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Francois Cluzet spielt einen reichen Querschnittsgelähmten, der einen neuen Pfleger sucht und sich für einen vorbestraften Senegalesen, gespielt von Omar Sy, entscheidet, der sich eigentlich nur beworben hat, um Arbeitslosengeld erhalten zu können. Da er die mitleidigen Blicke seiner vorherigen Pfleger leid ist, entscheidet er sich für den scheinbar unqualifiziertesten Kandidaten, der mit seiner Großfamilie in einem Pariser Plattenbau lebt. Der Arbeitslose nimmt den Job vorrübergehend an und zieht in die Villa seines Arbeitgebers.

Plötzlich war er da, der erfolgreichste französische Film seit Langem, der sich auch in deutschen Kinos großer Beliebtheit erfreut und in der OFDb-Rangliste zum jetzigen Zeitpunkt sogar der beste Film des Jahres 2011 ist, noch vor Hollywood-Blockbustern wie “Planet der Affen“ oder “X-Men: Erste Entscheidung“. Dies war zunächst überraschend und verwunderlich, ist es aber nicht mehr, wenn man “Ziemlich beste Freunde“ gesehen hat.

“Ziemlich beste Freunde“ ist vor allem eines: Lustig und zwar von Anfang bis Ende. Statt die Charaktere zunächst einzuführen, fackeln die Regisseure Olivier Nakache und Eric Toledano nicht lang und eröffnen den Film gleich mit einer Verfolgungsjagd durch Paris, an deren Ende die Polizei den Querschnittsgelähmten und seinen Pfleger, der mit weit über 100 Km/h durch die Großstadt gerast ist, aus dem Verkehr zieht, woraufhin der Rollstuhlfahrer einen Anfall vortäuscht, während sein Pfleger den Polizisten erklärt, er habe ihn schnellstmöglich ins Krankenhaus bringen wollen. Die gutgläubigen Polizisten bieten eine Eskorte an und flankieren die beiden auf dem Weg ins Krankenhaus, während das Gelächter im Auto entsprechend groß ist. Vorm Krankenhaus angekommen, suchen die beiden schnell das Weite.

Danach setzt der eigentliche Plot an, aber zum Erliegen kommen Film und Unterhaltungswert dabei keineswegs. Immer wieder wird die Behinderung des Protagonisten für den einen oder anderen Gag ausgesprochen gelungen ausgespielt. Das klingt im ersten Moment ziemlich hart, ist es aber nicht und nicht nur deswegen, weil die Gags wirklich gut und lustig sind. Die Grenzen des guten Geschmacks werden auch deshalb nicht überschritten, weil der Behinderte mitlacht, weil es ihm, wie er selbst betont, gut tut, dass er hier einen Pfleger hat, der ihn nicht bemitleidet und bemuttert, ihn mit Samthandschuhen anfasst und jederzeit die political correctness wahrt. Der Film umschifft darüber hinaus jeden Anflug eines faden Beigeschmacks, weil die Charaktere glaubhaft, herzlich und sympathisch sind, weil sie von den beiden hervorragenden Darstellern authentisch verkörpert werden und das Duo Nakache / Toledano, das auch für das Drehbuch verantwortlich ist, den Figuren ihre Würde lässt und sie nicht demontiert, um ein paar zusätzliche Blödeleien einzubauen.

Wer Gründe zum Nörgeln sucht, wird sie sicherlich finden, zumal der Charme des Geheimtipps so allmählich verfliegt und die Erwartungen der Zuschauer, die “ziemlich beste Freunde“ noch nicht gesehen haben, deutlich höher als noch vor ein paar Wochen sein dürften, aber viele, geschweige denn drastische sind es sicherlich nicht. Omar Sy neigt vielleicht in etwas ausufernden Szenen dazu, den Bogen ein wenig zu überspannen, bremst sich dann aber meist, sodass seine Figur glaubhaft und geerdet bleibt. Dem Eindruck, dass Vieles ein wenig zu glatt verläuft, dass den Figuren, wie auch der Handlung, Ecken und Kanten teilweise abgehen, dass der Plot ein bisschen zu kalkulierbar verläuft und die schnelle Annäherung der beiden Protagonisten vielleicht ein wenig unglaubwürdig ausfällt, kann sich der Film nicht durchweg entziehen, aber dem ausgesprochen guten Unterhaltungswert schadet dies wenn überhaupt nur marginal.

Denn auch ansonsten machen die Beteiligten alles richtig. Die Darsteller sind grandios, Francois Cluzet deutet immer mal wieder an, was die Verletzung für seinen Charakter bedeutet, gibt sich verletzlich und nervös vor dem Date mit seiner Brieffreundin, zeigt eine gewisse Verbitterung, nachdem sein Pfleger schließlich gegangen ist, ist aber gleichzeitig so charmant und sympathisch, dass das Schicksal seiner Figur zu fesseln vermag. Auch Omar Sy überzeugt daneben voll und ganz, selbst in den ernsteren Momenten, etwa dann, wenn er mit seinem Bruder redet, der auf die schiefe Bahn zu geraten droht. Die Atmosphäre ist emotional, aber nicht kitschig, dies verhindern die zahlreichen Gags sehr gut, das Tempo ist angemessen und der Film damit außerordentlich gut gelungen.

Fazit:
“Ziemlich beste Freunde“ überzeugt mit sympathischen Charakteren, guten Darstellern und zahlreichen Gags, die fast durchweg zünden und nicht sauer aufstoßen, da die Macher den Figuren ihre Würde lassen. Damit ist der französische Überraschungshit letztlich die beste Tragikomödie seit Langem, unschlagbar unterhaltsam und absolut empfehlenswert.

92%

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