1: Murder House
erstmals veröffentlicht: 09.03.2013
Die Staffel hält leider nicht, was der Pilot verspricht. Unwirklich, bizarr, unerklärlich, grotesk und unheimlich ist "American Horror Story" leider nur in den ersten ein, zwei Folgen und im stimmigen Vorspann. Viel früher als erwartet ergreift das Vertraute Besitz in der Handlung. Erklärungen werden geboten, Licht legt Dinge frei und das drückt enorm auf die Gruselstimmung. Eine richtige Horrorserie suche ich leider immer noch vergebens; zwar kann diese hier durchweg mit einer intensiven Atmosphäre und hochwertigen Production Values punkten, auch das sich an Traditionen amerikanischer Horrorgeschichte klammernde Konzept sowie die damit verbundene Erzählstruktur kann vollends überzeugen, ebenso wie der durchweg starke Cast, der neue Gesichter gut einsetzt und zuverlässige alte Gesichter neu interpretiert. Nur wird all das in die Kategorie "nette Abendunterhaltung" zurückgedrängt, weil man mit zunehmender Laufzeit das Gefühl hat, man schaue eine Soap mit Geistern. Wo sind die echten Abgründe? Offensichtlich ist das Serienpublikum noch nicht bereit für verstörende Inhalte, auch wenn es anderswo Sex und Blut in Massen konsumiert. Die Richtung für ein Alternativprogramm zu letzterem stimmt, allein fehlt die unbedingte Konsequenz.
6/10
2: Asylum
erstmals veröffentlicht: 23.11.2013
Für eine Horrorserie steckt auch weiterhin erschreckend wenig Horror in “American Horror Story”; wenn überhaupt, kann man von einer Art komfortabler Spannung reden, wie man sie auch von einem Krimi erwarten würde.
Davon mal abgesehen, hat die Serie natürlich ganz andere Qualitäten; dazu gehört das unkonventionelle Konzept, die gleichen Schauspieler pro Staffel unterschiedliche Charaktere in unterschiedlichen Stories aufzubieten. Abgesehen vom Inszenierungsstil (schizophrene, schnelle Bildabfolgen mit vielen Schnitten und Störbildern) und eben dem Darstellerstamm hat die zweite Staffel mit der ersten praktisch nichts zu tun. Verbunden sind die Plots nur dadurch, dass sie beide die dunklen Geheimnisse amerikanischer Geschichte aufrollen. Davon abgesehen widmen sie sich komplett unterschiedlichen Themen, was zu einer jeweils anderen Grundstimmung führt. „Asylum“ kann auf dem Papier mit Psychopathen, Geistlichen, Aliens und Dämonen überladen wirken, löst das tatsächlich aber weitgehend geschmackvoll. Bei dem Setting hätte man sich sogar fast noch mehr ausgeflippte Szenen wie die „Name Game“ Musicalnummer gewünscht. Zum Ende hin werden so ziemlich alle geöffneten Handlungsstränge fein säuberlich geschlossen und ein insgesamt zufrieden stellendes Ende geboten, so dass man gar nicht sagen möchte, welche Staffel die bessere war; sie sind einfach anders.
7/10
3: Coven
erstmals veröffentlicht: 02.05.2015
Von der absurd zusammengewürfelten Horror-SciFi-Mixtur, die Staffel 2 bot und bei der man das Gefühl hatte, sie hätte vier großartige separate Staffeln ergeben, hätte man nicht alles übereilt in 13 Folgen gepackt, nimmt die dritte Runde “American Horror Story” Abstand und schweift zumindest thematisch weniger ab. „Coven“ knüpft zwar Verwandtschaften zwischen klassischen Horrorthemen und deckt etwa Übereinstimmungen zwischen Hexen-, Zombie-, Voodoo-, Vampir- und Okkulthorror auf, zieht auch Linien zwischen Klassik, Moderne und Postmoderne, verlässt aber erfreulicherweise seltener den Pfad des plausiblen Zusammenhangs. Es gibt tatsächlich mal wieder so etwas wie einen Anfang und ein Ende. Selbst wenn der rote Faden in der Mitte etwas zerfasert, denn die größtenteils wieder recycelten Darsteller kochen aller mehr oder weniger ihr eigenes Süppchen und bedienen eigene Schlüsselthemen; ob Femme Fatale (Jessica Lange), Harry-Pottresse (Taissa Farmiga / Gabourey Sidibe / Emma Roberts), Frankensteinmonster (Evan Peters) oder Voodoo-Priesterin (Angela Bassett), die Serie spielt wieder ihren unbedarften Charme aus, alles in einen Topf zu werfen, bekommt die Mischung aber immerhin gut genug hin, dass der Rahmen einigermaßen intakt bleibt und erst im Nachhinein deutlich wird, wie viele Kuchen hier tatsächlich angeschnitten werden. So etwas wie echte Spannung oder intensiven Grusel erzeugt man damit natürlich nicht, dazu ist „American Horror Story“ schlichtweg zu ruhelos und ungeduldig. Und doch freut man sich darauf, in „Freak Show“ weitere Horrormotive um die Ohren gehauen zu bekommen.
6/10
4: Freak Show
erstmals veröffentlicht: 17.07.16
Das Quasi-Remake von "Freaks" beginnt herausragend. Schon der Vorspann übertrifft seine ohnehin durchweg überzeugenden Vorgängervarianten mit bizarren Stop-Motion-Effekten, in der Handlung wird dann mit einem bestialischen Clown einer der interessantesten Antagonisten der Serie eingeführt, der mit unberechenbarem Verhalten und einigen überaus brutalen Angriffen immer wieder Momente des Erstarrens erzeugt. Die titelgebende Gemeinschaft der Freaks erweist sich drehbuchseitig als funktionierendes Konstrukt, das hohes Interesse für die Subkultur aufkommen lässt. Ein schauspielerisches und optisches Highlight bietet Sarah Paulson in einer Doppelrolle als siamesischer Zwilling; eine schauspielerisch fordernde, sehr intensive und im Bild stets die Aufmerksamkeit fordernde Rolle, die sogar experimentelle Schnittechniken auf sich zieht. Über Jessica Langes Elsa Mars wiederum wird der Plot um eine historische und wirtschaftliche Dimension vertieft, derweil sich langsam eine Versus-Konstellation andeutet, in der zwei zeitlich und örtlich getrennte Plotstränge sich langsam aufeinander zubewegen.
Obwohl mit Finn Wittrock schließlich ein Gegenspieler auftritt, der sich von einer überzeichneten Witzfigur zu einer noch größeren Schreckgestalt mausert als der ursprüngliche Clown, zerfällt das Handlungsgerüst nach gut einem Drittel der Laufzeit serientypisch wieder einmal in alle Bestandteile, weil einfach zu viele Elemente untergebracht werden möchten. Das führt zu einem großen Loch im Mittelteil, der sich nicht entscheiden kann, welche Richtung er einschlagen möchte. Nebenrollen wie jene von Michael Chiklis werden ohne entsprechenden Ertrag extrem psychologisiert, Figuren behäbig zueinander in Beziehung gesetzt und sehr selten mit der "normalen" Gesellschaft konfrontiert, derweil sich das meiste inzestuös in den eigenen Zelten abspielt. Über einzelne Highlights wie die geschmackvolle Songauswahl (Lange darf einiges von David Bowie interpretieren und übernimmt auch dessen Stil auf der Bühne sehr gelungen) muss man sich in die letzten Folgen retten, die dann endlich wieder ein Ziel vor Augen zu haben scheinen und der bisher unumstrittenen Hauptdarstellerin der gesamten Serie zu einem wunderbaren Ende verhelfen, bevor die fünfte Staffel erstmals ganz ohne ihre einnehmende Präsenz auskommen muss.
6/10
5: Hotel
erstmals veröffentlicht: 19.03.2017
Obwohl man sich zuverlässig von Jahr zu Jahr chamäleonartige Themenwechsel der schrillsten Sorte einfallen lässt, bleiben die Problembilder eine wiederkehrende Konstante: Die ersten drei, vier Episoden versprechen jeweils immer die gruseligste, spannendste und fantasievollste Staffel, doch hat die Erzählung einmal Licht ins Dunkel gebracht und seine Figuren völlig entmythisiert, bleibt die Immersion auf der Strecke: Plötzlich lauscht man einfach nur noch irgendeiner „American Story“.
So eignet sich die Kreation von Ryan Murphy und Brad Falchuk seit jeher hauptsächlich für eine Betrachtung, die einen metatextuellen Blick auf das Schauspielfach. Es ist stets ein besonderes Vergnügen, die gleichen Schauspieler immer wieder in den unterschiedlichsten Rollen auftreten zu sehen und ihre Freude an der Herausforderung unmittelbar nachfühlen zu können. Als Rückschlag musste daher gelten, dass die für sämtliche ihrer Inkarnationen hochgelobte Hauptdarstellerin Jessica Lange nicht mehr länger von der Partie ist und gar mit der schauspielerisch eher unerfahrenen Popsängerin Lady Gaga ersetzt wurde.
Dabei liegt diese anfangs eine unerwartet großartige Performance hin, nicht zuletzt sicher auch, weil sie ihre eigene Bühnenkreation zum Teil für diese Rolle assimiliert. Begünstigt durch das in Sachen Architektur, Design und Beleuchtung unheimlich erscheinende Hotel gewinnt sie mit effektiven Kurzauftritten schnell ein enormes Maß an Präsenz.
Dann aber setzt der typische Konfusionseffekt dieser Serie ein und sowohl Gaga als auch die meisten ihrer Untergebenen verlieren ihre Körperlichkeit. Die kurzen Zeitraffer-Sequenzen eines Silent-Hill-artigen Geschöpfs mit stachelartigem Phallus referiert noch einmal auf den visuellen Stil der ersten Staffel, bleibt aber letztlich eine Fußnote in einer von Verlangen, Liebe, Missgunst und Selbstsucht gezeichneten Geschichte, die letztlich wieder nur wenig Platz lässt für Abstraktes oder Surreales.
Der Schauplatz allerdings überzeugt durchweg, insbesondere, wenn seine dunklen Winkel, doppelten Böden und nicht zuletzt seine ironisch belegte Schokoladenseite betont werden. Letztlich liegt es an den starken Nebendarstellern (hervorzuheben ist diesmal ohne Frage Denis O'Hare) und dem nicht uninteressanten Konzept (wer im Hotel stirbt, wird dort für immer umhergeistern und den Gästen auf die Nerven gehen), dass man sich doch vielleicht eine Spur stärker für die Story erwärmen kann als beispielsweise für die absurden Hexen- oder Irrenanstaltsjahre. Wer grundsätzlich etwas mit der Fremdartigkeit von Hotelräumen im Dienste des Horrors anfangen kann, wird außerdem nicht nur mit platten Filmzitaten der Marke „Zwillingskinder auf dem Dreirad im Flur“ gepeinigt, sondern mit tiefer gehenden Andeutungen dessen, was der Horrorfilm im Spiel mit fremder Umgebung und engen Räumen hervorgebracht hat.
Das Schöne an dieser Serie ist ja, dass jede Staffel das Potenzial hat, die Lieblingsstaffel zu werden. Die Produktionswerte stimmen ausnahmslos immer, der Kreativität sind bislang ebenfalls keine Grenzen gesetzt; so entscheidet am Ende meist die persönliche Themenaffinität. Anhänger der „Shining“-Schule dürfen sich also gerne in die Lobby wagen.
7/10
6: Roanoke
erstmals veröffentlicht: 24.01.2018
Sich an Found-Footage-Stoffe zu wagen, gehörte zuletzt nicht immer zu den klügsten kreativen Entscheidungen von Filmemachern, auch wenn sich diese kosteneffiziente Art der Filmproduktion wohl nach wie vor rentiert. Der ruhelosen, stets nach neuen Impulsen suchenden Anthologieserie "American Horror Story" verhilft sie in ihrer sechsten Staffel jedoch unerwartet zu neuem Drive; und das, obwohl das "Murder
House" aus der ersten Staffel im Grunde bloß ein erweitertes Remake erfährt.
Vielleicht liegt der frische Wind auch darin begründet, dass in diesem Fall nicht unbedingt Kosteneinsparungen Hauptmotivation waren, mit der HD-Kamera auf Geisterjagd zu gehen, sondern tatsächlich kreative Beweggründe zu erkennen sind - zumal nach wie vor wertige Kameraeinstellungen zum Zuge kommen, die erlesene Perspektiven auf geschlossene Räume wie offene Ebenen bieten. Zur "Hotel"-Vorgängerstaffel, die in der Ausstattung vor Opulenz zu platzen drohte, ergibt das reduzierte, lichtarme Setting außerdem einen spannenden Kontrast, der über ein ungewöhnliches Gebäude mit viel Charakter trotzdem noch eine Parallele aufweist.
Die erste Folge der zehnteiligen Staffel beginnt extrem stimmungsvoll und verspricht exquisiten Haunted-House-Grusel der klassischen, eher blutleeren Variante (zu diesem Zeitpunkt ahnt man noch nicht, welche Gewaltexzesse im weiteren Verlauf warten) - doch Versprechungen, die waren schon immer ein Problem dieser Serie, denn selten konnte eine Staffel ihren roten Faden bis zum Ende halten.
Diesem bekannten Problem wirkt man nun entgegen, indem man einfach zwei geschlossene Handlungen hintereinander erzählt, die durch Meta-Bezüge miteinander verknüpft werden. Dass dabei auch die anfangs scharf getrennten Ebenen der Fiktion und der Realität miteinander verwoben werden, gehört überhaupt zu den Hauptanliegen der Drehbuchautoren, die all ihre Mühen darauf ausrichten, Mythen zu tatsächlichen Geschehnissen umzuformen, Transzendentales in Fleisch zu manifestieren. Überhaupt ist "Roanoke" wohl DIE Meta-Staffel der Serie, kommentiert sie ihren eigenen Stand als Illusionen erzeugendes visuelles Medium doch wie nie zuvor, unter anderem, indem sie hinter den Vorhang der vierten Ebene blickt und seine Stammschauspieler nicht ausschließlich neue Rollen spielen lässt, sondern durch das Mockumentary-Konzept in vielen Fällen eine Identität mit zwei Darstellern besetzt. Einer der Darsteller darf sogar wieder seine Rolle aus einer alten Staffel aufgreifen, was den medialen Vorhang endgültig transparent macht.
Wie die Autoren nun im Detail die Schauspieler mit den von ihnen abgebildeten Personen kombinieren, wie sie die Serie-in-der-Serie inszenieren und wie sie dadurch im Endeffekt Stellung zu sich selbst beziehen, gehört zu den ganz großen Momenten aus sechs Jahren "American Horror Story". Es gab in der Vergangenheit größere Schauspielerleistungen, bessere Einzelepisoden und denkwürdigere Locations, aber wohl kein raffinierteres Gesamtkonzept. Was man vorher nur anzudeuten vermochte, gelingt jetzt fast vollumfänglich: Eine Reflektion amerikanischer Ängste im historischen Kontext, erzählt aus
zeitgemäßer Perspektive.
8/10
7: Cult
erstmals veröffentlicht: 31.10.2019
Heute muss man sich als Autor nicht mehr in die Fantasie flüchten, um das Grauen zu ernten; man wirft einfach bequem einen Blick auf das politische Zeitgeschehen.
Erstmals jedenfalls in der Geschichte von "American Horror Story" wird es nicht als notwendig erachtet, auf übernatürliche Elemente zurückzugreifen. Dieser Staffel reicht es, mit einem Röhren der Ungläubigkeit zu beginnen, als Trumps Wahlsieg im Fernsehen verkündet wird. Wenn ein Präsident als Schreckgestalt im Vorspann einer Horror-Produktion desjenigen Landes auftaucht, in dem er regiert, dann muss man kaum klüger als jener Präsident sein, um die tiefe Zerrissenheit des Landes wahrzunehmen. Und wenn man die radikalen, kaum mehr als Parabel verkleideten Mittel sieht, mit denen die Serienmacher den ungeliebten Landesführer zur Schlachtbank führen, spürt man die schiere Verzweiflung.
Natürlich hat die Serie schon immer mit stumpfen Werkzeugen hantiert, insofern ist es nicht abwegig, dass auch die akuten Probleme Amerikas in einer schonungslosen, blutigen Selbsttherapie ans Licht gezerrt werden. Bunte Clownsmasken, die über feigen Gesichtern getragen werden, begonnen beim Trump-Face, das wie die Michael-Myers-Maske verstohlen im Halbdunkel grinst, sie bestimmen die Storyline von "Cult", die von der Verbreitung einer vorgelebten Verrohung auf das Volk erzählt. Der inzwischen heiß diskutierte "Joker" wird somit vorweggenommen, das satirische Ansatz der "Purge"-Reige unterstützt. Die rational erlebte Wirklichkeit ist irrelevant geworden in einer von sämtlichen Koordinaten beraubten Lügen- und Scheinwelt. Also wird die Geschichte aus der Perspektive einer ohnehin bereits völlig verunsicherten Frau erzählt, deren krankhafte Ängste die Realität verschleiern und zu einem Alptraum umgestalten, in dem man sich auf nichts und niemanden mehr verlassen kann.
An den wesentlichen Problemen der Serie hat sich nichts geändert: Sie beginnt kraftvoll, indem sie die politische Rhetorik in drastische Bilder überträgt, verschleppt dann aber ihr Thema und artet schließlich in reines Chaos aus. Diverse Phobien (vor Clowns, engen Räumen oder Löchern) werden wild in einen Topf geworfen, viele Figuren verändern scheinbar grundlos ihr Verhalten, die depressive Grundstimmung wird regelmäßig durch das chargierende Spiel der meisten Darsteller (allen voran natürlich wieder Evan Peters) ins Absurde gezerrt. Selbstverständlich ist am Ende nichts so, wie es am Anfang war; über die morphologischen Eigenschaften der Staffeln dieser Serie ist man ja auch inzwischen informiert.
Zu einer finalen Gesamtbetrachtung, einer aufschlüsselnden Analyse oder gar einem konstruktiven Lösungsansatz kommt man natürlich nicht, wenn man aus dem Zentrum des Wahnsinns heraus berichtet. Das ist dann auch die größte Schwäche der Staffel, der es nie so recht gelingt, den Kopf auch mal längere Zeit über Wasser zu halten. Andererseits ist das natürlich ein Höllentrip und in gewisser Weise genau der Arschtritt, den man gerne selbst ausführen würde.
7/10
Weitere Staffelbesprechungen können folgen.