner natürlich von weit hinten hat nahen sehen und daß man nach dem Bombardement mit kreischenden schwarzen Frauen fast dankbar entgegennimmt, bis es eine Tüte Kitsch zuviel mit auf den Weg gibt. Versauen kann das den Film jedoch nicht mehr, hat man sich von seinen modernen Gruselkonventionen erstmal verabschiedet.
Die größte Hypothek des Films ist jedoch das Pfund, mit dem auf jedem Plakat gewuchert wird: der Hauptdarsteller.
Klar, daß Radcliffe sich von seiner Potter-Vergangenheit distanzieren möchte und der traurige Advokat steht ihm prinzipiell nicht schlecht als Figur, allerdings wird aus dem Mann leider kein oscarverdächtiger Mime mehr. Mit dem eher vertraut-irritierten Potter-forever-Gesichtsausdruck und einer Prise Schmerz in den Mundwinkel arbeitet er sich sparsam durch den Film, kann aber nicht wirklich glänzen. Zudem wirkt er immer noch viel zu klein und jung für die Rolle, vor allem wenn er von einem gestandenen Darsteller wie Ciaran Hinds in der größten Nebenrolle vollkommen an die Wand gespielt wird.
Zum Glück setzt Watkins jedoch hauptsächlich auf Atmosphäre und leise Effekte und das Set ist wirklich ein erlesenes Schauderstück an Studiobau (die Außenaufnahmen von "Eel Marsh House" sind allerdings ebenfalls sehr eindrucksvoll) und bedient so alle Altersschichten, ohne sich bei einer besonders anzubiedern.
Für "Hammer" könnte "Woman in Black" bedeuten, daß man jetzt über den britisch gefärbten Tellerrand hinausschauen kann und sogar eine Franchise-Basis in der Hand hält. Ein Erfolg sicherlich, nicht wirklich originell, aber hocheffektiv konstruiert und dem Geist der Vorlage einigermaßen gerecht geworden. Bleibt nur die Frage, ob es noch mehr Stoffe gibt, die originell genug sind, Neues zu bieten und verschiedene Zuschauerschichten anzusprechen - ohne daß man, wie bei "Dark Castle" das Erfolgsrezept so lange tot reitet, bis eine kreative Handschrift dahinter nicht mehr zu erkennen ist. (7/10)