Unglaublich aber wahr. Nicolas Cage gehört zu meinen Lieblingsschauspielern und ich habe ihn schon in zahlreichen Filmen bewundert. Das mir aber ausgerechnet sein erfolgreichster Film bisher nie unter die Augen gekommen ist, finde ich schon ziemlich skurril. 1995 war wahrscheinlich das Jahr schlechthin für Nico Cage, weil er für seine Darbietung in "Leaving Las Vegas" mit dem Oscar als bester Hauptdarsteller geehrt wurde. Schade, dass Nicolas Cage inzwischen eher in B-Movies zu sehen ist, obwohl er eigentlich gar nichts von seiner tollen Schauspielpräsenz eingebüßt hat. Die Frage, die ich mir nun im Vorfeld gestellt habe war, ob dieser Oscar gerechtfertigt war und ob "Leaving Las Vegas" wirklich der beste Film ist, in dem Cage je mitgespielt hat. Über die Antwort kann sicherlich diskutiert werden, doch eines steht für mich nach diesem großartigen Film fest : Der Oscar war mehr als verdient.
Ben Sanderson (Nicolas Cage) ist eine gescheiterte Existenz. Der schwer kranke Alkoholiker hat durch die Teufelsdroge Alkohol eigentlich Alles verloren, was man verlieren kann. Eine Tages beschließt Sanderson, mit seinem letzten Restgeld, nach Las Vegas zu reißen um sich schließlich dort tot zu saufen. Doch dann lernt er eine Prostituierte namens Sera (Elisabeth Shue)kennen, die ebenfalls kein angenehmes Leben führt. Die Beiden freunden sich an und kurze Zeit später nistet sich Senderson bei ihr ein. Auch Sera ist eine gescheiterte Existenz, die durch ihren Zuhälter und Peiniger stets brutal misshandelt wird. Als sie bemerkt, dass Sanderson ihr das geben kann, was ihr kein anderer Mensch zuvor geben konnte, betrachtet sie ihn von da an als letzten Strohhalm, was die freundschaftliche, aber dennoch sehr tiefsinnige, Bindung zu einer enormen Belastungsprobe mutieren lässt.
Wer hier einen typischen Mainstream Film erwartet, indem uns am Ende ein erhobener Zeigefinger vorgegaukelt wird, der uns sagen soll wie schlimm Alkohol doch ist, ist hier an der komplett falschen Adresse. Zwar bekommt man einen tiefen Einblick, wie schwer man von diesem Zeug abhängig werden kann und wie schwer es ist davon los zukommen, doch der Film will nie als Lehrfilm wirken, wie in etwa "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo - Christiane F.". Vielmehr steht hier die unglaubliche, schwer zu definierende Bindung zwischen unseren beiden Hauptpersonen im Vordergrund. Es ist kein wendungsreiches Drama, bei dem der Eine, den Anderen versucht zu verändern oder zu belehren. Wir erleben zwei Menschen, die einander brauchen, die sich sogar lieben, dabei aber eine solch einzigartige Liebe ausstrahlen, wie ich sie bisher in keinem anderen Film, geschweige denn Liebesfilm gesehen habe. Der Film ist mit Sicherheit nichts für rasante Zuschauer, die einen Faustschlag nach dem anderen erwarten. Es ist ein Film mit einem angenehmen und sehr ruhigem Arthouse-Flare, der, solange man sich auf solche Filme einlassen kann, von der ersten bis zur letzten Minute unglaublich fesselt. Die logische Konsequenz gibt es dann am Ende, wo man mit einem sehr bewegendem "Schlussstatement" verabschiedet wird. "Leaving Las Vegas" ist der ungewöhnlichste Film, der das Thema Liebe aufgreift, den ich jemals gesehen habe, was nicht nur am perfekten Nicolas Cage oder an der ebenfalls überragenden Elisabeth Shue liegt, sondern auch am einzigartigen Drehbuch, das keinerlei Lücken oder Löcher für den Zuschauer übrig hat.
Wie ich bereits erwähnt habe, ging der Oscar vollkommen verdient an Nicolas Cage. Er verkörpert den schweren Alkoholiker Ben so unglaublich realistisch, dass man es auch in diesem Film nur schwer fassen kann, dass das alles nur gespielt sein soll. Besonders in den "nüchternen" Phasen glänzt Cage gewaltig und er gibt uns ein durchweg glaubwürdiges Bild eines schwer kranken Alkoholikers. Zwar hätte Cage auch für seine Rollen in "Face Off" und "Lord of War" jeweils einen Oscar verdient, wo Cage meiner Meinung nach noch ein Funken mehr Schauspielgenialität einbringt, aber dennoch kann ich mich nur vor so einer überragenden Leistung verneigen, wie Cage sie hier vollbringt. Auch Elisabeth Shue spielt hier einfach meisterhaft. Sie verkörpert keine primitive Klischee-Hure, wie man es aus zahlreichen anderen Filmen kennt. Sie verkörpert einfach einen gebrochenen Menschen, die in Ben eine Art Seelenverwandten gefunden hat und sich durch ihn, trotz seiner Alkoholexzesse, besser fühlt, ohne sich dabei in den Kopf zu setzen, ihn mit aller Macht vom Alkohol zu befreien. Ebenfalls darf man hier auch nicht Julian Sands außer Acht lassen, der die Rolle des brutalen Zuhälters Yuris total wahnsinnig und schockierend verkörpert. Seine Präsenz hatte stets was Unheimliches an sich, immer wenn man das Gefühl bekam, dass er wieder irgendwo lauern könnte, bekam man ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Leider ist er nur in der Anfangsphase so richtig präsent, was vielleicht das Einzige wäre, was ich diesem Film negativ ankreiden könnte.
"Leaving Las Vegas" ist ein Film, der nur für Leute, die ein Gespür für das gewisse Etwas haben, geeignet ist. Wer sich mal wieder so richtig emotional aufwühlen lassen will und auch die ein oder andere Träne vergießen möchte, darf sich gerne diesen Film zulegen, der sowieso für mich ein absoluter Pflichtkauf ist. Nur wer ein 08/15 Drama, bzw Liebesfilm, haben möchte, bzw erwartet, wird hier etwas enttäuscht werden. Fans von Nicolas Cage, sofern sie diesen Film nicht schon längst kennen, werden hier eh mehr als gut bedient.
Fazit : Ein kleines Meisterwerk, mit tollen Arthouse-Elementen und einem grandiosen Nicolas Cage, in der Rolle seines Lebens. Der Film lebt von seinen Dialogen und sollte deshalb unbedingt im Originalton geschaut werden, da hier Cage's Tonlage viel mehr nach einem Alki klingt, als es bei der mauen deutschen Fassung der Fall ist. Einen kleinen Abstrich gibt es nur wegen der bereits erwähnten und in meinen Augen etwas unnötigen und frühzeitigen Abstinenz von Julian Sands.
9/10