Review

"Hagel und Granaten!"

Die "Tim und Struppi" Comicbände von dem belgischen Autor Hergé gehören zu den beliebtesten Comics in Europa, fristen allerdings außerhalb dieser Region eher ein Nischendasein. Nach einigen vorlagengetreuen Zeichtrickfilmen versuchen Steven Spielberg und Peter Jackson den Stoff als mehrteilige Animationsfilmreihe zu etablieren.

Reporter Tim ersteht auf dem Trödelmarkt ein Schiffsmodell der Einhorn, einem verschollenem Schiff, auf dem sich unfassbarer Reichtum befinden soll. Bereits direkt nach dem Kauf erhält er plötzlich von mehreren Interessenten Angebote für das Modell, die weit über dem Kaufpreis liegen. Besonders der hinterlistige Iwan Iwanowitsch Sakharin lässt nicht locker, sodass Tim seine Wohnung schließlich verwüstet vorfindet. Ganz offenbar ist an der Antiquität etwas Besonderes und Dank seinem loyalen Hund Struppi entdeckt Tim einen Teil einer Botschaft, die den Weg zum Wrack der Einhorn weisen soll. Das Stück Papier wird allerdings von einem Taschendieb gestohlen. Tim setzt die beiden schusseligen Detektive Schulze & Schultze auf den Dieb an, wird allerdings vor dessen Fund von Sakharin auf ein Schiff entführt, der bereits den zweiten Teil der Botschaft in einem weiteren Schiffsmodell gefunden hat. Tim kann mit dem ebenfalls gefangenen und stets angetrunkenen Kapitän Haddock fliehen, der ebenso in das Geheimnis der Einhorn verstrickt ist.

Die Handlung von "Die Abenteuer von Tim und Struppi - Das Geheimnis der Einhorn" ist überwiegend aus den Bänden "Das Geheimnis der Einhorn“ sowie "Der Schatz Rackhams des Roten" entnommen, und wird sinnvoll durch Handlungsstränge aus "Die Krabbe mit den goldenen Scheren" ergänzt. Ein Mammutwerk könnte man meinen. In Wirklichkeit haben die Bände aber garnicht so immens viel zu erzählen, wodurch der Animationsfilm linear und vorhersehbar wird.

Nach einem an die Comicvorlage angelehnten Intro im Zeichentrickstil und mit Lautschrift steigt der Film direkt ins Geschehen ein. An sich gibt Regisseur Steven Spielberg dauerhaft ein hohes Tempo vor, worunter die schrulligen Charaktere jedoch leiden. Gerade der Hauptprotagonist Tim wirkt wie ein Platzhalter für die Integration des Publikums und entwickelt kein Eigenleben. Dessen treuer Foxterrier Struppi kommt am ehesten zum Zuge, wenn der Protagonist scheinbar eine Hilfestellung braucht und eher selten als eigenmächtig handelnde Figur.
"Die Abenteuer von Tim und Struppi - Das Geheimnis der Einhorn" begeht dadurch einen fatalen Fehler: Die emotionale Basis für Tims Abenteuer fehlt im Grunde völlig. Nur stellenweise hat man das Gefühl, dass für die Figuren tatsächlich etwas auf dem Spiel steht oder sie sich in eine lebensgefährdende Lage begeben. Die Folge ist ein durchgehender dramaturgischer Einbruch, der trotz turbulenter Actionszenen keine fesselnden Höhen erreicht.

Der eingestreute charmante bis ironische Witz zündet mangels Überraschung eher selten.
Die kindgerechte Präsentation hat besonders durch oft wiederholte Dialoge und der Kommentierung der Gedankengänge von Tim einen unfreiwillig komischen oder nervigen Faktor.

Ganz anders zu den genannten Punkten verhält sich die Technik. Allein die Optik ist grandios. Bereits das erste zu sehende, animierte Gesicht sorgt für erstaunen. Durch den Einsatz des von James Cameron in "Avatar" etablierten Performance-Capturing Verfahren, wirkt die zur Verfügung stehende Mimik von Darstellern so lebensecht auf den animierten Figuren, dass die Gesichter, trotz Verfälschung mittels Knollennase, beinahe real erscheinen.
Auch abseits der Figuren ist "Die Abenteuer von Tim und Struppi - Das Geheimnis der Einhorn" detailverliebt und bietet insbesonders farbenprächtige Panorama-Ansichten. Leider werden die immens vielen Details bei später häufiger auftretenden Actionszenen kaum wahrgenommen, denn die dabei verwendeten Kamerafahrten sind gleichfalls spektakulär wie auch schwindellerregend.

Bereits "Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels" wurde sehr verhalten aufgenommen und auch mit seiner "Tim und Struppi" Verfilmung macht sich Steven Spielberg mit einem ähnlich abenteuerlichen Stoff nicht zwingend Freunde. Keine Frage ist der Grad der Animation und dessen Präsentation ohne Zweifel ein aktuelles Highlight und die 3 Pate stehenden Bände wurden vorlagengetreu umsetzt. Jedoch bietet der Film keine steigende Spannungskurve, sondern zählt die vorkommenden Ereignisse recht emotionslos und wenig figurenbetont auf. Die Actionszenen sind spektakulär inszeniert aber gleichfalls durch eine achterbahnförmige Kameraführung überladen. Bestenfalls handelt es sich hier um einen Familienfilm, der mit seinem recht plötzlichen, offenem Ende wenig weiter motivieren kann.

4 / 10

Details
Ähnliche Filme