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Weil einmal mehr Léon Klimovsky seinen Namen lediglich für den Regie-Credit hergab, darf „Django kennt kein Erbarmen“ als Enzo G. Castellaris („Leg ihn um, Django“, „Ein Haufen verwegener Hunde“) inoffizielles Regiedebüt genannt werden, verantwortete er als Regieassistent doch den Bärenanteil dieses noch frühen Italowesterns in einer Phase als dieses europäische Genre sich bereits deutlich von den amerikanischen Pendants distanzierte, ohne ganz zu lösen. Der Prozess wurde in Einzelschritten absolviert und Castellari gelang hier ein ganz ansprechender Mittelweg.

Sein Titelheld ist auch von Kopf bis Fuß traditionsbewusst angelegt. Die Hutkrempe sitzt tief, die Zigarillos hängen lässig Mundwinkel, das Handwerk mit dem Revolver beherrscht er aus dem Effeff und ein Mann großer Worte ist dieser Django (Antonio De Teffè, „Shango“, „Spiel dein Spiel und töte, Joe“), von Berufswegen Kopfgeldjäger, natürlich auch nicht. Einen eleganten Vorgeschmack von ihm gibt es auch gleich vorab, als er mit der schnellen Hand und ein paar Gimmicks (u.a. eine als Dynamit getarnte Kerze) ein paar Banditen aus der Reserve lockt, um ihr Kopfgeld zu kassieren und einer Bank endlich die geraubten 100.000 Dollar zurückbringt. Nun sind die sich aber nicht sicher, ob das wirklich ihr Eigentum ist, weswegen sie Django beauftragen nach Montana zu reisen. Dort soll er die letzten Überlebenden der Bande schnappen, doch vor Ort soll sich die Lage verkomplizieren...

Von vor allem anfangs wirklich einfallsreichen Kameraperspektiven bis hin zu dem mal wieder sehr souveränen Antonio De Teffè und Frank Wolff („Gott vergibt... Django nie!“, „Spiel mir das Lied vom Tod“), der ein durchschnittliches Italowesterndebüt gibt und später zu einem gern gesehenen Bösewicht des Genres avancierte, gibt es auf den ersten Blick auch gar nicht viel auszusetzen.
Der stimmige Score Carlo Savinas („Ein Hosianna für zwei Halunken“, „Kung Fu im wilden Westen“) sorgt für den zwar nie einprägsamen, wenn auch zu aufdringlichen Score und die Prämisse selbst für etwas Abwechslung im täglichen Italowesterngeschäft, sieht sich Django doch gleich mit vielerlei Problemen konfrontiert.

Denn in Montana werden Kopfgeldjäger wie Mörder behandelt, auch wenn sie einen Verbrecher ohne Not erschießen. Also schnappt er sich den Stern eines toten Sheriffs, dessen Leichnam am Wegesrand vor sich hin vegetiert und tritt dessen Amt an, um eine verfahrene Lage zu klären.
Vor Ort liegen die reichen Viehbarone unter der Führung des obskuren Amos Brownsberg (Alfonso Rojas) nämlich um das kostbare Weideland mit den Farmern und Siedlern so sehr im Clinch, dass eine Konfrontation mit Waffen droht. Da muss Django auch gleich seines Amtes walten, um Lynchjustiz zu untersagen, Ohrläppchen abzuschießen und fleißig weiter zu intervenieren, was Amos gar nicht passt. Sind seine Pläne doch schon durchkreuzt.

Da die Sympa- beziehungsweise Antipathien für beide Parteien dank Auftreten und Taten schnell verteilt sind, verbleibt der Spannungsbogen vergleichsweise schwach gespannt, während der Konflikt selbst auch bis auf einzelne Zwischenfälle eher vor sich hinkleckert. Etwas interessanter, weil nicht ganz so durchschaubar ist da schon wie zweite Storykomponente, die Djangos Mission direkt betrifft. Trevor Norton (Wolff), angeblich der Zwillingsbruder des berüchtigten, toten Banditen Jim, dessen endgültiges Schicksal Django allerdings bezweifelt, versucht sich dort als friedfertiger Bauer, der mitsamt seiner Nichte Sally (Gloria Osuna) eine Existenz aufzubauen versucht, ohne in den schwellenden Konflikt hingezogen zu werden wollen.

Die unbeleckten Genreneulinge werden im weiteren Verlauf vielleicht noch ein paar Überraschungen erleben, während die erfahrenen Hasen den Braten gleich riechen und so sehr sich Castellari auch anstrengt, der harmlose Humor (u.a. der Spiegel im Saloon, der Hilfssheriff), Sekunden voller dick aufgetragenen, pathetischen Dialoge und der immer wieder zu aufdringliche, gar nicht reißerische Score tragen den Film entgegen der späteren Marschrichtung des Italowesterns leider an den amerikanischen Western heran.

Einige herbe Momente, wie die schon erwähnte Lynchjustiz und das rigorose Vorgehen Brownsbergs, der zwei Killer, ausgerechnet Jim Nortons alte Komplizen, anheuert und für sein Weideland über Leichen geht, sorgen zwar stets dafür, dass das Geschehen kernig präsentiert wird und die vielen coolen Auftritte des Kunstschützen Django mit entsprechenden trockenen Kommentaren garantieren meist auch für viel Flair, doch der Funke will nicht gänzlich überspringen.

Das liegt sicherlich auch an Castellari, dem man fachlich keinen Vorwurf machen kann, der das Szenario jedoch zu nüchtern und sauber aussehen lässt anstatt mit Dreck um sich zu werfen und dem Film einen Touch des Verkommenen oder Fiesen anzuheften. Die Bilder sehen meist zu aufgeräumt aus und warum jeder zweite, tödlich getroffene Mann nun die Arme hochreißen, aus der Deckung nach oben schnellen und mit einer Pirouette in den Sand fallen muss, bleibt wohl auch sein Geheimnis.

Etwas zu viel Zeit braucht der Ablauf zur Filmmitte dann auch, bis sich die Situation zuspitzt. Django verhaftet, lässt wieder auf Kaution frei, schnüffelt herum und versucht sich Amos und seine Männer zurechtzulegen, hat aber auch daran zu knabbern, dass Amos bereits weiß, dass er nicht der wahre Sheriff ist. Aus der für ihn vorgesehenen Falle entkommt er dank Zivilcourage der Bürgermeister/Friedensrichter – Combo auch nur uneigenständig mit Mühe und die zarte Romanze mit Sally geht genauso wenig klar für so einen rauen Burschen wie seine zunehmende Gesprächigkeit, die Django öfter etwas von seinem Charisma stiehlt.

Erst wenn sich in der letzten halben Stunde die Lage endlich zuspitzt, Amos fingierten Schuldzuweisungen ersten Erfolg zeigen, sich daraus eine für nicht möglich gehaltene Zweckgemeinschaft bildet und beide Parteien sich mit soviel Munition wie erwerbbar eindecken, beginnt „Django kennt kein Erbarmen“ wieder richtig Fahrt aufzunehmen und alle Beteiligten zu einem Shootout zusammenzuführen, der zwar unspektakulär aber tragisch einen halbzufriedenstellenden Abschluss bietet.

Enzo G. Castellari zeigte in den Folgejahren, dass bei ihm Kruppzeug eigentlich eine Seltenheit ist. Auch „Django kennt kein Erbarmen“ kann sich trotz einiger Mängel und diverser fehlender Charakteristika des Italowestern noch im oberen Mittelfeld ansiedeln. Trotz der kompetenten Inszenierung Castellaris mangelt es vor allem an einer dreckig-düsteren Bildern oder einer unheilvollen Atmosphäre, die später dominierten. Der Beitrag ist noch so etwas wie eine experimentelle Softversion auf dem Weg zum formvollendeten Italowestern, wobei einige Produktionen zu dieser Zeit schon weiter waren.


Fazit:
Der Plot selbst gewinnt natürlich keine Innovationspreise und wurde leider auch nur wenig spannend vom erfahrenen Autor Tito Carpi konstruiert, weswegen Castellari sich an der Vorlage auch etwas schwer tut und mehr Wert auf einzelne Highlights legt.
Antonio De Teffè spielt gewohnt souverän und Frank Wolff noch etwas blass, während zu viele Elemente des amerikanischen Western zumindest Puristen stören werden.
Die Tatsache, dass der Grundton nicht erbarmungslos geriet, wird immerhin von einem nur zur Filmmitte nachlassenden, ansonsten erfreulich flottem Tempo egalisiert. Insgesamt also kein Pflichtprogramm, aber wer die ersten Gehversuche des später zu einem guten Regisseur erwachsenen Enzo G. Castellari sehen will, beziehungsweise sich keinen Beitrag zur Italowestern-Ära ausspart, greift auch hier zu. Einbußen bezüglich Atmosphäre und Einfallsreichtum der Geschichte müssen allerdings in Kauf genommen werden, während gängige Zutaten eben doch anzutreffen sind.

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