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Regisseur und Drehbuchautor Heinz Weingartner beschreibt in einem Interview schlüssig, dass das Schicksal, das seinem Protagonisten Martin Blunt (Peter Schneider) in "Die Summe meiner einzelnen Teile" widerfährt, Jedem widerfahren könnte. Es bedarf oft nur kleinerer Ereignisse, um das fragile Gleichgewicht eines funktionierenden Lebens zu zerstören. Auch der Filmtitel weist auf diesen generellen Anspruch hin, denn die Summe der einzelnen Teile eines Menschen haben in der heutigen Gesellschaft keine Bedeutung mehr, wenn ein Teil davon versagt.

Heinz Weingartner will den gesamten Menschen sehen, will Martin auf seinem Weg begleiten, der ihn unweigerlich in die Obdachlosigkeit und damit in eine Position führt, für die es in unserer Gesellschaft keinen Platz mehr gibt - nur noch äußerliche Hilfeleistungen. Weder die Polizei, noch Sozialarbeiter oder Psychologen wollen dem verwahrlosten Mann wirklich helfen. Es ist einfach ihr Job, sich um solche Randfiguren zu kümmern. So sperrig und unbequem sich diese Thematik anhört, so gerechtfertigt ist dieser Blick auf Menschen, die von einem Moment zum Anderen durch das soziale Raster fallen, ohne das es dafür die üblichen Ausreden gibt.

Die Figur des Martin ist prinzipiell gut gewählt, denn bei ihm handelt es sich um einen erfolgreichen Mathematiker, Mitte Dreißig, studiert, guter Job, Freundin und schöne Wohnung in einem Berliner Altbau. Doch diese Vorgeschichte schildert Weingartner nur am Rande, denn er beginnt seinen Film, als Martin nach einem halbjährigen Aufenthalt in der geschlossenen Therapie entlassen wird, versorgt mit einer Armada an Tabletten, die er täglich zu sich nehmen muss. Ihm wird in tristester Stadtlage in Marzahn eine spärlich möblierte Wohnung zugeteilt. Von seinen Sachen aus der gemeinsamen Wohnung mit Petra (Julia Jentsch), kann er sich, auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, nur noch zwei Kisten holen, die diese - inzwischen schon mit einem neuen Freund versehen - im Keller untergebracht hatte.

Schon an dieser Konstellation wird deutlich, dass Weingartner seinen generellen Anspruch von Beginn an aus den Augen verliert, denn er will auch eine abwechslungsreiche Geschichte erzählen. Er erzeugt mit der tragischen Situation zu Beginn den Eindruck, Martin möglichst schnell auf die Straße schicken zu wollen, aber damit nimmt er der Thematik die notwendige Nachvollziehbarkeit. Unabhängig davon, dass Martin ein halbes Jahr nach Beginn der Krankheit, selbst wenn ihn sein Arbeitgeber inzwischen entlassen hatte, noch über erhebliche Geldmittel hätte verfügen und sich damit auch noch eine anständigere Wohnung hätte leisten können, ist es allein rechtlich schwer vorstellbar, dass ihn seine Freundin inzwischen aus der gemeinsamen Wohnung ausgeschlossen, quasi enteignet hatte.

Auch die privaten Hintergründe lässt Weingartner vollständig weg, was wenig authentisch wirkt, da Martin gleichzeitig als Sympathieträger stilisiert wird. Er schließt Freundschaft mit dem 10jährigen Viktor (Timur Massold), der aus der Ukraine stammt und kaum ein Wort Deutsch kann, und er lernt Lena (Henrike von Kuick) kennen, die schnell zu ihm Vertrauen fasst, trotz seines ungepflegten Äußeren. Das ein solcher Mann von seiner Freundin und anderen Freunden sofort im Stich gelassen wird, weil er für ein halbes Jahr in Therapie muss und nicht mehr funktioniert, erzeugt schnell den Eindruck, dass es Weingartner hier weniger um das realistische Abbild der sozialen Verrohung unserer Gesellschaft ging, als um eine möglichst zugespitzte emotionale Schürung dieser Thematik.

Unabhängig davon, ob man Martins Versuch, sich einen eigenen Platz in unserer durchorganisierten Gesellschaft zu suchen, unterhaltend, zu fantasievoll oder schlicht unglaubwürdig findet, zerstört Weingartner zunehmend seinen gerechtfertigten und notwendigen gedanklichen Ansatz. Besonders dadurch, das er Martins psychische Krankheit mit dessem prügelnden Vater und seiner früh verstorbenen Mutter begründet, nimmt er dieser Figur den generellen Fakt, dass für eine Depression - oder modern "Burn-Out" - keine für alle Beobachter logische Begründung notwendig ist. So wird "Die Summe meiner einzelnen Teile" doch wieder zum üblichen Panoptikum über ein Einzelschicksal, das man mit ehrlicher Anteilnahme und aufrichtiger Empörung über die Gesellschaft goutieren kann, ohne sich selbst darin wiedererkennen zu müssen (2/10).

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